Relicts of Mosstowie

In den 1950ern hatte man beim kanadischen Spirituosenkonzern Hiram Walker eine Idee für eine neue Art von Brennblasen: Durch variabel einstellbare Bauteile sollte es möglich sein, die Vorgänge beim Brennen so zu beeinflussen, dass man unterschiedlich beschaffene Ergebnisse, also New Make mit Eigenschaften je nach Wunsch bekam. Der Whisky konnte im Endeffekt dann schwer oder leicht, ölig oder blumig usw. sein. Eine Brennblase, viele Stile quasi. Ziel war es, damit flexibler auf die Bedürfnisse der wachsenden Blendindustrie eingehen zu können, ohne gleich eine neue Destillerie bauen oder kaufen zu müssen.

In 1964 wurde innerhalb der konzerneigenen Brennerei Miltonduff je eine Wash und Spirit Still in dieser innovativen Bauweise, die wir heute als Lomond-Stil kennen, installiert. Den damit produzierten Malt Whisky nannte man Mosstowie. Eine Originalabfüllung gab es nie, jedoch konnten einige wenige unabhängige Abfüller vereinzelte Fässer abgreifen, bevor das Projekt eingestellt wurde:

Eine Miniatur von Gordon & MacPhail. Der darin enthaltene Mosstowie wurde in 1970 gebrannt.

Mosstowie 1970 GM Brown Label

Eichenfässer / 40%Vol. / Link zur Whiskybase

Genau lässt sich das Alter dieser Miniatur nicht bestimmen, lediglich eingrenzen, denn das braune Label wurde ca. von 1979 bis 1989 für die Connoisseurs Choice-Reihe verwendet. Bei meiner Mini war der Füllstand nur 3mm über der Etikettoberkante, es hat also bereits eine gewisse Oxidation stattgefunden.

Nose: Äußert klassisch: Honigwaben, Vanille und helles Eichenholz, allesamt delikat im Auftreten. Leicht würzig ist es dennoch, mit Nelke, Zimt und gesalzenen Nüssen. Einem Interludium aus Erdbeermarmelade und kandierter Zitrone folgen Tulpenblätter. (86)

Taste: Im Antritt geht es konsequent weiter, denn Honig und reiche Gewürze geben ein Stelldichein. Wal- und Haselnüsse sowie bissige Eiche leiten über zu Tanninen. Dann macht sich die lange Fläschchenlagerung durch flache, metallisch bis mineralische Töne bemerkbar. (84)

Finish: Trotz wachsiger Honigwaben hält das Eichenholz die Grundstimmung eher auf der trockenen, würzigen Seite fest. Mandeln, Salz und Gras vermitteln einen ausbalancierten Eindruck. (85)

Fazit: Nicht immer ganz einfach zu genießen, vor drei Jahrzehnten war der sicher noch runder. Was aber nicht schlimm ist, ich habe ihm gerne die Aufmerksamkeit gegeben, die er gebraucht hat. Und lecker ist er nach wie vor. Bei dem Füllstand und ausgehend von 40% hatte tatsächlich ich weniger Kraft und Vielschichtigkeit erwartet.

Eine Flasche 17-jähriger Mosstowie, in den Umlauf gebracht von Sestante.

Mosstowie 17 Jahre Ses

Eichenfässer / 40%Vol. / Link zur Whiskybase

Dieser Whisky wurde für den italienischen Bottler Sestante in den 80ern abgefüllt.

Nose: Eine fruchtig-süße Bourbonfassreifung! Bananen, kandierte Zitronen und Pfirsiche sitzen in einer stabilen Wolke aus Lindenblütenhonig. Mit Sternfrucht und Kiwi kommen auch grüne und tropische Schattierungen hinzu. Ananas – ich komm gar nicht mehr vom Obstaufzählen weg… Mandeln und samtige Gewürze bilden den Kontrapunkt. Dann entwickelt er geschmolzene Zartbitterschokolade und Hefe. (88)

Taste: Ein ganz ähnliches Bild, süßlich-leichter Honig und gelbgrüne Früchte; nur insgesamt wesentlich grasiger und auch das Eichenholz meldet sich schon früher, solide und mit weniger Nüssen, dafür einigen Tanninen, welche wiederum zur Bitterschokolade überleiten. (84)

Finish: Auch mit 40% angenehm wärmend. Eiche und Mandeln entfalten sich nochmal. Vom Obst bleiben hauptsächlich die Bananen, diesmal mit grasig-grünem Touch. Spuren von Kalk und Gurke machen sich breit. (85)

Fazit: Littlemills Bruder? Die 40% hinterlassen einen faden Beigeschmack, denn die Aromen bauen dadurch an der Luft rasch ab, er wird flach. Und das ist schade, weil die anfänglichen Eindrücke wirklich überzeugt haben.

Eine Flasche Mosstowie aus dem Fass Nr. 12887, abgefüllt in einer sogenannten Dumpy Bottle, charakteristisch für Abfüllungen von Signatory Vintage in den 90ern.

Mosstowie 1976 SV Cask 12887

Oak Cask 20.10.1976 bis 05.10.1998 / 55,7%Vol. / Link zur Whiskybase

Eine Einzelfassabfüllung von Signatory Vintage, erfreulicherweise in Fassstärke. Nach 21 Jahren Reifezeit konnten 262 Flaschen aus dem Fass gewonnen werden.

Nose: Extrem rund und wohltuend, fast schon zu brav. Vanille, Shortbread und konstant präsentes Bienenwachs sind Zeugen einer typischen Refill-Reifung. Eichenholz und Früchte sind eher zurückhaltend, ähnlich wie beim Sestante sind aber auch hier gelbe Aprikose, Banane und grüne Tropentöne detektierbar. Honigwaben und Gewürze ergänzen sich wunderbar. (88)

Taste: Angestaubte Bienenwachskerze und gemahlene Gewürze werden von poliertem Sandelholz getragen, Old School-Charme pur. Kurzzeitig gelbes und grasiges Obst. Walnüsse, Mandeln und harsche Haselnüsse betonen den trockenen Part des Whiskys, fast schon zu sehr. Tannine und Zartbitterschokolade versuchen, das zu überdecken. (86)

Finish: Trotz gelber Früchte bleibt es trocken, dafür nicht mehr ganz so harsch. Eichenholz tobt sich aus, überall sind Gewürze, Nüsse, Tannine und Bitterschokolade. Und dann schlägt das Bienenwachs nochmal zu, mit blanchierten Mandeln im Schlepptau. (86)

Fazit: Der bricht nicht so schnell weg wie der Sestante. Liegt an der Fassstärke, könnte ich mir vorstellen. Zwischendurch punktet er immer wieder mit fantastischen Aromenkombinationen, manchmal wirkt er aber auch relativ geradlinig. Zeit tut ihm gut.

Eine Flasche Mosstowie nebst Metalldose aus Signatory Vintage's Cask Strength Collection.

Mosstowie 1979 SV Cask 25758

Bourbon Barrel 30.11.1979 bis 19.01.2016 / 46,8%Vol. / Link zur Whiskybase

Gleich noch eine aktuellere SV-Abfüllung hinterher – mehr Reifezeit, weniger Prozente aber trotzdem noch in Fassstärke, daher innerhalb der Cask Strength Collection herausgegeben. In diesem Fall ergab das Fass nur noch 178 Flaschen.

Nose: Wow, viel aufregender als sein jüngerer Bruder. Vanille, Honig und spritzige Zitrusfrüchte münden in Kaffeegebäck, Bienenwachs und lebendigen Gewürzen. Das Alter entfaltet seine volle Wirkung, alles ist kunstvoll miteinander verwoben und gediegen gereift. Gebrannte Nüsse und Marillenknödel in Butter versetzen in eine Bäckerei. Ein exotischer Fruchtmix steigt auf und mit ihm ein Hauch von Speck. (90)

Taste: Weiterhin sehr fruchtig und wachsig, wobei die Gewürz- und rauchigen Speckkomponenten noch mehr zur Geltung kommen. Eichenholz wird von Walnüssen und Olivenöl begleitet, mit der Zeit stoßen auch einige Tannine hinzu. Neben Honig und Aprikose sind es vor allem die Zitronen, die dem gesalzenen Rauch Paroli bieten. (87)

Finish: Das Eichenholz wird zum Brett, delikat würzig und sehr nussig, die samtig-schokoladigen Bitterstoffe fehlen auch hier nicht. Es wird süßer, Honig und tropisches Obst – Banane, Melone und saftige Papaya – sind dafür verantwortlich. Dünnes Wachs zieht sich über die Szenerie. (88)

Fazit: Zugegeben, im Mittelteil ausgesprochen gewöhnungsbedürftig und alles andere als ausgewogen. Man muss sich auf unkonventionelles einlassen können, dann macht’s Spaß. In jedem Fall ist dieser Mosstowie überdurchschnittlich komplex und zu keiner Zeit langweilig. Ganz zu schweigen davon, wie viel Kraft der nach 36 Jahren noch hat!

Eine Flasche Mosstowie von van Wees, abgefüllt aus dem Fass Nr. 1355

Mosstowie 1979 vW Cask 1355

Bourbon Barrel 06.02.1979 bis 04.06.2013 / 51,5%Vol. / Link zur Whiskybase

Diese Einzelfassabfüllung könnte ebenfalls aus den Warehouses von Signatory Vintage stammen, denn der Abfüller van Wees hat gute Verbindungen dorthin und deshalb auch guten Zugang zu deren Lagerbeständen. In ihrer The Ultimate-Serie füllt van Wees ausschließlich ungefärbt und ohne Kühlfiltrierung ab. Dieses Bourbon Barrel enthielt nach 34 Jahren noch genug, um 185 Flaschen voll zu kriegen.

Nose: Eine verführerische Assemblage aus wachsigem Honig, würziger Eiche und nussigem Vanillegebäck. Durchbrochen von Zitrusfrüchten, Aprikose, Quitte und Apfel. Mit Maracuja und Banane wird’s auch ein bisschen tropisch. Holzstaub legt sich auf die Aromen. (89)

Taste: Unmengen an gelben Früchten tanzen auf den Geschmacksknospen. Die Gewürze sind samtig bis prickelnd, doch das Eichenholz hat auch schokoladigen Kakao in Petto. Zartes Bienenwachs wird ausgewalzt. Cantuccinis mit Haselnüssen und einer Prise Salz. (88)

Finish: Zimt und ganze Nelken werden in das Bienenwachs gespickt. Trockenes Eichenholz garniert mit Salz und Honig. Hintenraus eilen wieder die gelben Früchte zur Unterstützung herbei. Banane, Quitte, Zitrus… und noch eine einzelne Mandel. (89)

Fazit: Ein kleiner Schuss Wasser waren für mich hier essentiell, denn dadurch konnten sich nicht nur die reichhaltigen Früchte entfalten, auch der Alkohol war besser integriert und dass Fassholz machte eine gefälligere Figur. Ein sehr gelungener Mosstowie!

Eine Flasche Mosstowie aus der Künstlerkollektion #2 von La Maison du Whisky.

Mosstowie 1973 LMWD Cask 7621

Über 35 Jahre im Refill Sherry Butt bis 2012 / 54,3%Vol. / Link zur Whiskybase

Die Artist Collection vom französischen Abfüller La Maison du Whisky ist bei Sammlern recht begehrt. Mal schauen, ob die auch trinkbar sind. Ganze 562 Flaschen gab es von diesem Mosstowie.

Nose: So viele Spielarten von Bienenwachs – die Mosstowies übertreffen sich hier geradezu gegenseitig. Verstaubte Gewürze passen da perfekt dazu. Saftige Kokosnuss und grasige Mandeln ergänzen sich, als wäre es abgesprochen. Das Obst kommt eher zögerlich, am ehesten tun sich Maracuja und Banane hervor. (89)

Taste: Das Bienenwachs ist hier eher intensiv als verspielt, die Gewürze hab ich selten so gut entwickelt erlebt, fast schon erhaben. Das nussige Duo wiederholt sich, die Früchte sind nicht so schüchtern und gelb, wie vielleicht nie zuvor in dieser Session. Das Eiche ist dezent und gut dosiert. (91)

Finish: Jetzt möchte das Eichenholz etwas mehr zur Geltung kommen, was mit einem würzig-nussigen Auftritt auch hervorragend gelingt. Gras und Salz bringen einen unterhaltsamen Twist rein. Die gelben Früchte lassen einem das Wasser im Mund zusammenlaufen. Ach ja, das Bienenwachs… Unmengen davon. (90)

Fazit: Zu jeder Zeit gut komponiert, wie eine einstudierte Symphonie. Trotz des hohen Alkoholgehalts ist dieser Mosstowie fragil in der Nase, im weiteren Verlauf macht er das aber wieder wett. Die Fruchtkomponenten erinnern mich streckenweise an einen 1966er Bowmore, den ich mal im Glas hatte.

Diese Mosstowies waren allesamt sehr schmackhaft, davon hätte ich gerne mehr in meinem Regal. Warum also wurde dieses Experiment aufgegeben? Zum einen waren die beiden Lomond Stills ziemlich reinigungsbedürftig, zwischen den Destillationsläufen musste hierfür vergleichsweise viel Zeit und Energie investiert werden. Zum anderen zeigte sich, dass die eigentliche Zielgruppe, die Blendindustrie, nur eine geringe Nachfrage nach dieser neuen Art von Malt Whisky hatte. In der Konsequenz entschied sich Hiram Walker dazu, den Großteil des Mosstowie im hauseigenen Blend Ballantine’s zu verschneiden und die Produktionskapazität des gefragteren Miltonduff zu erhöhen. In 1981 wurden die beiden Lomond Stills abgerissen, um Platz für traditionelle Pot Stills zu schaffen.

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Relicts of: Caperdonich, Imperial, Littlemill, St. Magdalene

Samples privat gekauft | Bilder mit freundlicher Genehmigung der Whiskybase