Relicts of Brora

Brora wurde lediglich in der sehr kurzen Zeitspanne von 1975 bis 1983 produziert. Allerdings in einer Brennerei, die bereits seit 1819 operierte und den Namen Clynelish trug. Nachdem diese die obligatorischen Besitzerwechsel des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts durchlaufen hatte, landete Clynelish in 1925 schließlich bei DCL, einem großen Player in der schottischen Whiskyindustrie. Aufgrund der hohen Nachfrage nach Blends baute DCL von 1966 bis 1967 direkt neben das Brennereigelände eine zweite Destillerie, moderner und größer und mit dem phantasievollen Namen Clynelish B, mit der Absicht, die alte Brennerei – fortan als Clynelish A bekannt – stillzulegen. Doch bald darauf wurde Islay von Wassermangel geplagt und Clynelish A wurde reaktiviert, um den Ausfall von DCL’s Port Ellen zu kompensieren und getorften Malt herzustellen. Eine Vorgehensweise, die bis 1983 immer wieder praktiziert wurde, so auch während des grundlegenden Umbaus von Caol Ila von 1972 bis 1974. Erst eine Gesetzesänderung, die zwei gleichnamige Brennereien verbot, führte zur Umbenennung von Clynelish A zu Brora in 1975. Brora produzierte mehr oder weniger regelmäßig leicht bis stark rauchigen Malt und wurde in 1983 eingemottet, eines der Opfer der Whiskykrise in den 1980ern.

Einen herzlichen Dank an Norman Meiners für das Teilen von Flasche Nr. 233 und das Zurverfügungstellen eines Fotos dieser Flasche.

Brora 1981 SV – Cask 1559

Sherry Butt 08.12.1981 bis 02.03.2005 / 57,3%Vol. / Link zur Whiskybase

Ein Einzelfass aus den Beständen von Signatory Vintage. 308 Flaschen gab’s davon.

Nose: Benötigt ein paar Minuten um in die Gänge zu kommen, fällt dann aber mit süßem Bienenwachs, bunter Frucht und Zimtschnecke positiv auf. Frische Datteln und grüne Äpfel, sowie Banane und spritzige Zitrustöne überzeugen durch ihre subtile Art. Die Eiche führt sanfte Gewürze und Milchschokolade im Gepäck. Wirkt ein bisschen salzig. (88)

Taste: Mehr Honig als Wachs. Die Gewürze geben sich lebendig, was unter anderem am Ingwer liegt. Das trockene Eichenholz punktet mit ledrigen und schokoladigen Tanninen. Die Frucht ist weniger präsent, dennoch können Banane, Apfel und Kumquat dem Malt immer noch einen Stempel aufdrücken. Erneut eine Ahnung von Salz. (87)

Finish: Mehr Wachs als Honig. Die Tannine stehen fest im Raum, bleiben jedoch jederzeit angenehm. Das Salz erreicht seinen Höhepunkt. Dann wird es ruhiger und blanchierte Mandeln, Banane und das Fassholz mäandern aus. (87)

Fazit: Wie lange war der im Sherryfass, drei Minuten? Dieser Brora trägt die Handschrift einer Bourbonfassreifung. Was nicht weiter tragisch ist, denn so erfährt man mehr vom Destillat. Der Alkoholgehalt ist gerade noch so im Rahmen, entweder gibt man drei Tropfen Wasser hinzu oder man lässt ihn lange atmen. Dann ist der Ingwer auch nicht so aufdringlich im Geschmack.

Das 10te Release aus den Specials von Diageo

Brora 32 Jahre – 10th Release

Refill American & European Oak Casks bis 25.05.2011 / 54,7%Vol. / Link zur Whiskybase

Aus der Reihe der Special Releases von Diageo, gewissermaßen ein Nachfolgekonzern von DCL. Vom 2011er Batch gab es 1.500 Flaschen, der Inhalt wurde Ende der 70er destilliert, als das Peat-Level wohl wieder niedriger war.

Nose: Edel. Ein Quell von tropischen Früchten in Wachs und Salz. Namentlich sind unter anderem Mango, Banane, Papaya und Limette enthalten. Ultrafeine Ascheschwaden schweben darüber, leicht speckig sind sie. Würzige Haselnüsse machen es sich in Vanillepudding gemütlich. (90)

Taste: Die Früchte sind weiterhin eng miteinander verwoben und süß. Wabenhonig und Salz im Einklang mit fettiger Asche und dezentem Tabak. Robustes Eichenholz streut dunkle Noten von Leder und Nüssen aus. (91)

Finish: Da prasseln erst einmal viele Adjektive auf einen ein: ölig, greasy, süß, würzig, holzig, aschig, fruchtig, salzig, wachsig, nussig – extrem komplex und harmonisch aufeinander abgestimmt. Poliertes Leder hält sich am längsten. (92)

Fazit: Einer von diesen Whiskys, die nie langweilig werden. Eilig hat er es aber nicht, ein gemächlicher, unaufgeregter Brora. Mit seinen 32 Jahren liefert er viele reife Aromen, nichts wirkt fehl am Platz, alle helfen zusammen. Das waren Spitzenfässer!

Brora gab's einige bei den Rare Malts.

Brora 1977 – Rare Malts Selection

24 Jahre in Eichenfässern bis 10.2001 / 56,1%Vol. / Link zur Whiskybase

Die Rare Malts Selection hat viele Schätze hervorgebracht, mir ist eine der beiden 77er Jahrgänge ins Netz gelaufen. Die Auflage bei dieser Version betrug 6.000 Stück.

Nose: Die ersten Impressionen sind dreckiges Bienenwachs mit grünem Apfel und Sternfrucht. Shortbread krümelt sich ins Bild, dahinter kristallines Salz und der allerfeinste Rauch. Alles in allem viele fruchtige Eindrücke, auch Ananas und Banane lachen mich an. (90)

Taste: Zimt, Eichenholz und Nelke treffen auf das Bienenwachs. Etwas Ingwer und Sandelholz ist auch dabei, sowie einige Spritzer Meerwasser und Zitrone. Maschinenöl und Schoko-Nougat-Creme werden vermischt. Die Asche und die Früchte sind ziemlich zurückhaltend, aber hinterlassen trotzdem Spuren. (91)

Finish: Durch seine Konsistenz bleibt das Maschinenöl lange hängen. Es wird schokoladig und eichig mit einer Haselnuss, Zimt und Kakao. Salz, Gras und Muscheln bringen ein wenig Frische rein. Zum Ende hin drehen Wachs, Metall und Asche nochmal etwas auf. (92)

Fazit: Der legt ein paar ganz schöne Entwicklungen hin. Mal ist es die Dynamik zwischen Bienenwachs und den Gewürzen, mal das Zusammenspiel von Öl und Kakao… in jedem Fall ein vielseitiger Brora mit Suchtpotential.

Eine Brora-Mini von Douglas Laing. Der Füllstand lag in der Schultermitte, also nicht schlecht.

Brora 26 Jahre DL

Eichenfässer 11.1974 bis 04.2001 / 50%Vol. / Link zur Whiskybase

Auch Douglas Laing hatte die Weitsicht, sich viele Fässer Brora zur Seite zu legen. Hier noch das 0,7l-Äquivalent zu dieser Miniatur: Link zur Whiskybase

Nose: Gesetzte Früchte bewegen sich im gelben und phasenweise im grünen Bereich, Banane etwa und milde Ananas und Sternfrucht. Das Bienenwachs kuschelt sich ganz zart zwischen die Früchte, während Salz- und Zuckerkristalle selbstbewusster reingrätschen. Die Eiche wird von Zimt und Haselnüssen begleitet. Der Rauch ist sparsam dosiert und leicht speckig. (91)

Taste: Die natürliche Fortsetzung der Nase. Die gelben Früchte sind sogar noch spritziger und mit vitaler Säure, welche sich hervorragend mit dem Salz ergänzt. Der Rauch ist ein bisschen rußiger und die Eiche trockener. Hinzugekommen sind würziges Gerstenmalz und aromatische Asche. (91)

Finish: Die Asche übernimmt das Szepter, da ist es erst einmal schwer, daran vorbeizukommen. Doch dann setzt sich die erdige, würzige Eiche durch und auch einige gesalzene, kandierte Ananas- und Zitronenstückchen schaffen den Durchbruch. Mandeln fallen noch auf. (89)

Fazit: Ein fruchtbetonter, würdevoll gealterter Brora, der keine Hektik aufkommen lässt. Er ist komplex, aber gleichzeitig genial einfach. Lediglich die rauchigen Elemente wollen manchmal nicht so recht dazu passen.

Ein Foto der ersten Brora-Special Release von 2002

Brora 30 Jahre – 1st Release

Eichenfässer 1972 bis 2002 / 52,4%Vol. / Link zur Whiskybase

Zurück zu den Special Releases, um zwar zum allerersten. Die Auflage war nur halb so groß wie bei der Rare Malts-Edition ein Jahr zuvor.

Nose: Breit aufgestellt, voluminös und harmonisch. Die Hauptelemente – Wachs, Rauch, Salz, Frucht und Holz – pulsieren, überlagern sich gegenseitig in fortwährenden Kaskaden der Glückseligkeit. Allein den Facettenreichtum der Früchte zu beschreiben, würde den Rahmen hier sprengen. Oder wie die maritime Asche immer cremiger wird, bis sie sich in weiches Bienenwachs verwandelt hat. Top! (92)

Taste: Honigwaben, herbes Eichenholz und rauchige Gewürze machen den Anfang. Die Früchte, in der Mehrheit gelb und grün, kommen langsam zum Vorschein und tragen deutlich das Erbe der verwendeten Bourbonfässer zur Schau. Tabak und Nüsse in rauen Mengen, dazu eine etwas dreckige Kante – wie altes Maschinenöl! Zwischen Salz und Asche gelangen immer mehr die Zitrusfrüchte zur Geltung. (91)

Finish: Angekohltes Eichenholz ragt pfeffrig-würzig aus der extrem salzigen Asche heraus – eine wärmende Kombination. Leicht nussig. Entgegen der trockenen Grundstimmung sind auch Bienenwachs und Zitrusfrüchte am Werke. (90)

Fazit: 1972 war bei Caperdonich ein tolles Jahr, bei Ardbeg, Glendronach, Glenglassaugh – und offensichtlich auch bei Brora! Viele Brennereien haben damals wohl vieles richtig gemacht. Ein 10-jähriger Brora aus dieser Zeit muss ein richtiges Brett gewesen sein, denn nach 30 Jahren im Fass bringt der immer noch richtig Schwung mit. Zusammen mit seiner Reife ergibt das einen Style, der mir nie fad wird.

Bei der Whisky Fair wissen sie was schmeckt, wie dieser alte Clynelish von 1974 beweist.

Clynelish 1974 WF

Bourbon Hogshead 02.1974 bis 04.2006 / 58,6%Vol. / Link zur Whiskybase

Während der Clynelish A & B-Phase wurden viele Fässer nach dem Befüllen wohl falsch beschriftet oder zumindest konnte man manche Fässer später einfach nicht mehr richtig zuordnen. Diese dann als ‚Clynelish‘ zu veräußern, war wenigsten nicht falsch. Bei dieser 266 Flaschen zählenden Abfüllung für die Whisky Fair wird gemunkelt, dass es sich vielleicht doch um einen Brora handelt. Dann mache ich mal die Probe auf’s Exempel.

Nose: Wabenhonig auf warmen Frühstücksbrötchen sind hier das zentrale Thema. Die anfangs leisen Früchte werden immer lauter: Apfel, Orange und Limette gemixt mit ein wenig Bergamotte. In einer Bäckerei wird frischer Brezenteig geknetet, die Salzkörner stehen schon bereit. In einem Steinbruch können Eichenholz- und Kohlestaub vernommen werden. (91)

Taste: Die Bienen haben Honigwaben mitgebracht, das Eichenholz stellt die prickelnden, fast schon rauchigen Gewürze. Die Zitrusfrüchte fächern grün aus und sind voller Kreide. Erneut klingt etwas Bergamotte an und auch einiges an Salz. Bald gibt sich der vollmundige Malt auch erdig und aschig. (91)

Finish: Die grünen und gelben (Zitrus-)Früchte sind nochmal sehr präsent und werden von dem samtig-würzigen, leicht trockenen Eichenholz wunderbar ergänzt. Ein Mix aus Asche, Salz und Kreide mündet in Tabak. Das Wachs ist nur noch dezent vorhanden. (92)

Fazit: Könnte beides sein, Brora oder Clynelish. Wobei ich einen Ticken mehr zu Clynelish tendiere. Zwar sind diese dreckigen „Farm“noten enthalten und er entwickelt zumindest auch eine ähnliche Cremigkeit wie der Brora 1st Edition, jedoch kenne ich ähnliches auch von vergleichbar alten Clynelish. Die anderen Aromenspektren sind ebenfalls uneindeutig. Aber egal, Hauptsache schmecken tut er.

Die Geschichte von Brora endet nicht in 1983. Durch den Hype, der sich seit ihrer Schließung um die Brennerei entwickelt hat, sah Diageo eine Investmentgelegenheit und so wurde das alte Brora restauriert und wieder in Betrieb genommen. Das erste Fass wurde am 19.05.2021 befüllt, auf die erste Abfüllung müssen wir aber noch warten, bis 2033 oder so. Damit erlitt Brora das gleiche Schicksal wie Port Ellen (ebenfalls Diageo), Rosebank (Ian McLeod) und in naher Zukunft auch Dallas Dhu (Aceo im Auftrag von Historic Environment Scotland). Mal sehen, welchen Charakter Diageo dem Destillat verpasst, die Fußstapfen jedenfalls sind groß. Die alten Sachen sind schon phänomenal, wie dieser 90+ Flight gezeigt hat.

Mehr zu: Brora, Clynelish

Relicts of: Caperdonich, Imperial, Littlemill, Mosstowie, North Port, Port Ellen, Rosebank, St. Magdalene

Samples privat gekauft | Bilder von Norman Meiners (Cask 1559) bzw. eigenangefertigt bzw. mit freundlicher Genehmigung der Whiskybase