80er Jahre Party

In den 1980er Jahren gab es in der schottischen Whiskyindustrie nicht unbedingt viel Grund zum Feiern. Infolge der Ölkrise und der weltweiten Wirtschaftsrezession war die Nachfrage nach Scotch drastisch eingebrochen und die Brennereien blieben auf ihrem Whisky sitzen. Zahlreiche Destillerien wurden für immer geschlossen, manche nur vorübergehend, andere wiederum drosselten ihr Produktionsvolumen und warteten auf bessere Zeiten. Dem zum Trotz wurde auch in den 80ern in Schottland toller Schnaps gebrannt, im folgenden fünf Beispiele:

Eine standard liquor bottle gefüllt mit Dallas Dhu. Dafür verantwortlich: Das Wahnsinns-Fasslager von Signatory.

Dallas Dhu 1981 SV – Cask 381

Refill Sherry Butt 26.03.1981 bis 25.07.2000 / 43%Vol. / Link zur Whiskybase

Dallas Dhu war eine der Brennereien, die für immer ihren Geist aufgeben mussten. In 1983 war das, die Gebäude kann man jedoch nach wie vor in der Speyside besichtigen. Aus dem Einzelfass Nr. 381 füllte Signatory Vintage nach 19 Jahren noch 878 Flaschen in Trinkstärke ab.

Nose: Erdbeerescheiben in warmem Gewürzmet bestimmen die ersten Minuten. Geschmirgeltes Eichenholz hat einen zarten Hauch von Rauch im Schlepptau, doch die Bienen bauen fleißig Waben drumherum. Marzipanplätzchen mit Aprikosenmarmelade setzen geschmeidig eins drauf. (88)

Taste: Flüssiger Honig mit vereinzelten Wachsplättchen schmiegen sich an das Eichenholz. Samtiges Sandelholz und Weihnachtsgewürz ebnen den Weg für sanften Ruß. Sternfrucht, Banane und frische Pflaumen legen ein Crescendo auf’s Parkett. (88)

Finish: Nussig wird es, mit blanchierten Mandeln, Haselnuss und Pinienkern. Alles in Honig gewickelt, versteht sich. Das Eichenholz ist um einige Schattierungen trockener geworden, darüber hinaus ist es schön würzig. (87)

Fazit: Man bekommt, was auf dem Label steht: Dezenten Sherryeinfluss, maßvolle Eiche und den für Dallas Dhu so typischen Honig mit Anklängen von Rauch, trinkstärkebeding insgesamt leicht und bekömmlich. Gut komponiert und daher nie langweilig.

Eine Miniatur aus dem Hause Balblair. Diese bauchigen Flaschen haben mir noch nie gefallen...

Balblair 1989 – 3rd Release

Bourbon Barrels bis 2012 / 46%Vol. / Link zur Whiskybase (Link zur großen Version)

Balblair gibt es bereits seit 1790, ein richtiger Dinosaurier also. Die 1980er gingen wohl relativ spurlos an dieser Brennerei in den nördlichen Highlands vorbei. In der Base finden sich einige Abfüllungen aus diesem Jahrzehnt und auf der Homepage steht geschrieben: „Investing in the future: Extensive development happens throughout the 1980s.“

Nose: Ein Berg Karamellkekse trifft auf grüne Haribos. Die Aromen bleiben eher klassisch, es folgen nämlich schokoladiges Gerstenmalz und Vanille, nebenbei etwas Eiche. Blütenhonig, Aprikose und Zitrone werden enthusiastisch mit Puderzucker bestäubt. (82)

Taste: Viel Gerstenmalz und Eichenholz, deren Bitterkeit eine Spur zu stark zur Geltung kommt. Ingwer in Kombination mit erfrischender Minze versucht, den Fokus auf sich zu lenken. Apfel, Puderzucker und Nelke können sich nicht wirklich integrieren. (83)

Finish: Der grüne Apfel ist auch hier recht präsent und zum ersten Mal stellt sich die Eiche, zwar intensiv, dennoch sehr positiv zur Schau. Trocken und nussig mit einem anregenden Gewürzmix. Malz, Vanille und eine Winzigkeit Wachs streifen durch eine Frühlingswiese. (84)

Fazit: In guten Momenten wirkt er seinem Alter entsprechend, doch diese Momente sind selten genug. Meist hat man den Eindruck, einen noch jungen, unrunden Malt vor sich zu haben. Weder Zeit zum Atmen noch beherzte Wassertropfen oder gutes Zureden machen was vernünftiges daraus.

Eine Flasche mit altem Glen Girie innen drin.

Glen Garioch 1988 BR – Cask 1599

Hogshead bis 2022 / 45,4%Vol. / Link zur Whiskybase

Auch Glen Garioch wurde von den Turbulenzen der 80er weitestgehend verschont. Und so fand sich in den Beständen von Berry Bros & Rudd dieses einzelne Hogshead aus 1988 und zauberte 202 Flaschen heraus.

Nose: Die Eiche rangiert irgendwo zwischen frischem Holzstaub und poliertem Brett, sehr ansehnlich. In Sachen Süße tun sich Unmengen an Bienenwachs hervor, mit der Zeit aber auch getrocknete Birne und gebrannte Mandel. Es bleibt weiterhin vielseitig, denn Vanillecreme, harzige Thujenzweige und Zartbitterschokolade sind nur einige der nennenswerten Aromen der dritten Welle. Außerdem haben wir da noch feine Anklänge von Rauch und Malz. (89)

Taste: Deutlich blumiger und fruchtiger, neben Maracuja und Mango gibt es auch einige grüne und weiße Obstsorten. Getragen von reichlich Wachs und Honig, sowie Eichenholz und samtigen Gewürzen ergibt das ein komplexes, überaus schmackhaftes Gebilde. Im Hintergrund tummeln sich Tabak, Harz und gebrannte Nüsse. (92)

Finish: Mehr schokoladig als malzig, mehr würzig als holzig. Bienenwachs und gelbe Frucht werden von einer Mischung aus Tabak und Holzrauch begleitet. Recht bald wird es auch nussig, grün und metallisch – schöne Kombi! (90)

Fazit: In der Nase zu brav und ohne das gewisse Etwas, von daher mit Blick auf das Preisschild fast schon eine Enttäuschung. Vielleicht ist mein Samplechen aber einfach ein bisschen zu wenig zum Erforschen gewesen. Am Gaumen legt er dann aber los, einerseits wilder, andererseits besser aufeinander abgestimmt. Mit Bienenwachs und Maracuja kann man bei mir eben immer punkten…

Eine Flasche mit 32-jährigem Highland Park. Keine Originalabfüllung, sondern von einem unabhängigen Abfüller aus Holdorf in Deutschland.

Highland Park 1989 EVWC

Hogshead 10.1989 bis 08.2022 / 50,7%Vol. / Link zur Whiskybase

Auch Highland Park besaß die Mittel, um in den 1980ern fleißig weiter zu produzieren. 1986 wurde sogar ein neues Besucherzentrum eröffnet. Die East Village Whisky Company konnte sich 60 Flaschen aus einem Hogshead sichern und unter eigenem Label abfüllen:

Nose: Eine meterdicke Schicht aus Bienenwachs, Propolis und – da ist es schon: Heidekraut. Kandierte Zitronenschalen und salzige Schokorosinen versenden heimeliges HP-Gefühl. Zwischen leicht angekohltem Eichenholz und erdigem Pergament ist brauner Kandis versteckt. Apfel und Ananas zünden noch eine Fruchtbombe. (91)

Taste: Initial prickelnd bis pfeffrig auf der Zunge, doch bald dringen tropische Früchte und Honig nach vorne. Maracuja, Ananas und Mango stecken in Honig und Gerstenmalz. Salz und Gras in der Erde, Tabak und Leder in der Heide – dieser HP hat wirklich viele Gesichter! Nüsse, Eiche, Gewürze… hätt ich beinah vergessen. (92)

Finish: Gerstenmalz und reichlich Zartbitterschokolade eröffnen einen trockenen, bisweilen auch tanninhaltigen Abschluss. Altes Eichenholz würzt vor sich hin, während Wachs nach Früchten schürft. Nüsse und Salz ziehen lange hinaus. (90)

Fazit: Kann sich sehen lassen. Die fortgeschrittene Reife und das ehrwürdige Alter merkt man an allen Ecken und Enden. Das Destillat von Highland Park hatte in der damaligen Zeit richtig was drauf!

Eine Flasche Port Ellen aus der Old-Malt-Cask-Serie von Douglas Laing. Grünes Glas, goldener Schriftzug, weißes Etikett - und hoher Wiedererkennungswert.

Port Ellen 1981 DL – Old Malt Cask

Sherry Cask Matured 12.1981 bis 11.2000 / 52,7%Vol. / Link zur Whiskybase

Mit Port Ellen schließt sich der Kreis. 1983 geschlossen und anschließend in weiten Teilen demontiert, dachte man lange, diese Brennerei sei für immer verloren. Doch 40 Jahre später soll an diesem Ort auf Islay wieder gebrannt werden. Die Pot Stills – detailgetreue Replikas – stehen bereits. In 2000 füllte Douglas Laing 210 Flaschen dieses 18-jährigen Port Ellen für Alambic Classique ab.

Nose: Von Beginn an sehr virtuos: Von gesalzenen Zitronen und kandierter Ananas über Muscheln hin zu rußigem Rauch sowie cremigem Sherry mit Erdbeeren und Orange, während Kandis in Bienenwachs und geräucherter Schinken in Honig fallen, tanzen Banane und Grapefruit Rumba mit Rhabarber… you get the impression. (91)

Taste: Eine ziemlich exakte Replica von dem, was in der Nase passiert. Ziemlich exakt. Mit einem Unterschied: Das Eichenholz ist viel mehr involviert. Samtiger Kardamom und feingemahlener Zimt sind Zeugen einer vorzüglichen Fassqualität. Rosmarin und zartbittere Tannine untermalen dies. (91)

Finish: Aschig, rußig, schießpulvrig. Das Eichenholz legt Erde und Tannine obendrauf. Bienenwachs pirscht sich heran, in dessen Windschatten Honig und erneut diese Signature-Mischung aus Zitrone und Ananas. (90)

Fazit: Charaktervoll und firm, wie ich es bei Port Ellen so liebe. Weder Sherry noch Rauch noch das Fassholz nehmen zu viel Raum ein, sondern haben sich gut miteinander verbunden.

Eine erfolgreiche Party, mit vielen Höhen und nur wenigen Tiefen. Ein wenig Katerstimmung bleibt allerdings doch zurück bei dem Gedanken an die Destillerien, die damals auf der Strecke geblieben sind und die ich aufgrund ihres herausragenden Charakters vermisse. St. Magdalene, North Port, Millburn, Glenugie… auch viele der heute noch bestehenden Brennereien haben ihren Stil seitdem verändert. Manchmal zum Besseren, manchmal zum Schlechteren.

Mehr zu: Balblair, Dallas Dhu, Glen Garioch, Highland Park, Port Ellen

Samples privat gekauft | Bilder eigenangefertigt bzw. mit freundlicher Genehmigung der Whiskybase