Zwei-Null-Null-Null
Es ist jetzt doch schon eine kleine Weile her, dass Tobias den allerersten Whisky für seinen auf gute Drinks ausgerichteten Blog präsentierte. Am 17.04.2016 war das, ein recht leckerer Frühstücks-Clynelish wurde kredenzt. Ob er damals bereits ahnte, dass er den Grundstein für diese Menge an Verkostungsnotizen und Whiskybeschreibungen gelegt hatte? Der Fokus lag zu dieser Zeit noch auf Cocktails und Biere und so dauerte es knapp fünf Monate bis zum zweiten vom schottischen Lebenswasser geprägten Beitrag. Doch langsam kam der Maltexpress ins Rollen. Während der fünfhundertste Whisky im Februar 2021 dran war, dauerte es gerade 16 weitere Monate, bis die 1.000er Marke fiel. Und heute sind’s nochmal soviele obendrauf.
Einen besonderen Platz in diesem Blog nimmt die Brennerei Bruichladdich ein. Satte 13,5% der Whiskys, die den Pfad zur 2K pflastern, stammen aus den dortigen Brennblasen. Während Christian dafür sorgt, dass der Nachschub an Port Charlotte nie versiegt, macht Tobias Jagd auf mehr Octomore, inspiziert alte und neue Bruichladdiche und findet außerdem Zeit für so seltsame Variationen wie Lochindaal und Rhinns. Trotz der vielfältigen Gesichter, die es seinen Malts verpasst, schafft es diese Destille, eine klare Linie zu bewahren und sie wächst mir tatsächlich immer mehr ans Herz. In diesem Sinne wird der nächste runde Meilenstein mit ein paar älteren Bruichladdichs komplementiert:
Bruichladdich 25 Jahre – The Stillman’s Dram
Eichenfässer / 45%Vol. / Link zur Whiskybase
Im Rahmen der Stillman’s Dram-Serie hatte die Whyte & Mackay Group von der Mitte der 80er bis in die Mitte der Nuller vereinzelt kleine Batches aus ihren Brennereien herausgebracht. Dalmore, Fettercairn, Tullibardine, Jura, Invergordon, Tomintoul, Tamnavulin und Bruichladdich. Letztere wurde, nachdem sie 1993 durch den Zusammenschluss mit Invergordon Distillers zu W&M gelangte und 1995 stillgelegt worden war, in 2000 an Murray McDavid verkauft. Dieser 1.800 Flaschen zählende Malt wurde demnach um 1970 herum, spätestens Mitte der 70er gebrannt.
Nose: Vanille, Bienenwachs und Holz machen sich auf den Weg in die Nase. Der klebrige Sherry liefert Backpflaumen, Nougat und Shortbread. Zimt und etwas Politur sind ebenfalls am Start. Kumquat und Birne verhalten sich schüchtern, können die Kompaktheit des Malts aber etwas auflockern. (87)
Taste: Die Gewürze treten samtig und lebendig auf, außerdem werden sie von altem Eichenholz und Nüssen unterstützt. Intensives Leder und Lederpolitur tun sich mit gelbem Pfirsich zusammen. Ausgesprochen ölig vom Charakter her, dazu die schokoladigen Tannine, mhh… (87)
Finish: Das Old School-Level steigt nochmal, falls das überhaupt noch möglich ist. Verstaubte Gewürze, Samt und alte Holzmöbel mit Lederbezug treffen auf Nüsse, Orange und Mango. Nougat, Schokolade und Bienenwachs verbreiten ölige Cremigkeit. (87)
Fazit: Definitiv mehr als grundsolide. Durch ein konsistentes Profil, welches den Stil der 70er gut widerspiegelt, wird dieser Laddie zu einem süffigen Dram. Nach 25 Jahren der Lagerung rückt der Brennereicharakter zwar in den Hintergrund, sodass er leider auch ein wenig austauschbar wirkt, aber die Qualität der Fässer spricht für sich.
Bruichladdich 1968 SV – Cask 2326
Oak Cask 10.05.1968 bis 08.06.1998 / 52,9%Vol. / Link zur Whiskybase
Eine Einzelfassabfüllung, 186 Flaschen stark, von Signatory Vintage mit fantastischen Eckdaten: In den 60ern gebrannt, 30 Jahre alt und der Alkoholgehalt immer noch jenseits der 50%. Der Abfüller feierte damit sein 10-jähriges Bestehen.
Nose: Bienenwachs mit fruchtigem Sherry und ein wenig Shortbread sind tonangebend. Dazwischen ist minimal Ruß eingelagert. Mit Zwetschgenkompott, Kirschen, dunklen Brom- und Johannisbeeren hat der Sherry einiges zu bieten. Auch Nüsse steuert er bei, was gut mit dem Karamell harmoniert. (89)
Taste: Intensiver als in der Nase präsentieren sich die dunkelroten Früchte des Sherrys, die schokoladigen Elemente und der feine Ruß. Tatsächlich kommen auch Anklänge von gelbem und grünem Obst durch, Mango und Sternfrucht. Die Eiche ist perfekt ausbalanciert, inklusive Gewürze, Tannine und Kohle. Spuren von Kupfer und Salz durchziehen den Malt. (91)
Finish: Wird vom Eichenholz dominiert, erdiger Kakao, gemahlene Gewürze, sanfte Tannine und nussiger Nougat. Leicht rußig. Die in Bienenwaben eingebetteten, komplexen Fruchtrudimente folgen mit etwas Abstand. Erneut Kupfer. (90)
Fazit: Ein richtig angenehmer Geselle, der nicht alles sofort preisgibt, sondern auf eine Entdeckungsreise mitnimmt, Schluck für Schluck. Das Destillat hat ein hochwertiges Fass abbekommen, welches der dreißig Jahre andauernden Aufgabe vollends gewachsen war.
Bruichladdich 1970
1st Fill American Oak Casks bis 09.2002 / 44,2%Vol. / Link zur Whiskybase
Diese 31 Jahre alte Originalabfüllung wurde von Murray McDavid aus den zuvor übernommenen Lagerhäusern geschöpft, destilliert wurde dieser Laddie jedoch unter der Federführung der Invergordon Distillers. Zum fünfjährigen Bloggeburtstag wurde der hier schon mal unter die Lupe genommen, aber da war ich noch nicht dabei und muss jetzt kurz nachsitzen:
Nose: Selten, dass Obst und Bienenwaben so eng miteinander verwoben sind. Doch da sind sie: Mangos, Äpfel, Pflaumen, Limetten, Bananen, Orangen, Birnen, Melonen und Nektarine auf süßem Wachs. Es sind auch einige Prisen Salz mit dabei, Kakao und frisch gemahlener Zimt. Ein zarter Hauch von Rauch macht sich bemerkbar. (91)
Taste: Macht selbstverständlich da weiter, wo er aufgehört hat. Früchte in allen Formen und Farben, eine tolle Balance zwischen Süße und Säure. Das Eichenholz ist nun etwas firmer, Gewürze, Leder und Kakao sind sowas von anwesend. Nüsse und Salz ziehen Wabenhonig und Tabak an Land. Baut gut Volumen auf. (92)
Finish: Süßes Wachs bedeckt den Gaumen, tropische Früchte und würziges Eichenholz. Hat einen metallischen Klang, der mir sehr gut gefällt. Nüsse en masse, mit einer Messerspitze Salz. (92)
Fazit: Jedes einzelne der 31 Jahre Lagerzeit kommt voll zur Geltung, wirklich ein super ausgereifter Malt. Birgt trotz der eher offensiven Frucht auch viele Feinheiten, die es zu erforschen lohnt. Die verbliebenen 44,2% wirken dabei zu keiner Zeit zu niedrig. Ach ja, Wiederholungen zählen im Übrigen nicht, wir sind noch bei 1.997…
Bruichladdich 10 Jahre – Rinaldi Import
Eichenfässer / 43%Vol. / Link zur Whiskybase
Noch so ein Wiederkehrer. Der kam bereits beim 8. Bloggeburtstag zum Einsatz, aber jetzt ist die Flasche leer und ich muss sagen: jederzeit gerne wieder. Dieses Bottling wurde in den 80ern nach Italien exportiert.
Nose: Startet extrem fruchtig, es sind Rumrosinen und allerlei eingelegtes Gartenobst wahrzunehmen. Auch getrocknete Banane, Mango und Orangendrops. Saftiger Hefe-Nuss-Zopf vom Sonntag, serviert mit Zimt und Karamellsoße. Sukzessive wird es würziger und die Eiche schaut vorbei. Das Trockenobst arbeitet sich immer mehr nach vorne und zieht dabei einen Hauch von Bienenwachs mit. (90)
Taste: Viel Gerstenmalz und leicht schokoladig. Ansonsten aber der Nase recht ähnlich, mit dem entscheidenden Unterschied, dass die Aromen ausgedünnter und weniger ausgeprägt sind. Liegt wahrscheinlich an dem niedrigen Alkoholgehalt und der langen Flaschenlagerung. Dennoch hat der Malt Tiefe und wirkt um einiges älter als auf dem Label angegeben ist. (88)
Finish: Wunderbar ölig fließen Schokolade und Malz hinunter. Ein deutlicher metallischer Touch ist dabei, fast schon blutig, aber sowas mag ich ja. Die Früchte kommen dadurch an dieser Stelle etwas grüner rüber. Die Haselnüsse sind enorm, funktioniert gut zusammen mit den Umaminoten. Eiche und Gewürze halten sich eher im Hintergrund. (88)
Fazit: Schon cool, was damals für 10-Jährige rausgehauen worden sind. Der Zahn der Zeit ist bei meiner Flasche nicht spurlos vorübergegangen. Der OBF hält sich zwar in Grenzen und fällt eigentlich nur positiv auf, doch je länger man mit dem Trinken wartet, desto fragiler sind die Aromen im Geschmack, Malz und Metall nehmen dann Überhand. Also was zum schnellen Wegsüffeln.
Bruichladdich 15 Jahre – Rinaldi Import, Dekanter
Eichenfass / 43%Vol. / Link zur Whiskybase
Endspurt, die letzten drei. Nochmal ein Rinaldi, jetzt aus einem Dekanter. Eine Sonderabfüllung zum einhundertsten Bestehen – Centenary – von Bruichladdich in 1981. Der Malt ist also spätestens Mitte der 60er destilliert worden.
Nose: Es startet unerwartet nussig, Hasel-, Wal- und Kokosnuss in Karamell eingebettet. Direkt dahinter lauern Trockenpflaumen, getrocknete Feigen und Aprikosen. Der Mix aus Vanillesauce, Trüffelschokolade und Lederpolitur ist gut integriert. Die Brombeeren sind phänomenal. (90)
Taste: Die Trockenfrüchte sind eingangs einnehmend, klebrig und süß. Antike Holzmöbel werden entstaubt und poliert. Haselnüsse und Trüffelschokolade warten mit gelben Früchten auf, Pfirsich und Co.. Ölig, erdig und würzig mit einem Hauch Tabak und Kohlestaub. (90)
Finish: Die Holznoten sind sehr kräftig, schön trocken, aber auch würzig und extrem nussbeladen. Wirkt staubig und rauchig und älter als auf dem Etikett. Die Bitterstoffe sind im wesentlichen erdig und schokoladig. Nochmal Tabak und Anflüge von gelber Frucht. (90)
Fazit: Ein gutes Bottling, um eine Hundertjahrfeier zu begießen. Das Destillat weist Charakter auf und verbindet sich hervorragend mit den Aromen, die von den Fässern stammen. ‚Old School-Ledersessel vor Kaminfeuer‘-Schmakofatz.
Bruichladdich 15 Jahre – Moon Import
Eichenfass / 43%Vol. / Link zur Whiskybase
War auch für Italien bestimmt, diesen Laddie bugsierte allerdings das in Genua ansässige Moon Import Richtung Süden. Der Datenbank nach ein 1965er Jahrgang.
Nose: Kokosnuss, Vanille und gelbe Früchte lassen ein zartes Pflänzchen erwachen. Haselnüsse und Möbelpolitur helfen den Bananen- und Mangonoten besser ans Licht. Karamell, Wabenhonig und sogar Trüffelschokolade füllen die Lücken auf. Zimt streut sich unauffällig darüber. (88)
Taste: Man wird sofort in einen Ledersessel katapultiert. Überhaupt strotzt es nur so vor alten Holzmöbeln, würziger Eiche und diversen Nüssen. Polituren, Tabak und Zartbitterschokolade sind da nicht fern. Das gelbe Obst ist im Öl konserviert, wie es scheint. (89)
Finish: Holzig, malzig, würzig, erdig und vor allem trocken. Nüsse, dunkle Schokolade und Tabak fehlen natürlich auch an dieser Stelle nicht. (88)
Fazit: Dieser Bruichladdich agiert sehr gesetzt und gemächlich. Von Sherryeinfluss ist nichts zu spüren (und von daher unterscheidet er sich vom Rinaldi deutlich), wohl aber vom Alter – das könnte gut und gerne auch doppelt so hoch sein. Old School-Vibes ja, aber ein wenig vermisse ich Volumen, Tiefe.
Bruichladdich 15 Jahre – Moon Import, Dekanter
Eichenfässer 1965 bis 1981 / 53%Vol. / Link zur Whiskybase
Für die 2.000 greife ich ein zweites Mal zum Mond. Nochmal ein Centenary, nochmal ein 15-Jähriger aus dem Dekanter wie beim Rinaldi. Aber! Aber: Welchen Unterschied werden die zusätzlichen 10 Volumenprozente wohl machen…
Nose: Dank aromatischem Nougat, altem Sherry und zartem Bienenwachs fühlt man sich von Anfang an sehr willkommen. Banane und Maracuja suhlen sich in Schokoladensauce und Möbelpolitur. Schwarze Johannisbeeren und Pflaumen mit Zimt auf Kuchenteig. Orangenfilets mischen sich unter’s Volk. (92)
Taste: Maracuja und gemahlene Gewürze übernehmen das Szepter. Der Honig, der fruchtige Sherry und die öligen Elemente ziehen sich aber nicht zurück, sondern toben sich weiterhin aus. Nougat tut es ihnen gleich. Im Hintergrund halten sich metallische und zitrische Akzente auf, die sich zu Tabak und Leder hingezogen fühlen. (93)
Finish: Feinste Gewürze und samtiges Eichenholz werden von säuerlichen und metallischen Noten umspielt. Die Maracuja ist wieder da, genauso wie der Sherry und der überaus nussige Nougat, fast schon schokoladig. Wachs konserviert die Aromen, auch Leder und Tabak. (93)
Fazit: … und sie machen einen großen Unterschied! Mehr Frucht, mehr Sherry, mehr Power, mehr alles! Einer Hundertjahrfeier mehr als würdig, da freu ich mich jetzt schon auf’s nächste Jubiläum.
Keine Ahnung , was das Ziel ist
Aber die Reise bis hierher war wunderschön. Nicht nur aufgrund der vielen genialen Bottlings, die ich in den letzten Jahren probieren durfte, sondern auch wegen der bereichernden Gespräche mit den vielen tollen Menschen auf Messen, in Bars, im Whiskyfachgeschäft, im Netz. Bekanntschaft machen mit Menschen, die diese Begeisterung für ein bisschen verarbeitete Gerste teilen und noch schöner ist es, wenn diese Kontakte bestehen bleiben. Auch nach Schottland habe ich es wegen meines Hobbys schon zweimal geschafft, unvergessliche Tage mit phänomenalen Momenten.
Whisky ist ein Getränk mit Geschichten und mit Geschichte. Sogar ein bisschen Fachwissen bleibt bei mir hängen, wenn ich mich im Rahmen meiner sporadischen Blogbeiträge in die Materie eingrabe. Bei der Gelegenheit ein dickes Dankeschön an Tobias, dass er mich auf seine Plattform eingeladen hat. Bin gespannt, wie’s weitergeht.
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Samples privat gekauft | Bilder eigenangefertigt bzw. mit freundlicher Genehmigung der Whiskybase, Titelbild generiert mit artguru (‚Bruichladdich vom Meer aus gemalt‘)
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