Relicts of Littlemill
Verlässt man Glasgow in nordwestliche Richtung auf der parallel zum River Clyde gelegenen Straße, kommt man an einem unscheinbaren Gelände vorbei. Wenig deutet darauf hin, dass hier für mehr als zwei Jahrhunderte lang die Heimat der Littlemill Distillery war. 1992 wurde die Produktion eingestellt, 1996 das Equipment demontiert, 2004 brannten die Gebäude nieder und in der Folge verfielen sie und wurden abgetragen. Bereits in den Jahren und Jahrzehnten vor der endgültigen Schließung wurde eher unregelmäßig Whisky produziert, die gesamte Geschichte der Brennerei, welche locker bis ins 18. Jahrhundert zurückreicht, ist von zahlreichen Besitzerwechseln geprägt. Die für die Lowlands einst typische Methode der Dreifachdestillation wurde hier ab 1875 praktiziert, in 1931 stellte ein neuer Eigentümer auf zweifache Destillation um. Mit einer Wash Still und einer Spirit Still kam man auf eine Jahreskapazität von schätzungsweise zwischen 800.000 und eine Million Liter Rohbrand, genaue Zahlen sind nicht bekannt. Die Lagerung fand vorzugsweise in ehemaligen Bourbonfässern statt.
Littlemill 21 Jahre
Eichenfässer bis 2012 oder 2013 / 46,0%Vol. / Link zur Whiskybase
Eine Originalabfüllung vom damaligen Besitzer Glen Catrine Bonded Warehouse mit dem Beinamen ‚First Release‘, 3000 Flaschen kamen in 2012 oder 2013 auf den Markt. Ein zweites – und letztes – Release folgte in 2014, dann erwarb die Loch Lomond Group die Rechte an der Marke Littlemill.
Nose: Ein schönes, süßliches Bourbonprofil; Honig und Zitrusfrüchte sprießen, Shortbread und Hefegebäck knospt. In der mineralischen, harzigen und öligen Stimmung stecken einige Gewürze, und Kokos auch. Zarte Halbbitterschoki kommt durch. Grüne und gelbe Früchte überall. (88)
Taste: Grünes Gras und Honig wird mit Kreide und Gerstenkleie bestäubt. Grapefruit ist deutlich und klar vorhanden, zusammen mit Kumquats, anderen grünen Limetten und Zitronenmelisse. Eine Wiederholung von Zartbitterschokolade und ein bisschen Shortbread, diesmal auch mit würzigem Eichenholz. (88)
Finish: Verschiedenste Nüsse und malzige Gewürze machen den Anfang, die grasgrünen Töne dicht auf den Fersen. Eichenholz und Mineralien – nicht kräftig, aber nachhaltig. Eine leicht wachsige, honigstämmige Süße mit harzigem Charakter sowie ein Hauch Shortbread machen den Abschluss. (87)
Fazit: Angemessen reif und komplex für das Alter. Ich denke, hier haben wir ein repräsentatives Beispiel für das Littlemill-Profil. Der Bourbon hat auch gute Mitarbeiter geleistet, er harmoniert wunderbar mit dem Destillat. Mehr davon!
Littlemill 1990 HMcD Cask CM191
Eichenfass 22 Jahre bis 2012 / 52,8%Vol. / Link zur Whiskybase
Eine Einzelfassabfüllung aus der ‚Golden Cask‘-Reihe des unabhängigen Abfüllers The House of MacDuff. Die Auflage betrug 212 Flaschen in Fassstärke .
Nose: Auch hier haben wir eine Bourbonreifung, wenn auch nicht so ausgeprägt und komplex: viel Honig und gelbe, leicht zestige Frucht. Hefegebäck und Mandeln sind mit von der Partie. Später wird das Ganze noch untermalt von Zartbitterschokolade. Vom Alkohol geht eine minimale Obstlernote aus. (83)
Taste: Gerstenmalz und Anklänge von Shortbread auf der einen Seite. Blütenhonig, Grapefruits und zestige, unreife Früchte auf der anderen. Bitterkeit schleicht sich ein. Kreide sorgt für einen mineralischen Touch. (82)
Finish: Klee, ausgesprochen grasig; die grünen, unreifen Zitrusfrüchte verfolgen einen bis hierher. Zum ersten Mal finde ich Hinweise auf Eichenholz, leider ist es bitter. Hat was von Zartbitterschokolade und Mandelsplit. (82)
Fazit: Die Littlemill-DNA ist definitiv erkennbar, aber nach der tollen Originalabfüllung ist das jetzt ein richtiger Rückschritt. Noch gut trinkbar, aber weit davon entfernt, spannend zu sein. Ich schätze, das Fassholz war nicht mehr ganz auf der Höhe.
Littlemill 1989 WD Cask 32
Bourbon Hogshead 10.1989 bis 05.2014 / 51,7%Vol. / Link zur Whiskybase
Vom deutschen Abfüller Whisky-Doris ein 24-jähriger Littlemill im Fassstärke. Das Label der 357 Flaschen zeigt eine typische Küstenlandschaft bei Glasgow, als Aquarell auf’s Blatt gebracht vom Kunstmaler Horst Mantheé.
Nose: Auch Ex-Bourbon, aber anders, dichter. Die (Honig-)Süße und die Frucht wirken wesentlich reifer und dunkler; vor allem Bananen, Aprikosen und Orangen tun sich hervor. Lediglich das Shortbread ist wie gewohnt. Wachs, Nussschokolade und Gewürze verfeinern den Lowlander. (88)
Taste: Wachsig und weich und deutlich grüner, Gras und Klee entfalten sich. Aber auch Banane, Grapefruit und andere Zitrusfrüchte sind im Mix enthalten. Mit vielen Gewürzen, Mandeln und Vanille geht’s in die Backstube. Mineralische Salze und ölige Strukturen finden sich ebenfalls. (86)
Finish: Würziges Eichenholz wird mit einer dünnen Schicht Wachs überzogen. Zartbitterschokolade und Gras breiten sich aus. Es wird trocken und mineralisch, wie Kreide. Blanchierte Mandeln, in Ansätzen auch gelbe Frucht. (87)
Fazit: Stellenweise wird’s ein bisschen unharmonisch, aber alles in einem leckeren Rahmen. Tatsächlich haben Zeit und Sauerstoff positive Auswirkungen auf die Ausdruckskraft dieses Malts.
Littlemill 1988 G&C Cask 136
Eichenfass 10.1988 bis 09.2014 / 49,9%Vol. / Link zur Whiskybase
Der unabhängige Abfüller Gordon & Company ist in Glasgow ansässig. In ihrer ‚The Pearls of Scotland‘-Serie werden seit 2013 Einzelfässer in Fassstärke, nicht kühlgefiltert und ohne die Zugabe von Farbstoff, an den Genießer gebracht. Wie dieser Littlemill mit einer Auflage von 255 Flaschen. Seit 2018 ist es aber ruhig um G&C geworden.
Nose: Frisch gebackene Kekse werden mit Vanille und Honig garniert, während gelegentliche grüne Duftschwaden auf Gras und unreife Aprikosen hindeuten. Grapefruits mit feiner, mineralischer Säure. Im weiteren Verlauf noch etwas Zartbitterschokolade, Minz-Tic Tac und Hefeteig. (88)
Taste: Würziges, bitteres und leicht malziges Eichenholz wird von süßem Blütenhonig gekontert. Gelbe, grüne und weiße Früchte tanzen durch den Mund, rund und reif, teils säuerlich. Ein Frischegefühl macht sich breit, Mineralien und Ingwer inklusive. (88)
Finish: Immer noch frisch, viele Aromen nach Gras, Kresse und würzigem Holz haften sich an den Gaumen. Mit einigen gelben Früchten blitzt der Bourboneinfluss leicht auf. Mit Nüssen, Bittermandeln und einem Hauch von Frühlingszwiebeln ebbt es langsam aus. (87)
Fazit: Auch hier liegt eine gelungene Bourbonfassreifung vor, Fass und Destillat haben beide ausreichend Raum. Der Frische-Kick ist interessant, die ganze Aromenkonstellation ist es eigentlich. Alles in allem ein Malt, der überzeugt, aber nicht glänzt.
Littlemill 1990 SMWS 97.23
1st Fill Bourbon Barrel 30 Jahre seit 23.04.1990 / 58.2%Vol. / Link zur Whiskybase
Bei The Scotch Malt Whisky Society steht das Kürzel ’97‘ für Littlemill. Aus einem erstbefüllten Ex-Bourbonfass konnte man nach dreißig Jahren noch 152 Flaschen abfüllen. Der Beiname ‚Seductive whispers of oak‘ klingt vielversprechend.
Nose: Mmmh, in der Tat verführerisch, die Eiche flüstert aber nicht, sondern spricht mit der klaren, süßen Stimme eines hervorragenden Bourbonfasses. Es ist jedoch keinesfalls ein Monolog – feine Würze, Vanillegebäck und aromatische Früchte wollen mitreden. Nach einem Intermezzo von Pfirsich, Ananas und Banane, sind Trockenfrüchte wie Rosinen, Pflaumen und Kirschen an der Reihe. Ergänzt wird das mit Nuss-Nougat-Schokolade und einem Spritzer Balsamico. (91)
Taste: Schmecken tut er ganz anders, viel grüner und die Gewürze sind ausgeprägter. Trockenes Sandelholz und polierte Eiche vermengen sich mit Nussnougat und erdigem Tabak. Die Frucht ist recht ausbalanciert zwischen Süße und Herbe. (91)
Finish: Im Nachklang wirkt er etwas dumpf. Die Eichenholzwürze bleibt samtig und prickelnd, während der Malt mit der Zeit einen bitteren, nussigen und zugleich schokoladigen Touch hinzugewinnt. Das Littlemill-Gras mischt auch mit. Frucht nur in Ansätzen. Zum Schluss wird er wachsig. (89)
Fazit: Die drei Jahrzehnte kann man schmecken. Hier sind die Aromen schon sehr reif, verwoben und voller Details, die auf Entdeckung warten. Der Littlemill-Charakter ist etwas dezenter als bei den vorherigen Whiskys, liegt eventuell auch daran, dass er sich so gut mit dem Bourbonfass verträgt.
Diese fünf Vertreter haben ein leichtes, facettenreiche Profil offenbart, dem eine Reifung im ehemaligen Bourbonfass gut zu Gesicht steht. Besonders die grasige Komponente garantiert einen hohen Wiedererkennungsfaktor. Was wohl die Ursache für dieses charakteristische Auftreten war? Die beiden Brennblasen, welche im Übrigen eine gerade Säule anstatt des ansonsten typischen Schwanenhalses besaßen, wurden nach der Schließung zusammen mit vielen Fässern Littlemill zur Loch Lomond Brennerei verfrachtet. 2022 hätte man das 250-jährige Bestehen gefeiert.
Relicts of: Caperdonich, Imperial, Mosstowie, St. Magdalene
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Samples privat gekauft | Bilder mit freundlicher Genehmigung der Whiskybase
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