Relicts of North Port

Brechin ist eine Stadt in den süd-östlichen Highlands, auf etwa halbem Weg zwischen Dundee und Aberdeen. In 1820 wurde dort die Townhead-Whiskybrennerei gegründet, in 1823 erfolgte die Umbenennung zu Brechin und viele Jahre später letztendlich zu North Port, da man seit der Eröffnung von Glencadam in 1825 nicht mehr die einzige Destillerie in Brechin war. Nach über hundert Jahren in Familienbesitz wechselte North Port in das Portfolio der Distillers Company Limited, welche die Brennerei in 1983 schließlich stilllegten. Fast die gesamte Produktion wurde für die Blendindustrie verwendet, erst innerhalb der Rare Malts Selection und Diageo’s Special Releases gab es einige wenige Originalabfüllungen.

Eine Miniatur von Gordon & MacPhail. Der Inhalt: Selbstverständlich North Port.

North Port-Brechin 1970 GM – Connoisseurs Choice

Eichenfässer bis 1991 / 40%Vol. / Link zur Whiskybase

Wir steigen ein mit einer Old-Map-Label-Mini von Gordon und MacPhail. Dem Bottel Code „IA/BAJ“ nach in 1991 abgefüllt, seitdem ist der Füllstand schon gefährlich in die Flaschenschulter abgesackt.

Nose: Primär süß mit Vanille und Honig, sowie etwas Bananenbrot. Jedoch steuert eine Messerspitze Zimt eine akzentuierte Würze bei und grüne Früchte eine überaus animierende Säure. Während sich das Bienenwachs unter Äpfel- und Aprikosenbäumen austobt, sieht Old Bottle Flavour gemütlich zu. (89)

Taste: Ein würziger Antritt, das Eichenholz ist anwesend und meldet sich mit schokoladigen Tanninen zu Wort. Banane findet eine Überleitung zu Honig, dieser wiederum zu Wachs, welches in grasigen und gelben Früchten mündet – herrlich! Nüsse und Kreide, später auch Nelke und Anis, erscheinen auf der Bildfläche. (87)

Finish: Auch an dieser Stelle wirkt das Eichenholz sehr robust, trocken und würzig. Nüsse, Mandeln und dezente Bitterstoffe werden von Wachs umrahmt. Mangoschale und Kakaopulver versuchen sich im Duett. (85)

Fazit: Ein bisschen hat er doch unter dem Alkoholverlust gelitten, den die Jahrzehnte im Fläschchen zur Folge hatten. Nach einiger Zeit wird er leicht herb und flach am Gaumen. Doch selbst dann kann er noch mit seinen Früchten und dem Bienenwachs bestechen.

Eine Flasche 1981er North Port, abgefüllt von der Whisky Fair.

North Port 1981 WF

25 Jahre in Sherry Wood von 04.1981 bis 04.2006 / 56,1%Vol. / Link zur Whiskybase

Von diesem North Port gab es 120 Flaschen für die Bad Homburger Messe ‚The Whisky Fair‘. Kommt in Fassstärke daher und war im Sherryfass, wird also voraussichtlich ziemlich anders schmecken, als die Mini von GM.

Nose: Kein aufdringliches Sherryfass, sondern sehr sophisticated und vielschichtig. Die zarten Trockenfrüchte und Nüsse nutzen zähflüssiges Karamell, um sich mit dem kräuterbehafteten Destillat und dem samtwürzigen Fassholz zu verbinden. Blumiger Honig breitet sich aus, erst wird es wachsig und schließlich immer rotbeeriger. Zwischendrin leicht verrußt und die Banane… (91)

Taste: …schafft den perfekten Übergang von der Nase auf die Zunge. Die schwere Süße bildet das tragende Element für die nachfolgenden Elemente, Nüsse zum Beispiel. Die Gewürze können druckvoll glänzen, geschmirgeltes Sandelholz und erdige Rauchschwaden tun sich hervor. Schwarzbrot wird von tiefdunklem Sherry verklebt, Pflaumensirup par excellence! (92)

Finish: Und so geht es weiter: Öliger Sherry, dunkle Fruchtliköre an Schwarzbrot und altes Eichenholz. Nüsse in Waldhonig rezitieren ein Gedicht über Nougat und Orangen. Asche und zwei bis drei Salzkörnchen stimmen mit ein. (92)

Fazit: Scheu ist er nicht, im Gegenteil – der möchte Eindruck hinterlassen. Alleine mit der Nase könnte man sich stundenlang beschäftigen, immer wieder wachsen da neue Früchte etc. aus dem Glas. Auf der Zunge dann ein Feuerwerk (ohne Schießpulver!), intensive Aromen branden in mehreren Wellen unermüdlich gegen die Geschmacksknospen. Dementsprechend lange erinnert man sich an ihn.

In der Rare Malts Selection ist der Name Programm: Ein 20 Jahre alter North Port.

North Port 1979 Rare Malts Selection

20 Jahre in Eichenfässer bis 10.1999 / 61,2%Vol. / Link zur Whiskybase

Die erste von zwei Originalabfüllungen in diesem Beitrag. Das Sample stammte aus der Flasche Nummer 2.643 von… ja, wie viele eigentlich? Ich glaube, irgendwo hab ich mal die Flasche 3.488 gesehen. Ordentlich Prozente haben die Dinger jedenfalls.

Nose: Der Alkohol ist schnell verflogen und dann offenbart sich ein astreiner Bourbonfasseinfluss, Bienenwaben und Shortbread inklusive. Anfangs ist die Frucht noch grün und unreif, sie entwickelt sich jedoch in Richtung Mandarine und Aprikose, sogar einige dunkle Trockenfruchtschwingungen sind vorhanden. Salz in Zartbitterschokolade. (88)

Taste: Ein echter Burner, trotz der 61 Umdrehungen gerade noch gut trinkbar. Salzteig und verstaubtes Bienenwachs ebnen den Weg für prickelnde Nelke, gemahlenen Kardamom und Ingwer. Die Frucht ist zwar anwesend, aber weniger prägnant. Trockene Eiche, Tabak und Malz gewinnen an Kraft. (88)

Finish: Das Finale wird von fettem Eichenholz eingeleitet. Die Gerstenmalzspreizeln wurden vom Honig verklebt. Die Grundstimmung schlägt erneut ins salzig-mineralisch-würzige, doch dieses mal mit deutlich mehr Gras und Mandeln. (87)

Fazit: Mir gefällt, wie viel Brennereicharakter in dieser Abfüllung erhalten geblieben ist. Zwar gewöhnungsbedürftig und nix für nebenbei, aber halt bestechend unterhaltsam.

Ein North Port aus den Special Releases in 2005. War damals schon special und wäre heute auch noch special. Vielleicht findet Diageo ja noch ein paar Fässer für eine Neuauflage.

Brechin 1977 – Special Releases 2005

28 Jahre in Refill American Oak Casks bis 05.2005 / 53,3%Vol. / Link zur Whiskybase

Aus dem Line-Up der Special Releases aus 2005. Damals hat man sich nicht lumpen lassen. Insgesamt 2.040 Flaschen entsprangen einigen amerikanischen Eichenholzfässern.

Nose: Eine verstaubte Bienenwachskerze zerfließt zu Blütenhonig und formt sodann Orangen- und Zitronenfilets. Hinter grüner Banane und Sternfrucht lauern außerdem noch rote Johannisbeeren. Eichenholzstaub hängt in der Luft. (87)

Taste: Lange nicht so fruchtig wie in der Nase, obwohl die gelbe Zitrusfrucht es zumindest versucht. Prickelnd auf der Zunge mit süßem Gerstenmalz und würziger Eiche. Andeutungen von Bienenwachs. Grasige Elemente, Kreide und mineralische Töne ziehen den Malt auf die trockene, säuerliche Seite. (86)

Finish: Das Eichenholz wird deutlicher, ein paar prickelnde Gewürze und relativ trocken. Grasbüschel, Vanille und Holzofenbrot vertiefen diese Kerbe. In Ansätzen wird es wachsig. (85)

Fazit: Meistens angenehm, jedoch hat man oft das Gefühl, dass sich dieser North Port nicht so recht öffnen möchte.

Intertrade hatte damals einige tolle Sachen im Sortiment, so wie diesen 1988 abgefüllten North Port.

North Port (Brechin) 1974 It

Sherry Casks 15.02.1974 bis 12.07.1988 / 66,2%Vol. / Link zur Whiskybase

Intertrade war ein italienischer Abfüller, der in den 1980ern und 90ern einige Bottlings auf den italienischen Markt brachte. Trotz der nur 177 Flaschen in Fassstärke handelt es sich bei diesem North Port nicht um eine Einzelfassabfüllung, laut Etikett wurden mindestens zwei Sherryfässer miteinander vermählt.

Nose: Kirschholz. Trotz der ganzen grünen Aromen, welche sich im Bereich von Sauerampfer über Stangensellerie und Sternfrucht bis hin zu unreifer Tomate und Rosenholz bewegen, wirkt dieser Malt deutlich älter als 14 Jahre. Das liegt an einem sehr stimmigen Auftreten mit reichlich Bienenwachs und verstaubtem Eichenholz. Karamell und gesalzene Ananas runden ab. (90)

Taste: Mit ein paar Tropfen Wasser lässt sich der hohe Alkoholgehalt ganz gut aushalten. Altes, trockenes Eichenholz wirft mit gemahlenen Gewürzen um sich. Salzkaramell und Bienenwachs schaffen den Übergang zu Kumquats und grüne Frucht. Eine sanfte Rauchnote ebnet den Weg zu Tabak und leckerem Malz. (91)

Finish: Ziemlich viel Eiche für das Alter. Trocken, rauchig und würzig setzt sich das Holz am Gaumen fest. Tabakblätter und grasgrüne Früchte verbreiten eine aromatische, feinherbe Atmosphäre. Wachs und Salz setzen dem Ganzen das i-Tüpfelchen auf. (90)

Fazit: Unvergleichliche Frucht, den Sherry bemerkt man wirklich nur in Nuancen. Ich wünschte, die heutigen Sherryfässer könnten mit der gleichen Subtilität kreativ werden. Insgesamt ein sehr ansprechendes Geschmacksprofil und falls jemand einen Tipp hat, wo was vergleichbares noch zu bekommen ist, immer her damit 🙂

"Very Rare" steht auf dem Label, womit Sestante natürlich Recht hat, denn einen 1989 abgefüllten North Port bekommt man nicht alle Tage zu Gesicht.

North Port (Brechin) 1974 Ses

15 Jahre in Eichenfässer bis 1989 / 66,1%Vol. / Link zur Whiskybase

Ein weiterer italienischer Abfüller, Sestante, zeichnet sich für diesen hochprozentigen North Port verantwortlich.

Nose: Da steckt ’ne Sternfrucht im Bienenstock. Geile Kombi aus grüner Frische und sämiger Süße. Der Sherry wird sukzessive präsenter, in Ansätzen ist er von Ruß, Salz und Anis durchwirkt. Ananas und eine Reihe anderer tropischer Früchte werden in Nougatcreme gedippt. Dann und wann zeigen sich Gewürze. (89)

Taste: Hirschhornsalz, Salzteig und Asche werden vom Alkohol verfolgt. Der Wabenhonig kommt etwas gemächlich, das trockene Eichenholz umso offensiver. Kaum Sherry, dafür bandeln gelbe und bisweilen exotische Früchte mit frischen Tabakblättern an. Und immer dieses Salz… (88)

Finish: Ascheflocken in Wachs, Ruß in Honig, angekohlte Eiche im Obstkorb – sehr lebendig, grün und gelb. Ein Spritzer Sherry benetzt einen Berg Haselnüsse. Salzkaramell lässt einem das Wasser im Mund zusammenlaufen. (90)

Fazit: Den muss man erst mal verdauen können. Schon der Alkoholgehalt für sich alleine fordert den Trinker, keine Frage, jedoch ist es eher dieser trockene, salzige und unerwartet aschige Brennereicharakter in hochkonzentrierter Form, an dem man zu knabbern hat. Wie eine Achterbahnfahrt: Beginnt ruhig, baut Spannung auf, dann einige Kurven die man wirklich nicht hat kommen sehen und in der Zieleinfahrt die Erkenntnis, dass man bereit ist für die nächste Runde.

Ein hervorragender North Port aus der hervorragenden "Old Malt Cask"-Reihe von Douglas Laing.

North Port 1966 DL – Old Malt Cask

Eichenfässer 03.1966 bis 10.2001 / 50%Vol. / Link zur Whiskybase

Ein Schatz aus den Lagerhäusern von Douglas Laing. Ergebnis nach 35 Jahren Reifezeit, wobei mindestens die letzten 6 Monate von einem Sherry Cask Finish eingenommen wurden, waren 174 Flaschen.

Nose: Pur und alleine für sich genommen wäre der Sherry schon eine Schau gewesen: Aromatisch, voluminös, nussig und ölig mit dunklen Trockenfrüchten, insbesondere Kirschen und Johannisbeeren. In Verbindung mit dem rußigen, leicht dreckigen Destillat eine wahre Schönheit. Eiche, Zimt und Cantucchini ziehen den Dram in würzigere Gefilde. (91)

Taste: Komplexes Eichenholz – könnte auch Sandelholz sein – wird mit Gewürzen, sanften Rauchschwaden und schokoladigem Kakao angereichert. Das Maschinenöl bzw. der Sherry ist schwer und zäh, wie Sirup kleben die dunkelroten Früchte aneinander. Nougat, Tabak und ein Hauch von Ingwer gesellen sich hinzu. (91)

Finish: Asche und Eiche stellen die vorherrschenden Elemente, reich an Gewürzen und Kakao. Ölige Eindrücke bleiben am Gaumen hängen. Der Mandel-Nuss-Mix, das Salz und Schießpulver besitzen ein hohes Durchhaltevermögen. (90)

Fazit: Mit ein paar Tropfen Wasser gefällt er mir a bisserl besser, dann wirkt er um ein paar Grad ausgewogener. Aber so oder so ein faszinierendes Beispiel für einen wohlklingenden Dreiklang aus Fassholz, Sherry und Brennereicharakter.

Noch so eine Brennerei, bei der es sich lohnen würde, sie wieder aufzubauen. Nicht, dass ich jemanden (Diageo) auf eine schlechte Idee bringen möchte, aber meinen Geschmack treffen diese charaktervollen Tropfen auf jeden Fall. Vielleicht schlummern in irgendwelchen Archiven noch die Baupläne der Brennblasen und Worm Tubs? Nach der Schließung in 1983 wurde das Equipment wohl teilweise an andere Destillerien verliehen, eine Leihgabe die vermutlich von Dauer war, denn 1994 wurden die Überreste der Brennerei komplett abgerissen, um Platz für einen Supermarkt zu schaffen.

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Relicts of: Caperdonich, Imperial, Littlemill, Mosstowie, Rosebank, St. Magdalene

Samples privat gekauft | Bilder eigenangefertigt bzw. mit freundlicher Genehmigung der Whiskybase