70er Jahre Party

In den 1970er Jahren nahm der Siegeszug des Single Malt an Fahrt auf. Noch in den 60ern wurde Scotch im Prinzip ausschließlich als Blend vermarktet und lediglich Glenfiddich startete einen vielseits belächelten Versuch, ihren Malt international als Single Malt abzusetzen. Doch ca. zehn Jahre später gab der Erfolg der familiengeführten Brennerei Recht und ab der Mitte der 70er sprangen viele andere auf den Zug mit auf. Doch die Rechnung ging nicht ganz auf, denn ein anderer, konträrer Trend nahm zu der Zeit Fahrt auf: Wodka, Rum und Mixgetränke generell wurden zu Modegetränken auf den Partys in den Vereinigten Staaten und auf dem europäischen Festland und ließen Whisky als vereinsamtes Alt-Herren-Getränk zurück. Dabei war der doch so lecker:

Runde Sache in der eckigen Flache: Glen Ord Twentyfive.

Glen Ord 25 Jahre – Special Release 2004

seit 1978 in Eichenfässern / 58,3%Vol. / Link zur Whiskybase

Nachdem mir der 30-jährige Glen Ord aus der Special Release-Reihe (von 2005) bereits richtig gut geschmeckt hatte, muss dann natürlich auch der 25-Jährige aus 2004 probiert werden. Ein paar wenige, 3.600 Flaschen betrug die Auflage damals. Kein Wunder, dass der so schwer zu bekommen ist.

Nose: Ein Dreiklang aus Honigwaben, Malz und Orange reitet auf staubiger, feinwürziger Eiche. Shortbread wird mit Vanillecreme und flüssiger Zartbitterschokolade verfeinert. Eine Aprikosen-Pflaumen-Sanddorn-Marmelade betont die fruchtig-süße Seite des Malts, grüner Apfel und Zitrone die säuerlich-frische. Eine Messerspitze Salz erhöht den Genussfaktor. (91)

Taste: Es geht sofort in die Vollen: Honig, Zimt und Nelke machen Rabatz und lassen verlauten, dass die verwendeten Fässer überaus aktiv waren. Doch auch die Früchte geben ein Stelldichein, die Marmelade punktet mit grünen, orangenen und dunklen Facetten. Tannine, Wachs und Asche führen in unverhoffte Gefilde. Nussig, malzig und grasig wird’s außerdem. (90)

Finish: Die Gewürze verschieben sich jetzt in Richtung Ingwer und Kardamom, wobei die gemahlenen Nelken nach wie vor präsent sind. Gebrannte Mandeln, Kandis und Salz werden von dieser holzigen Gewürzwelle mitgerissen. Honig, Asche und Wachs entfalten sich zeitverzögert. (89)

Fazit: Kann man drehen und wenden, wie man will, aber da stecken zu viele unterschiedliche Aromen drin, um sie alle aufzuzählen. Beileibe nicht immer perfekt aufeinander abgestimmt, aber langweilig wird’s nie. Ich finde ihn sogar besser, als die 30-jährige SR-Version. Von Struktur und Geschmack her sind sich beide sehr ähnlich, bemerkenswerte Asche…. der Alkohol ist übrigens super eingebunden, kann also pur genossen werden, vorbehaltlich der Anmerkung, dass das Finish mit Wasser besser rüberkommt.

Das alter dieses Whiskys aus der Speyside, dessen Name offensichtlich nicht genannt werden darf, wird auf dem Etikett ganz groß herausgehoben: 43 (Jahre)

Speyside Region 1973 AdF

seit 12.1973 im Sherry Butt bis 04.2017 / 52,5%Vol. / Link zur Whiskybase

Spärliche 90 Flaschen von diesem unbekannten, aber stolze 43 Jahre alten Speysider hat der Schweizer Abfüller Acla da Fans ausgesät.

Nose: Extrem fruchtig, vor allem aus den gelben und rötlichen Ecken. Teils in getrockneter Form fluten Mango, Papaya, Johannisbeeren und Datteln die Nase. Dann wird es aromatisch nussig und karamellig. Einige Bienenwaben enthalten auch säuerliche Tropenfrüchte. Ein Hauch von gemahlenem Zimt und Eichenholz weht durch den Obstkorb. (94)

Taste: Fast genauso fruchtig und mit einem ähnlich hohen Berg von Honigwaben. Jedoch mit deutlich mehr Eichenholz, welches leicht trocken und angenehm würzig von Nelken, Nüssen und Kardamom berichtet. Kleine Kumquats und halbreife Orange zwängen sich zwischen den vollreifen, hauptsächlich gelben Früchten durch. Spuren von Salz und Bitterstoffen. (92)

Finish: Nochmal eine Breitseite vom Wachs, gespickt mit Nüssen. Die würzig-erdige Eiche, vielleicht auch Sandelholz, hat an dieser Stelle das Wort noch vor den exotischen, in Honig eingelegten Früchten, aber es sind sanfte, wohltuende Worte von ausbalancierter Trockenheit und cremigen Tanninen. (93)

Fazit: Ein fantastischer Speysider mit einem kleinen Wermutstropfen: Eine Kleinigkeit zu viel Bitterkeit auf der Zunge, der hätte auch schon drei bis fünf Jahre früher aus dem Fass befreit werden sollen. Ansonsten aber besticht er mit lebhaften Schattierungen von exotischer Frucht und Bienenwachs.

Ein Adelphi aus 2008 in der traditionell puristischen Aufmachung: Standard licquor bottle mit winzigem Etikett ganz unten.

Glen Elgin 1978 AD – Cask 4511

30 Jahre im Eichenfass bis 2008 / 46,9%Vol. / Link zur Whiskybase

Adelphi, der Eigentümer von Ardnamurchan, zeichnet sich für diesen alten Glen Elgin verantwortlich. Das Einzelfass ergab 159 Flaschen in Fassstärke.

Nose: Staubiges Eichenholz und süße Vanille leiten den alten, lebendigen Malt ein. Frische Datteln als kündigen Rosinen und Nussschokolade an, außerdem noch einige Aprikosen, Pflaumensirup und Feige; könnte das Werk eines herausragenden Refill Sherryfasses sein. Eingebettet in getrocknete Apfelringe und Orangenfilets: Kaffeebohnen und Gewürznelke. (90)

Taste: Aufgrund der langen Reifezeit war viel Holz zu erwarten, entsprechen trocken und würzig ist der Antritt, allerdings nicht übermäßig dominant. Alter Sherry, Trockenpflaumen und Zartbitterschokolade vermitteln süße und ölige Impressionen. Erdiges Leder und Nüsse verstärken den Eindruck von Gediegenheit. (89)

Finish: Das komplexe Eichenholz lockert kaum seinen Griff, erdige Trockenheit und feine Gewürze lassen den fruchtigen Komponenten des öligen Sherrys nur zögerlich etwas Raum. Anklänge von Rinderbrühe transportieren fleischige Noten. Kakaobestäubte Pralinen und polierte Nüsse werden in grüne Tabakblätter gewickelt. (89)

Fazit: Nach dreißig Jahren eindeutig von Fass geprägt, doch der schwere Körper berichtet dem Trinker von Glen Elgins Worm Tubs. Beim Trinken hätte ich mir mehr Einflussnahme von dem vorzüglichen Sherry erhofft. Daher leicht unrund, aber insgesamt vielschichtig und lecker.

Ein unscheinbarer Scapa von Duncan Taylor. Aber überzeugend kann er!

Scapa 1977 DT – Cask 2832

Oak Cask 10.1977 bis 05.2006 / 59,4%Vol. / Link zur Whiskybase

Ein simples Eichenfass hat bei Duncan Taylor 186 Flaschen überaus leckeren Scapa hervorgebracht. Es muss nicht immer Octave sein:

Nose: Hinter dem Vanillezucker und der Zimtschnecke wird es überaus fruchtig, allem voran Banane, Mandarine und Maracuja. Doch auch dunkleres Obst, wie schokoüberzogene Datteln und Pflaumen sind im Mix enthalten. Ein Hauch von Salzteig wabert ins Bild. (90)

Taste: Das ehemalige Bourbonfass legt herbe, gelbe Früchte auf’s Parkett; Maracuja, Banane und gelbe Kiwi. Das alte Eichenholz hat prickelnde Gewürze und schokoladige Tannine im Schlepptau. Salziges Gerstenmalz und nussiges Gras übernehmen den Tenor. (89)

Finish: Trockenes Eichenholz sichert sich einen Platz in den oberen Rängen. Blanchierte Mandeln, gesalzene Nüsse und eine breite Gewürzpalette erhalten Unterstützung von sanftem Kakaopulver. Grüne Facetten und gelbe Früchte verharren in metallischem Terrain. (90)

Fazit: Ein komplexer, alter Malt. Stellenweise zwei Spuren zu viel Bitterstoffe, um vollends ausgewogen zu wirken. Die fast 60% sind gut integriert, jedoch bevorzuge ich den Dram mit einigen Tropfen Wasser.

Und nun, von Scapa zu Caper:

1972er Caperdoniche können extrem lecker sein. Auch diese Abfüllung von Malts of Scotland, hier in der Miniatur-Version.

Caperdonich 1972 MoS – Cask 1144

Sherry Hogshead 10.1972 bis 14.03.2011 / 57,4%Vol. / Link zur Whiskybase

Alte Whiskys von Malts of Scotland waren für mich bisher immer ein Treffer. Das wird bei diesem 38-jährigen Caperdonich hoffentlich auch der Fall sein:

Nose: Honigwaben schimmern golden und süß, Wachs betört die Nase und Bienen sammeln weiter fleißig Pollen. Die Früchte lösen sich nur leise, und auch nur mit Hilfe von Wasser. Die Orange ist am wenigsten schüchtern, dahinter lassen sich unter anderem Maracuja, getrocknete Feigen und Aprikosen verorten. Diverse Nüsse und Gewürze als verbindende Elemente. (91)

Taste: Feine, fruchtige Säure von Maracuja und Orange mischt sich mit Vollmilchschokolade und Zimt. Poliertes Eichenholz und würziger Tabak leiten über zu verstaubter Bienenwachskerze und Anklängen von nussigem Sherry. Die aromatischen Tropenfrüchte lassen sich nicht ganz in Worte fassen, bergen aber phänomenale Momente. Blut wird mit einer gehämmerten Kupferschale aufgefangen. (93)

Finish: Erneut metallisch, irgendwo zwischen Eisen, Blut und Kupfer. Kurzzeitig Malz und dann ein genialer Mandel-Nuss-Mix drängen sich auf. Ein Lederriemen wird mit Bienenwachs poliert. Das Eichenholz versorgt mit komplexen Gewürzen. (91)

Fazit: Die Kombination aus Luft und Wasser ist essentiell, um diesen Caper zu „knacken“. Aber dann steht er in einer Reihe mit anderen, großen 1972er Capers und man kann kaum genug bekommen. Sehr tief, sehr vielseitig, sehr ausgewogen.

In 2002 war die Aufmachung der Special Release optisch noch extrem nah dran an den üblichen Originalabfüllungen einer Brennerei. So wie dieser 25-jährige Lagavulin.

Lagavulin 25 Jahre – Special Release 2002

seit 1977 in Eichenfässern / 57,2%Vol. / Link zur Whiskybase

Der Kreis schließt sich mit einer Special Release. In der Ausgabe von 2002 gab es da gleich drei Lagavulin. Dieser ist mit 25 Jahren der älteste. Davon gab es 9.000 Flaschen.

Nose: Recht zahm. Keine Aromenbombe, vielmehr eine gemächliche Entwicklung. Muscheln auf einem Bett aus Meersalz, dazu eine Auswahl an kandierter Zitrone, Orange und Ananas auf braunem Kandis. Cremige Vorboten von Karamell und Sherry. Hinter dezentem Eichenholz spähen ähnlich dezente Töne von Rauch, Gummi und Diesel hervor. Ein halbes Bounty fällt unverhofft ins Glas. (88)

Taste: Rußiger Rauch verbreitet zusammen mit dem Salz eine prickelnd-würzige Atmosphäre. Altes, erdiges Eichenholz verbündet sich mit Asche und Iod zu einer dominanten Herznote. Kandiszucker wird in Diesel aufgelöst. Eine einzelne Auster schlürft cremigen Sherry. (86)

Finish: Erneut salzig, aschig und würzig. Die Süße hält sich schon arg zurück. Das Eichenholz bleibt alt, erdig und verwittert, sowie mit einigen Streichholzköpfen und Nelken garniert. Lang anhaltend. (86)

Fazit: Ein Dram, der wahrscheinlich mit jedem Schluck ein bisschen besser wird. Pur ist er mir lieber, denn dann hat er etwas mehr Tiefe, auch wenn er dann ganz leicht alkoholisch und aus dem Gleichgewicht geraten wirkt.

Durch die Bank richtig stark, was da aus den 70er Jahren so übrig geblieben ist. Nur der Islay-Dram bleibt um einiges hinter den Erwartungen zurück. Diese alten Tropfen sind manchmal gar nicht so einfach zu Trinken. Manch einer mag Wasser, manch einer verlangt nach Zeit, und gutes Zureden hilft sowieso immer. Und der geneigte Trinker sollte ein positives Verhältnis zu Bitterstoffen mitbringen. In jedem Fall wird es spannend mit diesen alten Halunken.

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Samples privat gekauft | Bilder mit freundlicher Genehmigung der Whiskybase