90er Jahre Party
Dieses Mal zieht es mich in die 90er. Eine spannende und richtungsweisende Zeit für die schottische Whiskyindustrie. Hatte man doch die Krise der 1980er Jahre ganz gut überwunden, was sich nicht nur in der Steigerung der gesamten Produktionsmengen widerspiegelte, sondern auch in der gleichzeitigen Erschließung neuer Märkte, wobei man von der globalen Reichweite, wie sie der 1997 neu entstandene Getränkeriese Diageo besaß, profitierte. Projekte, wie die Renovierung Ardbegs erregten Aufsehen, doch noch hatte bei weitem nicht jeder die Zeichen der Zeit erkannt und so kam es zum Verlust von Instanzen wie Littlemill und Rosebank oder aber auch zur zwischenzeitlichen Schließung von Glendronach.
Imperial 1995 MBl – Cask 20
Refill Hogshead 10.1995 bis 03.2022 / 47,8%Vol. / Link zur Whiskybase
Imperial gehört zu den Brennereien, welche die Jahrtausendwende nicht mehr erlebten, in 1998 wurde sie aufgegeben. Meadowside Blending konnte zuvor noch (mindestens) drei Fässer abgreifen und innerhalb der Maltman-Serie abfüllen. In Fass Nummer 20 war nach 26 Jahren noch genug übrig, um 197 Flaschen zu füllen.
Nose: Guter Refill-Einfluss, cremig und nussig mit einer angenehm fruchtigen Säure á la Ananas. Wachsig ist er, zwar nicht so stark wie andere 1995er Imperial, vielmehr moderat und nachhaltig. Orange und Apfelringe, sowohl in getrockneter Form, als auch die gezuckerten von Haribo, werden mit Zimt und anderen feinen Gewürzen berieselt. (89)
Taste: Trocken, schokoladig und würzig setzt sich das polierte Eichenholz in Szene, mit einigem an Tanninen im Gepäck. Die Orange und ein paar andere säuerliche Früchte legen einen spritzig-herben Auftritt hin. Gerstenmalz, Gras, Ingwer und Alkohol schließen eine kräftige, aber insgesamt holprige Performance ab. (84)
Finish: Hier gefallen mir die Tannine vom Eichenholz deutlich besser, gut integrierte Nuancen von Kakao, Erde und Schießpulver. Reichlich Nüsse, Gewürze und Gras führen eine angeregte Unterhaltung. Frucht findet sich nur in wohlakzentuierten Nuancen, mehr braucht es gar nicht. Eine Wachsschicht legt sich drauf. (88)
Fazit: Mit Wasser wird er wesentlich schokoladiger. Und Wasser braucht er, spätestens beim Trinken, sonst wird es, wie gesagt, ziemlich holprig. Das konnte ich jetzt schon bei mehreren Imperial beobachten. Easy drinking geht anders. Andererseits zeigt das Eichenholz streckenweise, dass es auch ganz anders kann. Weirde Komplexness.
Ben Nevis 1997 EVWC – Cask 143
Refill Sherry Butt 02.1997 bis 02.2023 / 49,7%Vol. / Link zur Whiskybase
Mitte der 1990er hatte Ben Nevis wohl richtig guten Stoff hergestellt, den die Abfüllungen aus dieser Zeit werden ziemlich gehypt. Die East Village Whisky Company hat also alles richtig gemacht, denn aus einem Refill Sherry Butt haben sie nach 26 Jahren Reifezeit ganze 490 Flaschen herausbekommen.
Nose: Von Beginn an fruchtig, ganz klar die Handschrift vom Sherry. Das Destillat hat aber auch malzige, wachsige und spritzig-mineralische Einflüsse zu bieten. Im Obstkorb tummeln sich Ananas, Apfel und Mandarine durchwirkt von Nüssen, Leder und Ruß. Pflaume, Zimt und Schokolade vollenden ein wunderbares Dessert. (89)
Taste: Schokolade, Maracuja und Bienenwachs explodieren im Mund. Gerstenmalz und Tabak haben Eichenholz eingeladen, eine prickelnde, herbe Wolke aus Tanninen und Zündhölzern. Aufgrund von Nussnougat und dem Sherry wird es nochmal süß. (91)
Finish: Sherry kann den Schwefel gerade noch im Zaum halten, es bleibt im Bereich des Schmackhaften. Ziemlich viele Nüsse zwischen den Trockenfrüchten, es wird fast salzig. Die Eiche hat sich gefangen, sanfte Gewürze umspielen die rauchige Tabaknote. (89)
Fazit: In der Nase komplex, aber beinahe ein bisschen langweilig. Der Sherry kommt etwas billig rüber. Auf der Zunge wird es spannend, hervorragende Aromenkompositionen warten auf einen. Im Nachklang immer noch lecker, aber ein wenig zu fehlerbehaftet.
Glendronach 1995 – Cask 3054
Pedro Ximénez Puncheon 09.06.1995 bis 09.2017 / 48,9%Vol. / Link zur Whiskybase
Als Glendronach 1996 eingemottet wurde, war die Zukunft der Brennerei noch ungewiss. Dieser Whisky wurde einige Monate zuvor gebrannt. So ein Puncheon ist recht groß, auf insgesamt 661 Flaschen durfte sich der französische Markt freuen, für den dieses Fass abgefüllt worden war.
Nose: Der PX ist sehr präsent, macht den Dram süß und schwer, ein paar Krümel Dinkelkeks sind in den Sherry geplumpst. Auch der Fruchtsektor ist aktiv, es finden sich getrockneten Aprikosen, rot-schwarzes Beerenkompott mit Kirschen und wundervolle Maracuja in Kaffeeschokolade. In Ansätzen wird es fleischig, mit feiner Eichenholzwürze. (90)
Taste: Gewürze und Eichenholz werden in Karamell konserviert. Säuerliche Maracuja und Aprikose, sowie süße Rosinen und Backpflaumen entsteigen dem Sherry. In dieser Umgebung gedeihen Paranüsse und außerdem ölig-fleischige Lederpolitur. (90)
Finish: Zarte Wachsplättchen kleben an dem würzigen Eichenholz. Es bleibt schwer, fleischig und süßlich, aber auch leicht schießpulvrig. Die Maracuja ist hier ebenfalls am Werk. (90)
Fazit: Ich hätte nie erwartet, dass da so viel Maracuja drinsteckt. Der PX macht seine Sache ziemlich gut, er erschlägt nicht und ist deutlich vielschichtiger, als man das von einer PX-Reifung gewohnt ist. Einfach mal ’ne Stunde atmen lassen.
Bruichladdich 1990 / 27 Jahre – Rare Cask Series
17 Jahre in Bourbon Casks, 10 Jahre in französischer Eiche bis 07.12.2017 / 49,5%Vol. / Link zur Whiskybase
Auch Bruichladdich wurde 1995 stillgelegt. Kurz zuvor noch hatte es einen Besitzerwechsel erlebt und erst ein weiterer Besitzerwechsel nach der Jahrtausendwende konnte dieser ikonischen Brennerei neues Leben einhauchen. Einige 1990er Destillate landeten nach 17 Jahren für weitere 10 Jahre in ehemaligen Rotweinfässern. Die Batchgröße beträgt immerhin 12.000 Flaschen.
Nose: Eine zähe, rote Wand aus Beerensirup und Karamell dominiert die Anfangsminuten. Der Whisky ist erkennbar alt und gereift, allerdings vom französischen Eichenfass bis zur Unkenntlichkeit überlagert. Lediglich ein dezenter Rauchnebel verweist auf Islay. Mit der Zeit macht er ein bisschen auf: Tabak, Tannennadeln und komplexe Gewürze auf Halbbitterschokolade. (87)
Taste: Die ganze Pracht von 27 Jahren Eiche! Ausgeprägte Gewürze und Tannine stellen das Alter dieses Drams eindrucksvoll zur Schau. Der Charakter stellt sich erdig, ledrig dar, mit Karamell und Nuss. Beeren, Kirschen und Pflaume wirken jetzt fast ausschließlich im Hintergrund, sie sind weniger süß, dafür mehr säurebetont. (87)
Finish: Bislang nur in Nuancen, jetzt deutlicher: angenehmer Schwefel. Leicht trockenes Eichenholz, lebendige Gewürze und zarte Bitterstoffe regen den Speichelfluss an. Kupfer, Karamell und Haselnüsse schlagen in die selbe Kerbe – da muss ein zweiter Schluck her! Gemahlener Zimt on Top. (88)
Fazit: Könnte auch ein Likör sein, zumindest in der Nase, so fruchtig-süß und rund wie der ist. Auf der Zunge wird er ein klein wenig scharf und ihm fehlt trotz der Vielschichtigkeit das gewisse Etwas. Gute Momente, aber nur selten wirklich stimmig. Als Gesamtpaket nicht uninteressant und recht schmackhaft.
Talisker 1993 HB
1st Fill Sherry Butt 12.1993 bis 01.2021 / 50,5%Vol. / Link zur Whiskybase
Durch seine Stellung in der Classic Malts Selection hatte Talisker einen sicheren Hafen gefunden, es wurde fleißig investiert, in 1988 wurde das Besucherzentrum eröffnet, in 1998 erhielt die Brennerei eine neue Mash Tun und fünf Worm Tubs. Hier ein 27 jähriges Einzelfass aus dem Hause der Hart Brothers.
Nose: Eine Komposition aus pfeffrigem Rauch, voluminösem Sherry und reichlich Salz bereitet ein warmes Willkommen. Aromatisches Holz und gesalzene Haselnüsse baden in weißem Kandis. In Ansätzen wird es rußig und kräuterig, bevor ein Klecks Blütenhonig an Banane und Orange weiterleitet. (89)
Taste: Ja, der pfeffrige Chilicatch von Talisker ist vorhanden und fügt sich gut ein in Asche, Salz und Sherry. Viel Salz, in der Tat, und auch etwas Ruß. Der Sherry ist mäßig nussig, leicht fruchtig und etwas fleischig und hervorragend auf die Eigenheiten des Insel-Destillats abgestimmt. Kristalliner Blütenhonig ist auf der Pirsch. (90)
Finish: Angekohltes Eichenholz aus der erkaltenden Lagerfeuerasche wird in einen Bottich voller Meersalz geworfen. Unterstützt von Kakaopulver macht sich eine erdige Stimmung breit, welche zwar Raum lässt für Süße und Haselnüsse, jedoch nur kaum für Frucht. Dennoch ein ausgewogener Abschluss. (89)
Fazit: Von einem erstbefüllten Sherryfass hatte ich einen kräftigeren Einfluss erwartet. Aber es ist das Destillat, welches sich als stärker erweist und darüber bin ich wirklich nicht böse, denn so wird ein komplexes, ausbalanciertes Teil draus.
Laphroaig 1998 TWEx – Cask 117
Seit 2010 im Oloroso Cask bis 2019 / 54,4%Vol. / Link zur Whiskybase
Marketingtechnisch war Laphroaig in den 90ern am Puls der Zeit, wie die Gründung der Friends of Laphroaig bewies. Doch auch sonst hatte man viel richtig gemacht, schließlich musste man seit der Eröffnung in 1815 nie den Betrieb schließen. Mit dem folgenden 21-jährigen Laphroaig zeigt The Whisky Exchange, dass es nicht nur als Onlineshop sondern auch als Abfüller erfolgreich sein kann. Output = 322 Flaschen.
Nose: Geräucherte Zitronenscheiben werden mit gesalzenem Karamell bestrichen, in nussigen Sherry getaucht und dann in Ascheflocken gewendet. Ölig-fleischige Akzente machen diesen Whisky zum perfekten Begleiter für einen sommerlichen BBQ. Ein Würstchen ist vom Grillrost in die Holzkohle gerollt, Aprikosenmarmelade auf die heißen Stein am Feuer getropft. (91)
Taste: Aprikosen, Pflaumen, Papaya und andere Früchte aus dem Smoker zergehen auf der Zunge. Eine Masse aus dickem Blütenhonig, Asche, Salz und Ruß manifestiert sich. Tabak und Zitronen wälzen sich auf trockenen Nadelwaldboden. (90)
Finish: Keine Spur zu bitter. Erde, Eiche und Schießpulver versprühen Gewürze und Tannine. Salz und Honig wecken reiche Erinnerungen an die geräucherten Früchte. Der Rauch ist sehr weich und zurückgenommen und birgt Reflektionen von Kupfer. (91)
Fazit: Die einzelnen Komponenten sind hier schon extrem gut miteinander verwoben. Ein dichter Aromenteppich quasi, der nie endet. So habe ich Laphroaig noch nie erlebt, gefällt mir!
Alles in allem eine formidable Setlist, kann man wirklich so sagen. Selbst der vergleichsweise etwas schwächere Opener und zwischendrin der übertünchte Bruichladdich waren immerhin noch überdurchschnittlich. Einzig das Preisgefüge dieser Party hat eine ziemlich ernüchternde Wirkung.
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Samples privat gekauft | Bilder mit freundlicher Genehmigung der Whiskybase
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