Eine Reihe alter und rarer Whiskyflaschen

Old & Rare Flight 009 – Learning Zone

Zwischen Komfortzone und “Dangerzone” da liegt etwas, mit dem kann man seinen Horizont erweitern. Die Learning Zone. Beim Whisky befinden wir uns solange in dieser, solange wir neue Styles, Destillerien und Aromen explorieren, ohne dabei kompletter Irritation zu erliegen. Um das zu erreichen hab ich ein wenig Zeit in die Suche von fantastischen und alten Dingen investiert und Christian zu einem Blindtasting eingeladen. Dessen Komfortzone besteht aus Port Charlotte, Highland Park und ein bissl Talisker. Da ist es besonders spannend, wann man in die Dangerzone abgleitet.

Auchentoshan 1970

Eine Flasche Auchentoshan 1970

Gleich zu Begin eine Abfüllung aus den Lowlands, für viele schon alleine als Whiskyregion kaum beachtenswert. Die konkrete Abfüllung aus dem Jahr 1970 war 21 Jahre im Fass, der Farbe nach sicherlich irgendwas mit Sherry. Die Abfüllung erfolgte mit 43%, also nicht in Fassstärke. Link zur Whiskybase

Nase: Der riecht schon so dunkle wie er aussieht. Rosinen, Kompott (Pflaume) brechen mir entgegen. Dann geht es irgendwann über in weiße Pfirsiche und kurz vor dem Ansetzen kommt noch ganz leicht Möbelpolitur durch.

Mund: Auf der Zunge dann Kokosfett, Zitrus und leicht grasige Noten (Lowlands Baby!). Das Ganze garniert mit einem Füllhorn an Trockenfrüchten.

Abgang: Am Gaumen sind dann wieder Zitrusnoten da. Es gibt aber auch etwas Weihnachten. Bratapfel und Nüsse. Fette Macadamia zum Beispiel. Der Sherryeinfluß wird langsam weniger.

Fazit: Verdammt guter Old-Style Whisky. 90/100 von Christian, 91/100 von mir. Was lernen wir? Auchentoshan ist relevant. Früher war sicher nicht alles besser, aber sicher auch einiges ziemlich gut. Christian: Was für ein Auftakt, völlig unerwartet das Auchentoshan so lecker sein kann und ich hätte die Destille in 100 Jahren nicht erraten :-9

Littlemill 1988 Hart Brothers

Eine Flasche Littlemill 1988 von Hart Brothers

Ein Kracher folgt dem nächsten. Wobei hier sich ja die Geister scheiden. Littlemill, eine Lost-Destillerie aus den Lowlands, gilt für vile eher als Obstler und weniger als Whisky. Ich hatte schon viele gute, allerdings tat ich mich mit Sherry-Abfüllungen eher schwer. Hier haben wir ein Sherry Butt, 26 Jahre alt und von den Hart Brothers abgefüllt. Fassstarke 52,5% hat das Bottling. Link zur Whiskybase

Nase: Sehr viele Früchte, Blutorangen, Blaubeeren, Brombeeren, Zitronen. Dazu Waffeln mit dick Sirup. Serviert wird auf einem Holzteller.

Mund: Erstmal erstaunlich salzig. Dann zwickt es kurz in der Zunge. Das geht über in prickelnde Brausebonbons. Leichte Bitterstoffe kommen dazu, bevor es wieder zu den Früchten geht. Blaubeeren und Blutorangen vor allem. Dazu kommt eine gewisse Schärfe, etwas Chili. Leder erinnert nochmal an die Sherrylagerung, genauso wie Bitterschokolade.

Abgang: Prickelnd säuerlich und dann süß. Dann kommt ganz kurz Vanille, bevor abdriften in unendliche Früchte. In Länge wird ziemlich trocken. Es bleiben Tabakblätter und Kokosspäne,

Fazit: Lecker Fruchtsalat und 89 Punkte von Christian. Tobias sagt 90/100. Ich finde ihn nicht direkt zugänglich. Es ist eher ein kleines Fruchtsalatmonster mit ordentlich Sherrydressing, das man lieben kann aber nicht muss. Was lernen wir? Ob andere Littlemill für Obstler – und damit unwürdig – halten ist mir einfach weiterhin egal. Christian: Juhu Littlemill! Trinken wir mittlerweile viel zu selten. Früher nich eine der günstigen “Lost Destilleries” werden die ja mittlerweile auch immer seltener. Umso schöner das Tobias so eine Fruchtbombe ausgräbt!

Secret Highland Malt 1983 Sansibar

Eine Flasche Secret Highland (Clynelish) von Sansibar für deinwhisky.de

Wir werden geheimnisvoll. Ein Highland Malt vom Abfüller Sansibar in dessen Reihe “Clans Label”. Abgefüllt wurde für deinwhisky.de. Der Malt ist 36 Jahre alt und war einem Bourbon Hogshead. 51,2% wurden 239 Flaschen gefüllt. Man munkelt es handelt sich um einen Clynelish. Link zur Whiskybase

Nase: Es beginnt sehr würzig. Allspice würde ich sagen. Dazu Wachs und Äpfel aber auch Schokolade. Es geht weiter mit mineralische Noten dann Honig und auch Milch mit Honig. Die Süße weicht dann wieder der Würze. Diesmal Gewürztee und Pfeffer.

Mund: Die Geschmacksknospen klingeln vor lauter kandierten Früchten. Wenn diese sich aufgelöst haben, dann bleibt Maracuja. Dazu gibt es auch noch Milchschokolade, wieder Wachs und auch Zitrone. Aber eher so wie in der Duftlampe.

Abgang: Nach dem Schlucken ist da Honig ohne Ende. Verschiedenste, von Wald bis Wildblumenwiese. Passend dann auch wieder Wachs und zwar ganz sicher. Bienenwachs. Schöner fetter Sirup legt sich um den Rachen. Gewürzt mit etwas Muskat und Vanille.

Fazit: Extrem lecker. Die Balance und die Vielschichtigkeit sind unglaublich. Wir beide sagen 91/100 und nehmen natürlich jegliche Flaschenspenden davon dankend entgegen. 😉 Was lernen wir? Auch Bottlingreihen um die man einen Bogen gemacht hat, in diesem Fall weil mich das Label nicht wirklich anspricht, enthalten Perlen. Auf den Inhalt kommt es an. Christian: Oh Mann echt leckeres Zeugs, gerade an der grenze wo ich ins schwanken komme ob wir nicht doch noch eine Flasche für den Club brauchen … trotz des Preises

Speyside Malt 1993 Sansibar

Eine Flasche Secret Speyside 1993 abgefüllt von Sansibar für die Finest Whisky Messe. Wahrscheinlich ein Macallan.

Macallan! Sagt das Label zwar nicht, aber Easter Elchies Estate soll wohl darauf hinweisen. Offiziell ist das ein Secret Speyside abgefüllt von Sansibar für die Finest Whisky Berlin. Der Inhalt der 330 Flaschen ist 51,4% stark, 27 Jahre alt und stammt aus einem Sherry Cask. Link zur Whiskybase

Nase: Zuerst Vanille, was ich erstaunlich finde. Sherry Casks begrüßen sonst anders. Dann Süßkirschen, Sandelholz und auch Süßholz. Wir wechseln die Frucht zur Aprikose. Dann gibt es noch Gewürze und leichten Tabak.

Mund: Eine Unendlichkeit an Kirschen ist ganz lang der Eindruck. Wenn man ihn dann schön kreisen lässt, dann kommt Möbelpolitur, Zitrone und Mandarine. Irgendwann dann nur noch viel Sherry und Tabak.

Abgang: Die bleiben auch am Gaumen: Intensive Tabaknoten. Dazu wieder Kirschen. So im Stil Schwarzwälder Kirschtorte über der einem die Flasche Kirschwasser ausgekommen ist. Dann ein Schwenk in Richtung Äpfel. Mus vor allem. Die Länge ist ganz wunderbar.

Fazit: Kann man glaube ich fast jedem vorsetzen. Trinkig, es passiert aber auch viel. Bei der zweiten Runde ist er viel weniger kirschig. Dennoch weiterhin sehr lecker. Macallan oder nicht: 90/100 Was lernen wir? Macallan scheint doch zu schmecken, falls es denn einer ist. Meine bisherigen Ausflüge (inkl. Oscuro) haben mich nicht so überzeugt. Christian: Sehr lecker aber im Vergleich zum Rest des Abends fast schon normal. Fantastisch was Tobias da aus seiner Samplekiste gezogen hat.

Redbreast 1989

Eine Flasche Redbreast 1989 mit schickem Karton

Das absolute U-Boot der Runde: Ein Ire. Und was für einer. Ein Redbreast Single Pot Still aus dem Single Port Cask (Genauer gesagt recasked aus einem Bourbon Barrel), abgefüllt für The Whisky Exchange. 30 Jahre alt, 444 Flaschen, 57,2% Link zur Whiskybase

Nase: Sauerkirschen, tropische Früchte, unglaublich viele Gewürze, auch Tabak und ein feiner Zitronenkuchen. Und sooo intensiv. Das flutet den Geruchsinn vollkommen.

Mund: Kakao, dunkle Schokolade, unendliche viele Früchte, rote und schwarze, auch wieder Südfrüchte sind dabei. Die Gewürze kommen zurück: Majoran und Rosmarin. Da sind aber auch Rinden dabei.

Abgang: Vivil Cassis Bonbons aufgelöst in einem mazerierenden Amaro mit einem Spritzer Johannisbeersaft. Serviert in einem Glas mit Salzrand. Die Sensorik ist auf Anschlag, es knistert fast schon im Hirn.

Fazit: Ein One-Dram-Whisky. Extrem fordernd. Unendliche Länge. Krasses Zeug. Irgendwo zwischen “ich will nie wieder was anderes trinken” und “kann ich bitte was anderes trinken”, wenn ihr versteht was ich meine. 93/100. Christian: Wie alle Drams war auch dies eine Blindtasting. Dieser Whisky hat mich völlig umgehauen und ich hatte diesen moment bei dem ich mir nur noch dachte, bitte, bitte lass es etwas normales sein was man auch noch bekommt … tja dem war leider nicht so. Ich hatte den Hype um Redbreast in diversen Kreisen verfolgt und nie nachvollziehen können. ist ja nur irgendso ein Ire … oh man den hätte ich wirklich, wirklich gerne zu Hause!

Bowmore 1997

Eine Flasche Bowmore 1997 bevor in Samples abgefüllt wird
…so sieht das vor der Teilung aus

Mit einem Original Bottling haben wir angefangen, wir hören auch mit einem auf. Ein Bowmore Small Batch, 21 Jahre alt und aus Oloroso Sherry Hogsheads. Er ist aus der Serie Distillery Manager’s Selection und es gibt 3000 Flaschen mit 51,7% Link zur Whiskybase

Nase: Geröstete Knabbergerste in einer Kneipe in Erlangen. Beim sechsten Whisky kommt wohl dann die Erinnerung hoch 😉 Ansonsten Feigen, Pflaumen und Zwetschgen, also viel Frucht. Aber auch Zimt was schon an sich fordert bei Whisky, und danach noch Metall.

Mund: Blieb in der Nase der Islaycharakter noch etwas zurück, kommt er jetzt umso mehr. Rauch, ein überquellender Zigarrenaschenbecher. Nasser Tabak und nasse Erde. Eine deutliche Säure, die an sehr frische und junge Früchte erinnert.

Abgang: Jemand hat sein Sherryglas in den Aschenbecher geleert. Außerdem ist er jetzt extrem adstringierend. Die Zunge ist quasi taub. Es bleiben noch einige bis viele Bitterstoffe. Espresso, Kaffee, dunkle Schokolade, Leder. All das.

Fazit: Damit kann man jemanden davon abhalten kann je wieder Whisky zu trinken. Dennoch von Fans absolut gefeiert. Vielleicht eben weil er so speziell ist. Für Christian der schwächste Whisky des Abends. 87-88. Ich finde ihn extrem herausfordern aber auch sehr interessant. Nur sicherlich ist das nicht mein Stil. 86/100 Was lernen wir? Die scheinbar sichere Bank, wenn man mich vorher gefragt hätte, bleibt hier hinter den anderen zurück. Christian: Es bleibt leider dabei Bowmore und ich kommen nicht zusammen. Dabei würde ich Bowmore so gerne mögen 🙂

Ein Line-up aus dem Whisky-Himmel

Mehr muss ich eigentlich schon nicht mehr sagen. Außer, dass ich viel gelernt habe. Und noch viel wichtiger: Danke den Flaschenteilern, dass sie diese Schätze aufgemacht haben und einem größeren Kreis zugänglich gemacht haben. Genauso auch ein Dank an den Christian, dass er den Spaß mitgemacht hat. Ich glaube er hatte ein ganz klein wenig Sorge was er da alle so trinken “muss”.

Christian: Vielen, vielen Dank Tobias. Das war wieder mal fantastisch, gerade weil du mich aus meiner wohldefinierten Komfortzone holst. ich hatte ja echt Angst das Fettercairn dabei war 🙂 Meine Aufgabe für das nächste Tasting, ist dann eben wieder dir die Tiefe und Breite von Port Charlotte aufzuzeigen. … oder ich mache auch mal was ganz anderes. Nur dich aus deiner Komfortzone zu holen ist wohl unmöglich 🙂

Bilder: Freundliche Überlassung von Wummy, Ra_Di, Archer, Bruno59 und der Whiskybase. Samples: Privat gekauft.