Relicts of Port Ellen

Diese Perle an der Südküste Islays wurde 1825 gegründet, nachdem sich an diesem Standort zuvor eine Mühle befunden hatte, die Schwarzbrenner in der Umgebung mit Malz versorgte. Unter kompetenter Führung testete man technische Innovationen im Bereich des Destillationsverfahrens und erschloss sich früh den amerikanischen Markt durch eine direkte Verschiffung von der Brennerei in die USA. Als Importeur von Sherry und Madeira konnte man einen Nachschub an Eichenfässern sicherstellen, auch war man federführend bei der Schaffung einer Fährverbindung nach Glasgow. Die Serie aus Pattison-Crash, erstem Weltkrieg, der großen Depression und der Prohibition führte dazu, dass Port Ellen erst verkauft werden musste und schließlich in 1930 geschlossen wurde. Erst im April 1967 wurde die Produktion wieder aufgenommen, nachdem im Vorfeld Modernisierungsarbeiten durchgeführt und zwei zusätzliche Brennblasen installiert worden waren.

Doch bereits 1983 war erneut Schluss. Aufgrund der Whisky-Krise brach die Nachfrage für rauchigen Whisky drastisch ein. Lediglich die 1973 errichtete Mälzerei blieb aktiv, da sich die Brennereien auf Islay und Jura darauf verständigten, einen Teil des Malzes von dort zu kaufen, um lokale Arbeitsplätze zu bewahren. Die Schließung, und in Teilen Demontage, der Anlage verschaffte Port Ellen einen legendären Status, da die durch die limitierten Restbestände selten werdenden Abfüllungen zu begehrten Sammlerstücken wurden. Allerdings bin ich Trinkerin und nicht Sammlerin:

Eine Flasche 1983er Port Ellen von dem Abüller 'Art of Whisky'

Port Ellen 1983 AW

23 Jahre im Bourbon Cask bis 2006 / 56,8%Vol. / Link zur Whiskybase

Der Bottler Art of Whisky war nur für kurze Zeit in den Nullerjahren aktiv, hat aber unter anderem dieses schicke Bottling zu verantworten. Es trägt den passenden Beinamen ‘Paradise Lost’, womit aber weniger das gleichnamige Gedicht von John Milton oder die Death Metal-Band aus Halifax gemeint sind. In jedem Fall ist so ein Port Ellen aus dem letzten Jahr der Produktion ein passender Start. Eine von 120 Flaschen.

Nose: Zitrusnoten und salziges Bienenwachs liegen im kalten, körnigen Aschebett – fängt also schon mal sehr gut und sehr typisch an. Gelegentlich ragen speckige und ölige Nuancen hervor. Frische Datteln münden in Mangowürfel und gelbfleischiger Nektarine. Später finden auch Zimt und Bandagen Raum, die Asche hingegen verschwindet fast völlig. (90)

Taste: Die kalte Asche wird um würzigen Ruß ergänzt, frisch vom verkohlten Eichenholzscheit gekratzt. Die gelben Zitrustöne sind auch hier recht klar und ausgesprochen salzig. Es wird grasig und metallisch, dann kehren die iodierten Bandagen mit voller Wucht zurück. Räucherschinken und Diesel lauern zwei Ecken weiter. (87)

Finish: Fest im Griff des ausgekohlten Eichenfasses. Überall pfeffrige Gewürze und Asche, rollt aber insgesamt sehr geschmeidig und sanft über die Zunge. Salz und Zitrone müssen sich durchboxen. Der tolle metallene Ton ist wieder da. Die Bandagen haben sich in Tabak verwandelt. (88)

Fazit: Schade, dass die Früchte nur in der Nase so schön ausgeprägt sind. Trotzdem ein mehr als ordentlicher, leicht dreckiger Port Ellen, der sowohl von einfachen und typischen – deshalb auch schon irgendwie eleganten – Strukturen als auch einer beträchtlichen Portion Torf lebt.

In der Rare Malts Selection gab es zwei Port Ellen-Abfüllungen. Beide aus dem Jahr 1978, hier im Bild (und in der Verkostung) die 22-jährige Version.

Port Ellen 1978 Rare Malts Selection

22 Jahre in Eichenfässern bis 10.2000 / 60,50%Vol. / Link zur Whiskybase

Ab in die Rare Malts-Ecke, dem Vorläufer von Diageo‘s Special Releases. Eine Originalabfüllung also.

Nose: Kupferstangen in kandierten Zitronen – bestimmt steh’ ich gleich unter Strom. Das Bienenwachs ist auch hier nicht weit. Der Charakter ist ölig und salzig, wie eine Sardelle, die über den Asphalt geschleift wird. Wobei auch einiges an Fudge mitschwingt. Die Eiche gesellt sich bald hinzu und verströmt wunderbare Zimtnoten. (91)

Taste: Salzkaramell klatscht gegen das würzige Eichenholz. Überall Zimt, Nelke, Pfeffer und Sandelholzstaub. Die Zitrone fuchtelt lautstark mit den Armen, ein Schrei nach Aufmerksamkeit. Und schon ist das Kupfer da. Erkaltende Asche und angekohlte Holzscheite an einem Strand mit großen, weißen Kieseln. Über das Ganze wird einmal drübergeteert und fertig. (91)

Finish: Das Kupfer hat einen fest im Griff, geht fast schon Richtung Blut. Wahnsinn, wie gut das angekohlte Eichenholz da dazu passt. Könnte an der integrativen Ader von Salz und Zitrone liegen. Asphalt und Asche wobbeln ruhig vor sich hin. Am Gaumen wird es nochmals wachsig. (92)

Fazit: Ganz starke Vorstellung. Da zwickt nix, auch nicht der Alkohol. Vor allem die Kupfer-Salz-Zitronen-Kombi ist extrem unterhaltsam und animieren, aber alles andere ist auch nicht ohne. Rare Malts-Style in Reinform.

Aus dem Sortiment von Scott's Selection: ein 22- oder 23-jähriger Port Ellen

Port Ellen 1976 Sc

im Eichenfass bis 1999 / 58%Vol. / Link zur Whiskybase

Scott’s Selection war, wie’s scheint, ein von 1996 bis 2012 aktiver Abfüller.

Nose: Sanfte Bienenwachsnoten vermischen sich mit feinwürzigem Holzrauch und -staub. Wirkt von Beginn an sehr komplex. Die orange-rötlich schimmernde Frucht empfängt einen mit Wärme und Geborgenheit. Mit dabei ist ein säuerlicher Touch, wie bei roten Johannisbeeren. Könnte aber auch von der Port Ellen-Zitrone stammen. Passt jedenfalls gut zum Vanille-Fudge. Von Salz und Rauch gibt es im Übrigen nur Spuren. (90)

Taste: Vollreife Orangen und Bienenwachs ragen unter einer dicken Schicht Ruß hervor. Fühlt sich hier und dort wie ein Sherryfass an. Mit Zitrone offensichtlich. Harziges Eichen- und Sandelholz legen ziemlich würzig und prickelnd los, etwas ‘over the top’ tatsächlich. Warme Asche versucht, das abzufedern. Gips und Bandagen funken dazwischen. (86)

Finish: Die Aromen von verkohltem Holz sind durchaus dominant. Dadurch wird der Ausklang leicht würzig und angenehm trocken, aber auch schwefelig. Irgendwie ledrig. Das Bienenwachs kommt ein ganz klein bisschen durch. (87)

Fazit: Schwierig zu trinken. Der Alkohol ist am Gaumen nicht so gut integriert und stört. Wasser allerdings lässt den PE wiederum etwas flach, holzig und medizinisch wirken. Insgesamt schade, dass er die ansprechende Nase nicht fortsetzen kann.

Die Elements of Islay-Serie kommt in der charakteristischen 0,5-Liter-Flasche daher, die optisch ein wenig an den Chemieunterricht erinnert.

Port Ellen PE1 SMS

1st Fill Sherry Butt bis 2009 / 58,7%Vol. / Link zur Whiskybase

Speciality Drinks Ltd. – heute besser bekannt als Elixir Distillers – war das Label, unter dem ein großer englischer Whiskyshop eigene Abfüllungen herausbrachte. Das Alter dieses PE ist nicht bekannt, aber 25 Jahre müssten es mindestens sein.

Nose: Eine gute Mischung aus reifer Frucht und Dreck. Der Sherry ist anwesend, kirschig bis nussig, lässt aber Raum für gelbe Früchte wie Banane, Maracuja und die typischen, teilweise orange angehauchten Zitrusfarben. Süße Elemente, Karamell und Honigwaben beispielsweise, fungieren als Bindeglied für die dreckige Seite, welche mit Holzkohle aufwarten kann, mit Salz und Räucherspeck und mit feinstem Maschinenöl. Oder doch Sardinenöl? Die Gewürze sind 1A integriert. Später kommen grüne Tupfer in Form von Melone und Datteln hinzu. (93)

Taste: Boah, ist da viel los. Nussschokoladencreme stürzt sich auf alles, was nicht bei drei auf dem Baum hockt. Asche, Eiche und Sandelholz verstehen sich hervorragend miteinander, eine samtige Melange die bald auch von Teer unterstützt wird. Das Salz feiert eine Party, auf der die gelb-grünen Tropenfrüchte mit den Gewürzen und dem Bienenwachs flirten. Säuerliche Strukturen ist das Motto. Der Torf ist mineralisch, muschelkalkig und weist generell viele Küstenmarker auf. Bitte vorsichtig mit diesem Tropfen sein, es könnte passieren, dass Algen in der Mundhöhle anfangen zu sprießen. (92)

Finish: Das Lagerfeuer bitte nicht mit Sherry löschen! Zu spät – schon passiert. Und es ist richtig geil! Rote Früchte mit Eichenholz und aromatischer Asche… gelbes und grünes Obst schiebt sich elegant ins Bild, selbstverständlich sind da Salz und Bienenwachs auch gleich zur Stelle. Räucherschinken und Sardine bilden ein kongeniales Duo. (92)

Fazit: Kaum möglich, alle Facetten dieses Malts zu erfassen. Einfach zurücklehnen und genießen. Der hat alles, was man sich von einem PE erhofft. Fühlt sich ein bisschen an, wie damals als ich vor vielen Jahren meinen ersten Lagavulin 16 Jahre geöffnet hatte… Islay pur und ein richtiger Augenöffner… Mein bester Port Ellen bisher.

Douglas Laing konnte sich in weiser Voraussicht viele Fässer von Port Ellen sichern. Von dieser 20-Jährigen Abfüllung gab es nur 185 Stück.

Port Ellen 20 Jahre DL

Sherryfass / 54,9%Vol. / Link zur Whiskybase

Aus der ‘Top Notch Collection’ von Douglas Laing.

Nose: Ein herrliches Sherryfass! Ein nussiges Mus aus Rosinen, Trockenpflaumen und -feigen ergießt sich in einen mit Leder bespannten Holznapf. Kirschenmarmelade und dunkle Edelschokolade mit einem Touch von Bienenwachs stoßen hinzu. Polierte Eiche punktet mit hochklassiger Würze. Räucherschinken, Fudge und Ahornsirup fügen sich ins Geschehen ein. Nach einer halben Stunde bemerkt man einen Hauch von Asche, Salz und kandierter Zitrone – ist also wirklich ein PE. (92)

Taste: Auch hier ein intensives, saftiges Sherryfass, das kräftig mit Politur gewienert worden ist. Einen guten Ticken würziger und fleischiger, wobei sich Asche und Salz schon von Beginn an zeigen. Insgesamt deutlich trockener als in der Nase, was vor allem daran liegt, dass der Sherry lange nicht so fruchtig, sondern höchstens nussig rüberkommt. Mehr Platz für Bandagen und Asphalt also. Die Zartbitterschokolade ist so gut integriert, dass man sie beinahe übersieht, aber wenn man sie mal entdeckt hat… man wird sie nicht mehr los. (89)

Finish: Schickes Schießpulver, in der Tat bereichernd und würzig, richtig aromatisch sogar. Auch Eichenholz, Asphalt und Asche eilen ins Rampenlicht. Ein erdiger Kollege. Dank einiger Sherryreste hält sich das Gebilde aber in Waage. Andeutungen von Salz und Wachs lockern auf. (90)

Fazit: Ein Charaktertropfen, wahrlich nicht für jeden geeignet. Er bringt viel Gewicht und Dichte mit, vor allem im „dreckigen“ Bereich, das muss man erstmal wegstecken können. Aber der Name ist Programm, ein Spitzenvertreter seiner Zunft.

Dieser Port Ellen durfte 30 Jahre in Signatory Vintage's Hogshead Nr. 159 lagern.

Port Ellen 1975 SV – Cask 159

im Hogshead 14.01.1975 bis 31.08.2005 / 56,9%Vol. / Link zur Whiskybase

Als Abschluss noch ein 30-Jähriger PE aus dem wohlsortierten Bestand von Signatory Vintage. 206 Flaschen ergab ein einzelnes Hogshead.

Nose: Trockene Lagerfeuerasche und Zigarrenstumpen treffen auf glasklare Frucht, Orangengelee und grüner Apfelsirup. Banane, Mangopüree und Sternfrucht gesellen sich dazu. Blankes Eichenholz entwickelt eine zarte, aber nachhaltige Kokosnote. Blätterteiggebäck mit saftigem Marzipan und Milchreis dazwischen. Kohlenstaub bleibt an einer öligen, wachsigen Funzel hängen. Und dann noch ein salziger Räucherfisch! (91)

Taste: Die Asche bleibt trocken, holzig, würzig. Fast schon pfeffrig und rußig. Richtig kohleartig. Maschinenölgalore. Autoreifengeschnetzeltes. Greasy-waxy-rusty Harley Davidson-Auspuff. Die Frucht ist wesentlich weniger tropisch als in der Nase, stattdessen tut sich die typische PE-DNA auf – komplexe, süßliche Zitrone mit Salz. (90)

Finish: Lagerfeuer in allen Entwicklungsstadien. Man ist sich quasi nicht sicher, ob die Holzscheite noch neben dem Feuer liegen oder schon verkohlt oder komplett zu Aschestaub zerfallen sind. Überall rostige Nägel mit Blut. Leicht süßliches Zitronengelee mit äußerst maritimen Einschlägen. Und wieder diese ölige, wachsige Schicht. (91)

Fazit: Selten so eine sophisticated Dreckschleuder im Glas gehabt. So akzentuiert, so pointiert! Ein Gemetzel, bei dem alles an den richtigen Platz fällt. Das Zeug macht süchtig. Also, falls Diageo DAS reproduzieren kann, dann Hut ab.

2017 verkündete Diageo, dass eine Neueröffnung von Port Ellen (und auch Brora) angestrebt werde. Seitdem wurden die Lagerhäuser an der Küste und das Kiln-Gebäude renoviert, ein neues Brennhaus sowie ein Besucherzentrum erbaut. Zwar wurden die ursprünglichen Brennblasen in den 1990ern nach Indien verschifft, doch zwei detailgetreue Replikas wurden bereits installiert. Dazu kommen zwei kleinere Brennblasen, welche für experimentelle Zwecke gedacht sind. Bleibt abzuwarten, ob Diageo die Gelddruckerei früh anwirft und junge Releases auf den Markt bringt, oder aber, ob sie den alten Style nachzuahmen versuchen und dem Spirit die dafür notwendige Lagerzeit zugestehen. In dem Fall wäre Mitte der 30er mit den ersten Abfüllungen zu rechnen.

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Samples privat gekauft | Bilder mit freundlicher Genehmigung der Whiskybase