Newcomer (A)

Neue Whiskyproduktionsstätten entstehen in Schottland zu genüge in diesen Jahren. Ploppen auf wie Schneeglöckchen im Frühling. Schon mal von der Balmaud Distillery gehört? Während manche Brennereien es in Sachen Releases ruhig angehen lassen – Roseisle beispielsweise, möglich macht das in diesem Fall ein kapitalstarker Eigentümer – , versuchen es andere recht schnell, sich mit ihren Frühwerken auf dem Markt zu etablieren. In der Newcomer-Serie probiere ich mich durch diese neue Generation, die Grenze ziehe ich in diesem Zusammenhang bei 2005 als Gründungsjahr.

Eine Flasche Lindores - mit der bauchigen Aufmachung werde ich mich so schnell nicht anfreunden können.

Lindores Abbey MCDXCIV

3 Jahre in Bourbon, Sherry & Wine Barriqué bis 2021 / 46,0%Vol. / Link zur Whiskybase

Die erste schriftliche Erwähnung von schottischem Whisky – aqua vitae – nimmt Bezug auf einen Mönch, von dem man annimmt, dass er in der Abtei Lindores in den nördlichen Lowlands lebte. Dieses historische Dokument stammt aus dem Jahre 1494, in römischen Ziffern MCDXCIV, und macht Lindores Abbey zur spirituellen Heimat von Scotch. Über 500 Jahre später, seit Oktober 2017, wird an dieser Stelle wieder(?) Whisky produziert. Ca. 95% davon werden als Single Malt vermarktet, dieses Release besteht aus 40.000 Flaschen.

Nose: Banane und Bienenwachs – der Bourbon dominiert. Zitrone und Orange leiten über zu der Säure und Würze des Weines. Ölige Ansätze, etwas Eiche schwingt auch schon mit; insgesamt jedoch jung und leicht stechend. (82)

Taste: Sehr weinig, over the top tatsächlich… neben kräftigen Gewürzen auch viele Tannine, die Grundstimmung ist mir hier zu bitter. Der Bourbon- & Weißeicheneinfluss ist weniger prägnant, er ist halt jung. Ein paar Nüsse haben sich herverirrt. (77)

Finish: Immer noch jugendlich, das geht eben nicht so schnell weg. Bis auf die ersten paar Sekunden gefällt mir aber die Eiche, maßvoll und abwechslungsreich. Nüsse, Vanille und Wachs hangeln sich in den Vordergrund. (81)

Fazit: Teilweise vielversprechend, teilweise verhunzt. Nehm’ ich gerne als 10- oder 12jährige Version nochmal, dann aber bitte ohne die Weinfässer.

Eine Flasche GlenWyvis aus dem zweiten Batch.

GlenWyvis 2018 Batch 02/18

60% 1st Fill Tennessee Whiskey + 25% 1st Fill Oloroso + 15% Refill Fässer bis 2022 / 46,5%Vol. / Link zur Whiskybase

GlenWyvis wurde 2017 erbaut und ist in den Highlands gelegen, etwas nördlich von Inverness. Das Kapital stammt aus Crownfunding-Runden, über 3.000 Shareholder sind an dieser ‘community-owned distillery’ beteiligt. Die für die Produktion benötigte Energie wird zu 100% selbst und ökologisch hergestellt. Für dieses Batch wurde der dreijährige Inhalt aus drei verschiedene Fassarten miteinander vermählt, das Ergebnis waren 8.000 Flaschen.

Nose: Dass der jung, teils grün, wirkt, war klar, aber durch die verschiedenen Fassarten ist einiges los, sogar ordentlich komponiert, würd ich sagen. Zuckerwatte und Apfel, die leicht säuerlichen Früchte strahlen Weißwein-Atmosphäre aus. Hefeteig und Vanille, sowie Bienenwachs und Kiefernnadeln sorgen für eine bunte Mischung. Später bequemt sich noch wärmendes, würziges Eichenholz dazu. (83)

Taste: Ganz schön würzig in so jungen Jahren! Vanille und Hefegebäck im Duett, die Frucht ist recht säurebetont und weniger komplex. Gerstenmalz und Tannine bringen zusätzlich Biss. Vom Oloroso kommt etwas Honig und einige teigige Rosinen, das schmeckt minderwertig. (74)

Finish: Die Eiche ist herb, trocken, würzig und insgesamt bestimmend. Nelke, Zimt und Tannine sind okay, das Holz macht größtenteils eine gute Figur ohne langweilig zu werden. Günstiger Tubenhonig steuert mit Süße dagegen. Sukzessive arbeiten sich einige Nüsse und grasige Komponenten heraus. (78)

Fazit: Der Nase kann ich noch was abgewinnen, zwar extrem modern und im Einheitsbrei untergehend, aber das ist oft der Fall, wenn aus jungen Fässern was zusammengeschustert werden soll. Auf der Zunge ist dann aber Schluss, total off und unlecker, dieser bedauernswerte Whisky hätte längere Reifezeit gebraucht. Es tut echt weh, dass offenbar trotzdem irgendwer der Meinung gewesen ist, dass so etwas abgefüllt werden kann. Vielleicht wollte man den Anschluss an andere neue Destillerien nicht verlieren oder benötigte Cash?

Eine Flasche vom ersten Release der Brennerei Clydeside.

The Clydeside Distillery Stobcross Inaugural Release

3 Jahre in Bourbon- & Sherryfässern bis 2021 / 46,0%Vol. / Link zur Whiskybase

Der erste Single Malt aus der Clydeside Brennerei in Glasgow. Produziert wird seit November 2017, der Spirit soll leicht und fruchtig sein, weniger grasig, als für die Lowlands typisch, dafür würziger. Untergebracht ist die Brennerei in einem Backsteingebäude, welches 1877 als Pumpenhaus am Ufer des Clyde erbaut worden ist.

Nose: Ähnlich wachsig wie der Lindores, nicht so honigartig jedoch. Generell simpel gehalten, nur Vanille, frische Zitrusaromen und Spuren von Eichenholz durchbrechen die Oberfläche. Der Alkohol ist okayish integriert. Dazu ein Hauch von Marzipan. (79)

Taste: Viele Tannine, feine Säure und die typische Würze kreieren eine weinige Atmosphäre, hinzu kommen Anklänge von roten Beeren. Die Kombi aus Wachs, Vanille und Ingwer wirkt ziemlich holprig, Alkohol stört. (76)

Finish: Das Fassholz kommt nicht mehr ganz taufrisch rüber, leicht modrig eher. Gewürze und Bitterstoffe streiten miteinander, kein schöner Anblick. Wachs und rotbeerige Säure versuchen, einen Mantel des Schweigens darüber zu legen. (76)

Fazit: Noch so ein halbfertiges Produkt. Man verzieht das Gesicht beim Trinken, wünscht sich, dass man noch ein paar Jahre gewartet hätte und vergisst diesen Dram bar jeglichen Charakters innerhalb der Tagesfrist.

Eine Flasche Ardnamurchan, Batch 04.21:03

Ardnamurchan AD/04.21:03

65% Bourbon & 35% Sherry Casks bis 04.2021 / 46,8%Vol. / Link zur Whiskybase

Hinter dieser Brennerei auf der gleichnamigen Halbinsel im Westen Schottlands steht der unabhängige Abfüller Adelphi. Durchaus ein Trend, auch andere Abfüller setzen auf eine eigene Destillerie und dadurch ein Plus an Unabhängigkeit. Wie bei GlenWyvis wird viel für einen umweltverträglichen Betrieb der Anlage unternommen, auch hier sehen wir einen Trend; gut so! Hier haben wir das 3. Release, ein immerhin 17.502 Flaschen starkes Batch. Die Produktion startete im Sommer 2014, dieser Whisky könnte also bereits bis zu sechs Jahre alt sein.

Nose: Kokos, sowie Banane und Vanille sorgen für einen sehr Bourbon-lastigen Start. Neben einem würzigen Hauch von Rauch finden sich auch einige malzige Anklänge, wobei der Alkohol noch nicht optimal integriert wirkt. Salz und Wachs wissen aber zu überzeugen. (79)

Taste: Malzig und metallisch jung. Etwas Eiche hat es schon in den Mix hineingeschafft, aber der Rauch macht keine gute Figur. Würzig und aschig zwar, aber auch bitter und säuerlich, einfach fettig und unrund. Zitrusfrüchte und die Bourboneinflüsse tanzen im Hintergrund. (73)

Finish: Die Asche vermag es nicht ganz, das schwefelige Eichenholz zu überdecken. Metallisch und jung setzt er sich fest. Vegetative, ölige (greasy) Noten lassen den Abgang in abstoßendem Licht erscheinen. Nuancen von Salz, Malz und Nelken manifestieren sich. (72)

Eine Flasche Raasay R-01. Das Design der Glasflasche erfüllt seinen Zweck, inzwischen assoziiert mein Gehirn diese Form in Nullkommanichts mit Raasay.

Fazit: Ganz und gar nicht mein Fall, ein Mundgefühl zum Vergessen, da muss erst mal was zum Neutralisieren her. Die Parallelen zum Inaugural Release sind offensichtlich, leider.

Raasay Batch R-01

1st Fill Rye Whiskey Casks + Virgin Chinkapin Oak + 1st Fill Bordeaux Red Wine Casks/ 46,4%Vol. / Link zur Whiskybase

Von der Raasay Distillerie hingegen hat mir bereits das Inaugural Release sehr gut geschmeckt, bin gespannt, ob die darauffolgenden Bottlings in der Spur bleiben. Seit September 2017 laufen die Stills auf der Isle of Raasay in den inneren Hebriden. Für dieses Batch wurden zwischen 03.11.2017 und 06.04.2018 Fässer sowohl mit rauchigem als auch nicht rauchigem New Make befüllt und nach der Reifezeit vom 19.04.-03.05.21 vermählt, im Anschluss füllte man in 26.000 Flaschen ab.

Nose: Eine konstante Bühne aus angenehmem, leicht speckigem Rauch, Salz und Honig. Und darauf tanzen Apfel, Banane, Aprikose und Erdbeere; außerdem Zimt und andere Würze, der Rye schwingt da ein wenig mit. Anklänge von Bordeaux und Schokomüsli – Sonntagsfrühstück 😉 (85)

Taste: Die Würze des Ryes und das brotige Gerstenmalz machen Druck. Rauch und die vom Wein rötliche Frucht finden erst dahinter Platz. Er wirkt teils auch grasig und jung, der Sprit ist da nicht optimal eingebunden. Tabak und nussiges Eichenholz versuchen auszugleichen. In Ansätzen ölig, harzig und salzig. (84)

Finish: Kelloggs Smack’s – Honig inklusive –, Rye und eine würzige Eichenholz-Zündholzmischung. Die Asche bekommt einen erdigen, ledrigen Touch. Viel Frucht ist da nicht, dafür dezente Nüsse. Zum Ende hin wird’s nochmal salzig. (84)

Fazit: Im Prinzip dem Inaugural Release sehr ähnlich, nur weniger intensiv und weniger rotfruchtig. Auch, wenn viele unterschiedliche Fassarten beteiligt sind, was ja modern ist, finde ich das Profil sehr ansprechend und bin gespannt, was es in fünf Jahren von dieser Brennerei zu probieren gibt, dann hoffentlich ohne den zeitgeisty Schnickschnack.

Der Raasay war dann zum Glück ein versöhnlicher Abschluss. Es ist verständlich, dass manche Unternehmen schon früh darauf angewiesen sind, Cash Flow zu generieren und dementsprechend schon früh versuchen, eine Fanbase zu gewinnen. Doch die beste Marketingstrategie kann verpuffen, wenn das 3-jährige Produkt abschreckt und den Ruf der Marke ruiniert. Das weckt dann auch langfristig wenig Lust auf die zukünftigen Abfüllungen. Aber solange der Markt schnell genug wächst, kann es trotzdem funktionieren.

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Samples privat gekauft | Bilder mit freundlicher Genehmigung der Whiskybase