The 3rd Shining Dram
Im Zentrum von Bad Aibling gibt es einen gemütlichen Laden, groß genug, um die Arme ausstrecken zu können, jedoch zu klein für einen Purzelbaum. Immer, wenn ich es dort hinschaffe, fällt es mir schwer, mich wieder loszureißen. Und das liegt nicht nur an den vielen Whiskyflaschen, die dort auf einen warten, sondern auch an den kurzweiligen und anregenden Unterhaltungen mit dem Ladeninhaber Markus. Wenn ihm eine schmackhafte Fassprobe über den Weg läuft, bringt er sogar unter seinem eigenen Label The Shining Dram die eine oder andere Abfüllung heraus:
Cameronbridge 1974 TSD
46 Jahre im Hogshead bis 2021 / 40,2%Vol. / Link zur Whiskybase
Ein Single Grain aus den Lowlands in hohem, vielversprechenden Alter.
Nose: Sternfrucht und Banane werden zusammen mit gerösteten Haselnussstückchen in zähes Karamell geworfen. Orangenmarmelade und Quittengelee vermischen sich, getrocknete Aprikosen sind auch nicht fern. Mango und Litschi, langsam wird’s zur Fruchtbombe. Honigwaben und Marzipan formen eine passende Kulisse. (91)
Taste: Wie ein großer Schluck Bananenmilchshake garniert mit Sternfruchtscheiben und Honig. Gehackte Mandeln und Haselnüsse bereiten auf die trockene, aber ausgesprochen sanfte Eiche vor. Das typische Grain-Profil ist dezent eingebettet in einem Meer aus gelben Früchten. (92)
Finish: Im Prinzip eine Wiederholung. Die Aromen drängen dicht an dicht aneinander. Besonders fallen mir Banane, Sternfrucht, Honig und Eichenholz auf. Die gelben, tropisch angehauchten Früchte sowie der Grain-Anteil fehlen auch nicht. Und die grasigen Nüsse. (89)
Fazit: Wahnsinn, wie der einen belohnt, wenn man ihm Zeit und Aufmerksamkeit gibt. Nichts für zwischendurch. Obstkorb par excellence. Und trotz der Quasitrinkstärke nicht allzu delikat.
Old Rhosdhu 1993 TSD
29 Jahre im Hogshead bis 2022 / 50,9%Vol. / Link zur Whiskybase
Old Rhosdhu war ein Single Malt aus der Brennerei Loch Lomond. Markus hat einen Faible für Old Rhosdhu, denn das hier ist bereits der zweite unter eigenem Label.
Nose: Eine sanfte Welle aus Hefezopf, Honig und gemahlenen Mandeln. Aprikosenmarmelade klebt daran. Eine weitere Welle gibt gelbe Früchte preis, das Spektrum reicht von Mango-Maracuja über Banane bis Zitrone. Wachs und Zartbitterschokolade fördern die ausgewogene Atmosphäre. (89)
Taste: Initial sehr viel los, ich weiß gar nicht was mir besser gefällt: Die kristallklaren Maracujatöne oder die zarten Schokoladentropfen oder die unbestechliche Kombo aus Gewürzen und Gerste. Bananencreme und Zitronen betören. In den Hefeteig sind Salz und Wachs eingearbeitet. (89)
Finish: Eichenholz und Bitterschokolade geben nochmal alles, um zu beeindrucken, sind dabei aber nie überwältigend, vielmehr soll eine langfristige Wirkung erzielt werden. Gelbe und diesmal auch grüne Tropenfrüchte tauchen auf, unisono der Salzteig. Mandeln und Orangen bilden einen runden Abschluss. (90)
Fazit: Dieses Profil ist schon was besonderes, man kann ihm quasi beim Entfalten zusehen und entdeckt auch nach zwei Stunden immer neue Facetten. Besonders gefällt mir dabei, dass er nochmal ein Stückchen fruchtiger als der zwei Jahre jüngere Rhosdhu von TSD ist.
Isle of Jura 2009 TSD
12 Jahre im Refill Sherry Butt bis 2022 / 53,3%Vol. / Link zur Whiskybase
Jura hab ich tatsächlich sehr selten im Glas. Prophecy, Turas Mara, Superstition und wie sie alle heißen, haben mich einfach nicht begeistern können. Mal sehen, ob eine Single Cask-Abfüllung das besser kann.
Nose: Sieht zwar aus wie Refill, riecht aber eher wie 1st Fill: Ein dichter Hagel aus Rosinen, Trockenpflaumen und Aprikosen. Ein paar Haselnüsse werden mitgerissen. Damit es noch süßer wird, folgt eine Masse aus Karamell und Honig. Mit Zimt, Apfelvariationen und Daxen wird es endgültig zum Winterdram. (85)
Taste: Erst smooth und sämig wie Honig, dann trocken mit Eiche und gemahlenen Gewürzen. Der Sherry macht, was er am besten kann, um zwar mit Trockenfrüchten um sich werfen. Das Mundgefühl ist ölig, ein wenig Rosmarin passt da gut rein. Außerdem entdecke ich schokoladige Tannine. (85)
Finish: Feuriger Honig beim Schlucken, dazu Kräuternoten nebst harzigen Kiefernnadeln. Vom Eichenholz geht es weiter zu Gewürzen und Nuss, von da aus zu Kakao und Karamell. Sherry setzt sich fest. Im Anschluss wird es salzig. (85)
Fazit: Vom Profil her hervorragend für die kalte Jahreszeit geeigent, also auf jeden Fall was für Liebhaber sherrybeeinflusster Malts. Für meinen Geschmack war es noch einen Ticken zu „Jura“, aber definitiv besser als die verwässerten Originalabfüllungen.
Caol Ila 2007 TSD
14 Jahre im Hogshead bis 2022 / 51,8%Vol. / Link zur Whiskybase
Mit einem Caol Ila in zweistelligem Alter kann man nicht viel falsch machen. Für mich durchaus eine gleichwertige und erschwingliche Alternative zu den drei Südküstenbrennereien Islays.
Nose: Cremige Vanille und süßer Blütenhonig machen einen einladenden Eindruck. Der aschige Rauch ist sanft und gut eingebunden, dabei transportiert er Aromen von Speck, Muscheln und Salz. Das wiederum passt hervorragend zu Banane, Galiamelone und Zitrus. Schaumig geschlagene Butter und Kiefernnadeln eröffnen eine weitere Ebene. (87)
Taste: Vor meinem inneren Auge taucht ein Stillleben auf: Muscheln, Salz und Zitronen in glimmender Lagerfeuerasche. Das angekohlte Eichenholz bitzelt etwas auf der Zunge. Sind es nur die Gewürze oder sind vielleicht auch Zitrusfrüchte beteiligt? Leicht grün, könnte Guave und grasige Banane sein. Honig gegen Gips, klebrig-süß vs. staubig-mineralisch… quite interesting! (86)
Finish: Das Stillleben wiederholt sich, diesmal mit noch mehr kokelnden Holzscheiten und Anklängen von Schießpulver. Die Stimmung ist erdig und trocken, mit ordentlich Kakaopulver. Seines positiven Einsatzes wegen sei an dieser Stelle nochmal das Salz lobend erwähnt. (85)
Fazit: Ein trinkiger Raucher mit Obst und Muscheln im Gepäck. Erinnert mich sehr stark an den 2014er Secret Islay von Markus, nur eben die gereiftere Version. Insgesamt ein typischer, recht lebendiger CI, der in sich stimmig ist.
Glenrothes 10 Jahre TSD
10 Jahre im Butt bis 2018 / 52,9%Vol. / Link zur Whiskybase
Beim Stöbern im Ladengeschäft ist mir diese Miniatur aufgefallen. Ein echter Glücksfund, denn dieser Glenrothes war eigentlich schon vor langer Zeit ausverkauft.
Nose: Farbe und Geruch nach kein 1st Fill Butt, weshalb die Frucht nicht dominiert, sondern kunstvoll eingebettet ist. Das äußert sich vor allem durch Pflaumen, Banane und Kiwi. Später auch aromatische Bitterorange und Mandarine. Zuvor aber werden Muffins und süße Hefegebäckstücke von Wachs und lebendigen Gewürzen eingerahmt. (86)
Taste: Gewürze, altes Eichenholz und Gerstenmalz marschieren eng an eng. Sherry und grüne Früchte formen eine Kombination, die ich so noch nie erlebt habe. Zusammen mit dem süßen Wachs kommt auch die prickelnde Dreckigkeit auf, mit der ich Glenrothes typischerweise in Verbindung bringe. Schokoladige Konsistenz. (86)
Finish: Der Dreck tobt sich aus, ein wenig Schwefel stößt hinzu. Der Wind dreht sich, dank grüner Töne und nussigem Sherry. Trockenes Holz und Wachs klingen sanft, aber nachhaltig aus. (85)
Fazit: Für „nur“ zehn Jahre doch schon sehr kompakt und reif. Insbesondere die subtilen und raffinierten Früchte bleiben mir im Gedächtnis, genau so etwas suche ich in Single Malts.
Wieder einmal sehr gut ausgesucht, für jeden Geschmack ist was dabei. So, wie die Whiskys aus dem Fass kommen, schaffen sie es auch ins Glas: unverfälscht und ehrlich, mit all den Ecken und Kanten, die man dann am Ende Charakter nennt.
Mehr zu: Cameronbridge, Caol Ila, Glenrothes, Isle of Jura, Loch Lomond
Samples privat gekauft | Bilder eigenangefertigt bzw. mit freundlicher Genehmigung von Markus Bauer & The Shining Dram
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