Campbeltowning (5)
Schon ein wenig her, dass ich einen Ausflug nach Campbeltown im Glas hatte. Dabei gibt es da doch nur guten Whisky, oder? Ich bleibe neugierig und werde das überprüfen.
Hazelburn 10-year-old (2023)
Noch länger als mein letzter Besuch in C-Town ist es her, dass ich mich dem Standard Hazelburn gewidmet habe. Und das liegt nicht zuletzt daran, dass die Verfügbarkeit deutlich zurück gegangen ist. Auch ein Opfer des Springbank Hype. Dieser Vertreter in meinem Glas ist aus dem Batch Mai 2023. Er hat natürlich, wie immer 46% und die Anzahl der Flaschen ist unbekannt. Link zur Whiskybase
Nase: Cremige und milde Orangennoten. Eine leichte Mineralität. Gewachste Fruchtschalen. Dahinter kommen noch Zitrone und Kokos, sowie eine grasige Note.
Mund: Leicht würzig, mit etwas Pfeffer. Dann wieder ganz tolle, Zitrusnoten. Das geht über in leicht brotige beziehungsweise malzige Noten. Vanille dazu und auch wieder Kokos(milch). Damit steigt dann mit einem Mal auch die Mineralität deutlich an.
Abgang: Die Mineralität ist auch im Abgang das prägende Element. Die Zitrusnoten sind immer noch da, aber etwas in den Hintergrund gedrückt. Dazu kommen noch Blüten und ein paar Bitterstoffe, so wie wenn man auf Pflanzenfasern kaut.
Fazit: Ich bin mal wieder geflasht, was da für ein 10-jähriger Standard aus der Flasche kommt. Geiler Schei*. 88/100
Hazelburn 2007 Springbank Society
Wo der gute Standard her ist, da gibt es auch spannende Sonderabfüllungen. Z.B. für den hauseigenen Fanclub. Im Herbst 2023 hat diese einen 16 Jahre alten Hazelburn erhalten. Aus dem Ruby Port Cask. Davon 13 Jahre im Refill und drei Jahre im frischen Fass. Damit man mehr Fans den Zugang geben kann und weniger im Sekundärmarkt landet hat man sich für 350ml Flaschen entschieden. Davon gibt es 1610. Link zur Whiskybase
Nase: Blutorange, rote Beeren, Campbeltown Funk, Sägemehl und Karton. Darunter auch Blüten oder ein florales Parfüm. Später dann Erdbeeren und Erdbeerjogurt mit Vanille. Letzteres passt ja dann wieder zu den Sägespänen.
Mund: Sehr viele Bitterstoffe, Fruchtschalen, Kerne, Kaffeemehl, dunkle Schokolade. Intensität ist ziemlich nah am Maximum und dabei geht ein wenig der Spaß verloren.
Abgang: Jetzt eher Oloroso Sherry als Ruby Port. Brühe, Leder und Tabak. Früchte sind auch noch da. Blutorangen und Trockenfrüchte. Eine leicht saure Holznote. Am Ende sehr trocken,
Fazit: Sehr fordernd und gleichzeitig deutlich zu wenig ein Hazelburn. Mir ist das am Ende ein tad to much, ich bin mir aber sicher es gibt Menschen die den hart abfeiern. 86/100
Glen Scotia 2000 Vintage Release No. 1
In aufsteigender Peatigkeit geht es jetzt weiter mit Glen Scotia. Dieses Vintage Release aus einem Refill Bourbon gab es für den deutschen Markt. Es wurde mit 46% abgefüllt und 1200 Flaschen gab es. Kommt mir ungewöhnlich viel vor für nur ein Fass, auch mit Verdünnung auf Trinkstärke. Link zur Whiskybase
Nase: Eine überraschend differenzierte Apfelpartie. Frisch angeschnitten, schon leicht oxidiert und auch durchgemascht für Apfelmus. Alles am Start. Dazu Honig, etwas Vanille und vielleicht auch etwas Zimt.
Mund: Ein Toastbrot mit leicht gesalzener Butter und Honig. Dazu Apfelspalten und ein Milchkaffee mit Vanillehafermilch.
Abgang: Die Früchte gehen jetzt weg vom Apfel, eine etwas frischere Säure kommt dazu. Zitrusfrüchte also. Vanilleplunder, eine langsam anschwellende Trockenheit sind der bleibende Eindruck.
Fazit: Nicht unlecker. Aber: Da hätte ich beinahe mein Sample ohne Notes zu schreiben so nebenher getrunken. Das heißt auf der einen Seite, dass mich nix daran gestört hat. Auf der anderen Seite aber auch, dass ich eigentlich zum Review schreiben da saß und er mich so wenig gefesselt hat, dass ich mich von etwas anderem ablenken hab lassen. Einen extra Punkt Abzug gibt es für den komplett fehlenden Campbeltown Funk. Das hätte einfach ein Standard von Glen-Random aus der Speyside sein können. Das kann nicht der Anspruch von Glen Scotia sein. 84/100
Kilkerran 12-year-old (02/23)
Ein weiteres Re-Visit. der 12jährigen Standard der Glengyle Distillery stammt aus 70% Bourbon und 30% Sherry. Abgefüllt wird mit 46% in Batches. Dieses hier stammt aus dem Februar 2023. Link zur Whiskybase
Nase: Erdige Torfnoten, getrocknete Limetten, Salzkruste auf einem Strauch am Meer, geräucherter Fisch mit einer Marinade aus Grapefruit, Kondensmilch und Campbeltownfunk.
Mund: Kalk, Kamille, Funk, diverse Zitrusfrüchte (aber vor allem wieder Limette) und Milchschokolade. Auch wieder Salz und Fisch, vielleicht diesmal aus der Dose. Dazu ein Mund voll Asche und grünen Pfeffer.
Abgang: Der Eindruck bleibt wild, er ist aber nicht mehr so intensiv. Die 46% sind zu wenig für höhere Intensität. Es bleibt eine Limonade mit Limette, Kamille und nasser Erde.
Fazit: Verrückt wie eh und je. Der Abgang kann diesmal nicht mehr ganz so punkten, deswegen ein kleiner Abzug in der B-Note. Trotzdem wirklich immer noch ein großartiger Standard. 87/100
Longrow 18-year-old (2020)
Nochmal zurück zu Springbank. Aus ihrer Kategorie der „weirdly peated“ Whisky stammt dieser 18-jährige. Der Longrow ist im Standardportfolio und wird wie die meisten anderen Produkte auch mit 46% in Batches auf den Markt gebracht. 4300 Flaschen wurden aus 25% Bourbon, 20% Rum und 55% Sherry Cask gefüllt. Link zur Whiskybase
Nase: Irgendjemand hat einen Toast Hawai (ohne Käse) und einen zitruslimettenlastigen Cocktail zusammen in den Mixer gepackt. Das Ergebnis wurde über Holz geräuchert und reduziert. Wer es nicht glaubt darf es gerne ausprobieren.
Mund: Die Paste wird jetzt mit Karamell, Kokosmilch und Granitsaft (das Wasser vom Nassschneidetisch) wieder verflüssigt. Dazu kommen außerdem noch Mandelmilch und getrocknete Bananenscheiben.
Abgang: Wirklich, dieses verrückte Bild geht einfach nicht weg. Dazu kommt noch eine Kombination aus etwas Erde und irgendwas aus dem Nadelwald. Garniert wird es dann noch ein paar Sprenkeln Schokoladenkuchen und Trockenfrüchten.
Fazit: Lustiges Zeug. Das ist echter C-Town-Funk. Abgefüllt in Springbanks mittleren Segment und als Standard. Das ist quasi der Inbegriff genau dieses Ortes an Küste. Macht man da eben einfach. Unprätentiös. Weil man es kann. 90/100
Campbeltown Loch Blended Malt Scotch Whisky (03/23)
Und was passiert, wenn man alle oben geannten Whisky zusammenschüttet? Genau, man erhält einen Campbeltown Lock Blended Malt. Ein Produkt Springbank Distillers. Wobei ich nicht weiß ob das wirklich ein unabhängiger Abfüller ist, denn die Ware wird immer zusammen mit den Original Springbanks in den Markt gebracht. In jedem Batch sind dabei Whisky aller drei Campbeltown Distillerien drin. Welche, wieviel, wie alt usw. natürlich nicht. Gereift wurde in Bourbon und Sherry, abgefüllt mit 46%. Das Batch stammt aus dem März 2023. Link zur Whiskybase
Nase: Die Küste ruft, zusammen mit nussigen aber auch sehr fruchtigen Noten. Letztere würde ich den Sherryfässern zuordnen. Außerdem gibt es genau die richtige Menge an Rauch und Campbeltown Funk.
Mund: Leicht zitrusfruchtig, etwas Pfeffer, ein paar Bleistiftspäne. Dahinter, diesmal ganz mild, der Campbeltownfunk. Rauch ist kaum noch vorhanden. Er ist relativ weich und für einen Campbeltowner vielleicht ein wenig zu rund.
Abgang: Die Küste ist zurück, zusammen mit etwas Ingwer und auch wieder Zitrone. Recht frisch und hellfruchtig. Ein leicht metallischer Touch, etwas Getreidekaffee.
Fazit: Absolut in Ordnung für das Preissegment. Von den Campbeltown Lochs hatte ich allerdings schon viel bessere und vor allem interessantere. 84/100
Hohe Standards
Es macht noch immer viel Spaß mit den Single Malts aus Campbeltown. Heute haben mich die Standards mal wieder am meisten überzeugt. Damit will ich aber den „besonderen“ Abfüllungen nicht die Berechtigung absprechen. Manchmal frag ich mich auch, ob ich hier nicht teilweise überkritisch war. Aber der subjektive Eindruck ist eben wie er ist.
Mehr zu: Blends und Blended Malt, Glen Scotia, Glengyle, Springbank, Campbeltowning (4)
Bilder: Titel: Campbeltown, view-from the ocean bright daylight, sun is shining, style of Rubens by DALL·E, Flaschen: Eigene Anfertigung und freundliche Überlassung der Whiskybase
Samples: Eigene Flaschen und privat gekauft
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