Drei Rotkehlchen
Drei Vögelchen sind mir zugeflogen. Den ganzen weiten Weg aus Irland. Die Marke Redbreast wurde wahrscheinlich einige Jahre vor 1912 von Gilbey’s, einem Spirituosenhändler aus Dublin, eingeführt und auch heute noch ist Redbreast ein überaus erfolgreicher Vertreter irischen Whiskeys. Mittlerweile allerdings unter dem Dach von Pernod Ricard. Redbreast ist ein Single Pot Still Whiskey, der aus gemälzter und ungemälzter Gerste hergestellt wird. Gebrannt wird er in der New Midleton Distillery, um zwar dreifach.
Redbreast 12 Jahre Cask Strength – Batch B1/21
Bourbon & Sherry Casks bis 02.03.2021 / 56,3%Vol. / Link zur Whiskybase
Neben dem 12-jährigen Standard in Trinkstärke gibt es seit 2011 alljährlich eine ebenfalls 12-jährige Version in Fassstärke. Meistens sind die Batches eine Mischung aus Bourbon- und Sherry-Fässern. Hier die Abfüllung aus 2021.
Nose: Nach einem Schluck Frühstückskaffee gibt der Bourbon den Ton an: Bienenwaben und Zuckerwatte wandeln sich ganz langsam in helle Früchte, einheimisch wie tropisch. Mit roten Beeren geht es wieder zurück zum Sherry. Insgesamt cremig und schwer, Holzstaub fliegt durch die Luft. (88)
Taste: Schwer, gleichzeitig weich auf der Zunge. Neben dem flüssigen Bienenhonig sind erneut der Kaffee und der Eichenholzstaub vorne mit dabei. Nüsse und Gewürze leiten über zu Apfel, Pfirsich und Dattel. (86)
Finish: Warm und aromatisch gleitet der Honig – äh – Whiskey hinab. Kakao und poliertes Eichenholz bleiben einem lange erhalten. Die Kombination aus Nuss, Wachs und Gras gefällt mir sehr gut. (87)
Fazit: Der Bourboneinfluss ist für meinen Geschmack eine Spur too much, zwischendurch geht der Sherry da glatt unter. Tatsächlich hatte ich mir mehr Obst erhofft, das kam etwas zu kurz. Trotzdem ein toller 12-Jähriger, den kann man sich merken.
Redbreast 12 Jahre Cask Strength – Batch B1/22
Bourbon & Sherry Casks bis 02.08.2022 / 58,1%Vol. / Link zur Whiskybase
Zur Gegenüberstellung dient das Nachfolge-Batch aus 2022. Ob das Verhältnis zwischen Bourbon- und Sherry-Fässern ähnlich ist, konnte ich nicht herausfinden, aber vielleicht lässt sich das ja herausschmecken.
Nose: Milchkaffee, würziges Karamell und Buchenscheite in einer einnehmenden Wolke aus Keksen. Bienenwachs gibt sich nur zögerlich zu erkennen, rotblaue Beeren und süße Zitrusfrüchte klammern sich daran. Bananencreme und – schwer greifbar – Anklänge von Fleisch- und Gemüsebrühe. (85)
Taste: Wieder dieses Gefühl von Schwere, Melasse, auf der Zunge. Verbrannter Haselnusssirup und Honig unterstützen dies. Würziges Eichenholz liefert Tannine, cremigen Kaffee und zerbröselte Butterkekse. Der Alkohol kommt schlecht integriert rüber, der Dram wirkt dadurch deutlich jünger als er ist. Der Sherry ist zwar fruchtig, aber auch künstlich. (81)
Finish: Er fängt sich wieder halbwegs. Die teigigen Kekse lassen nicht los. Intensive, geschwefelte Eichenholznoten schmücken mit frisch gerösteten Kaffeebohnen und Nüssen. Bienenwaben erleben ein Comeback. (82)
Fazit: Der braucht Wasser wie ’ne worm tub. Kein Vergleich zum Vorjahresbatch: viel mehr Sherry (das günstige Sherryderivat halt), trotzdem/dadurch weniger „echte“ Frucht, zu viel Alkohol, kleinere Fehlnoten und insgesamt eindimensionaler.
Redbreast 1991 – Cask 82861
26 Jahre im Sherry Cask bis 2018 / 53,9%Vol. / Link zur Whiskybase
Zum Abschluss noch ein Schmankerl, ein altes Einzelfass nämlich, abgefüllt die Temple Bar (in Dublin vermute ich). 618 Flaschen in Fassstärke sind ein ordentlicher Output.
Nose: Cassis und Brombeeren gehen auf, wie die Sonne: Erst zart, dann mutiger bis irgendwann das ganze Firmament erhellt wird. Kirschen! Ehe man sich versieht, hat Maracuja gelb reingekleckst. Die Früchte sind unvergleichlich frisch und belebend säuerlich. Wabenhonig, Nüsse und sanft eingebettetes, würziges Eichenholz können Abwechslung bieten (nicht, dass sie nötig wäre). (91)
Taste: Die Früchte machen da weiter, wo sie nie aufgehört haben. Neben Maracuja und Cassis sticht insbesondere auch Mango hervor, alles mit der gewohnt lebendigen Säure. Die Gewürze geben sich nicht minder agil, die samtige Eiche wird außerdem von aromatischem Tabak begleitet. Vom Mundgefühl her werde ich an schmelzende Schokolade, Rinderbrühe und Leder erinnert. (92)
Finish: Tadellos. Das Eichenholz wirkt nie schräg oder falsch dosiert, die Früchte halten weiterhin Kurs und die Gewürze entfalten sich wie gehabt. Kakaopulver und fleischige Akzente folgen der Marschrichtung. (91)
Fazit: Da ist sie, die berühmte, vielbesungene irische Fruchtigkeit. In voller Pracht trägt sie diesen Whiskey unbeirrbar und behände auf virtuosen Pfaden gen Legendenstatus.
Auf jeden Fall eine beachtenswerte Alternative zu schottischem Single Malt. Single Pot Still Whiskeys aus Irland gibt es zwar nicht viele, denn bei den meisten Whiskeys von der grünen Insel handelt es sich um Blended Whiskeys, aber ich kann mir vorstellen, dass die Auswahl in den kommenden Jahren größer wird. Eventuell teste ich auch mal Red Spot und Co. aus.
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Samples privat gekauft | Bilder mit freundlicher Genehmigung der Whiskybase
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