Altes Zeugs IV
Die folgenden fünf Whiskys haben zusammengerechnet insgesamt 170 Jahre in ihren Fässern verbracht, es handelt sich also wahrlich um altes Zeugs. Eine kleine Whiskyreise von den Highlands in die Lowlands, durch die Speyside bis auf die Insel Islay. Das kann ja nur gut gehen.
Invergordon 1972 DD
43 Jahre im Eichenfass bis 2016 / 49,4%Vol. / Link zur Whiskybase
Ein alter Single Grain als Einzelfass und in Fassstärke. Der unabhängige Abfüller Nectar of the Daily Dram hat uns diesen beschert.
Nose: Holla! Ist das ’ne Nuss! Eine Kokosnuss, um genauer zu sein. Eine sanfte Grainnote ist mit der Nuss und dem samtwürzenen Eichenholz kunstvoll verwoben. Nektarine, Banane und Papaya machen das Erlebnis fruchtig, gelb und cremig zugleich. Honig leitet über zu vollen, warmen Aromen von Apfel, Orange sowie Pflaumenlikör. (88)
Taste: Mehr Banane als Kokosnuss, mehr würziger Grain als Eichenholz. Einige Tannine tanzen zwischen Zimt und zarten Früchten. Bourbon hat seine Spuren hinterlassen, besonders in Gestalt von Vanille und Karamell. Er wirkt jetzt dünner und recht einfach, insgesamt unfertig, fast schon jugendlich. (84)
Finish: Die Kokosnuss wird von Haselnüssen unterstützt. Das alte Eichenholz und der Pflaumenlikör vermitteln das Gefühl, eher einen Armagnac im Glas zu haben. Banane, gelbe Himbeeren und Nektarine verbreiten erneut Sonnenschein. Zuckersirup und Kakao in feinen Dosen. (86)
Fazit: Hinterlässt gemischte Gefühle. Die ernüchternden Untiefen im Mittelteil hätte es nicht gebraucht. Doch trotz des zwischenzeitlichen Durchhängers bleibt aber wärmende, wohlige Zufriedenheit und die Erkenntnis, grad was leckeres probiert zu haben.
Littlemill 1988 TWA
24 Jahre im Refill Bourbon Hogshead bis 2013 / 50,3%Vol. / Link zur Whiskybase
The Whisky Agency ist ein Abfüller aus Limburg, der bereits eine Vielzahl an Littlemill herausgebracht hat. Hier ergab ein einzelnes Hogshead noch 309 Flaschen in Fassstärke.
Nose: Ausufernde Biskuitaromen, durchsetzt mit Nougatkristallen, dominieren. Nur langsam finden Honig und grüne Töne einen Weg daran vorbei. Einige Wassertropfen befreien fruchtige Marillenknödel, Schokolade und Bienenwachs. Das Eichenholz ist alt und angereichert mit gemahlenem Zimt. (87)
Taste: Hier kommt die Littlemill-DNA deutlicher heraus. Wesentlich grasiger, die Früchte sind grüner und oranger mit eindrücklichen Säurenoten (hat was von Ahoi-Brause mit Geschmacksrichtung Orange). Würziges Gerstenmalz und Mineralien verleihen ein schmeichelndes Mundgefühl. Kandierter Ingwer sowie Honig fügen einen höchst ansprechenden Twist hinzu. (87)
Finish: Beim Schlucken ein kurzer Touch von Obstler, aber dann übernehmen wieder die grünlichen Früchte. Leicht säuerlich und mineralisch, endlich finde ich auch meine ersehnten Littlemill-Mandeln. Das Eichenholz ist zwar samtig, hat aber auch müde, herbe Anteile. (86)
Fazit: Ein typisches Einzelfass aus dieser Ära von Littlemill. Leider vermisse ich ein bisschen die Konstanz, die einzelnen Schichten wollen nicht so recht zueinander passen. Wasser kann helfen und ein zweiter Schluck, um sich besser auf ihn einstellen zu können.
Glenfarclas 1977 Family Cask 7260
4th Fill Hogshead bis 02.11.2017 / 45,3%Vol. / Link zur Whiskybase
Das 2017er Winterbatch der Family Casks umfasst 24 verschiedene Einzelfässer aus den Jahrgängen 1977 bis 2002. Im folgenden die älteste Abfüllung, die knapp 40 Jahre alt sein dürfte. 182 Flaschen ergab das Hogshead.
Nose: Besser kann Bienenwachs kaum werden, sehr aromatisch und likörartig. In den Honigwaben schlummern reife Tropenfrüchte, außerdem Apfel und Orange. Lebhafte Milchschokolade verbündet sich mit würziger Zeder und Eichenholz. Am Nachbartisch wird eine Zigarrenkiste geöffnet. (91)
Taste: Die Früchte sind überraschend gelb und säuerlich, hauptsächlich Maracuja und Banane toben sich aus. Raues Eichenholz und Gerstenmalz werden von Pfeffer und Ingwer flankiert. Tabak und Walnüsse vereinen sich mit Honig. (90)
Finish: Trockenes Eichenholz wird von frisch geschnittenem Tabak angefeuchtet. Eine Tafel Schokolade wird mit gemahlener Nelke und Zimt bestäubt, sodann mit Kakaopulver, Pfeffer und Salz garniert. Orange und Maracuja jonglieren mit Haselnüssen. (92)
Fazit: Am Gaumen versucht sich die Eiche mal kurz an einem Alleingang, bevor sie merkt, dass es sich nicht um ein Solostück handelt. Abgesehen davon greifen die Aromen aufgrund ihres hohen Reifegrades wunderbar ineinander.
Strathisla 1969 JW Auld Distillers Collection
34 Jahre im Eichenfass / 56,3%Vol. / Link zur Whiskybase
Für diesen alten Strathisla zeichnet sich Jack Wiebers Whisky World verantwortlich. Nach 34 Jahren konnte man dem Fass, der Farbe des Whiskys nach ein Sherryfass, noch 170 Flaschen abgewinnen.
Nose: Öliger Sherry verbindet Pflaumenkompott mit Haselnüssen und einem Klecks Butter. Mit der Zeit kommen auch Feigen und Datteln, getrocknet versteht sich. Antike Holzmöbel werden mit Salz und würzigem Maggikraut behandelt. Kirschsorbet mit Heidelbeeren und Muscheln – eine funky Mischung. (93)
Taste: Das Eichenholz ist trocken und hat großen Einfluss, ist aber keinen Moment unangenehm. Die Gewürze sind verstaubt, der Sherry salzig und fruchtig. Kirschen vertragen sich gut mit Zartbitterschokolade und Tabak. Das Mundgefühl ist klar, ölig und schwer. Nougat und Austern führen in Versuchung. (92)
Finish: Die Holznoten werden dreckiger, obgleich immer noch ausbalanciert. Gewürze und Trockenheit halten die Waage mit öligem Sherry und schokoladigem Nougat. Leicht rauchiger Tabak verharrt. Salzige Zwetschgenmarmelade mit Zimt und Erdbeere, später noch ein bisschen harziger Waldhonig. (93)
Fazit: Ganz hohes Niveau, mit jedem Schluck offenbaren sich neue Facetten. Das Fass hat hervorragende Arbeit geleistet, wertiger Sherry und Pralinen… nix zwickt, außer der Kaufreflex. Wo krieg ich jetzt eine ganze Flasche davon her?
Laphroaig 1990 MoS – Cask 21004
30 Jahre im Bourbon Hogshead bis 2021 / 52,3%Vol. / Link zur Whiskybase
Und noch ein deutscher Abfüller, diesmal Malts of Scotland aus Paderborn. Für das 30-jährige Gründungsjubiläum eines Whisky-Clubs füllte dieser 212 Flaschen eines ebenso alten Laphroaigs ab.
Nose: Das beste vom Grill: Asche im BBQ-Style, Holzkohle und Ruß sowie in Honig gebackene Banane. Herbstlaub, Salzkristalle und Karamellblöcke werden mit Zitronensaft bespritzt. Das typisch medizinische von Laphi finde ich perfekt dosiert, also eher dezent. Zimt und Bienenwachs bleiben ähnlich sanft. Später werde ich von Sojasauce überrascht. (89)
Taste: Selbst nach 30 Jahren hat der Rauch noch eine ordentliche Kraft, rußig und aschig ist er außerdem. Die Eiche wirkt altehrwürdig und würzig, aber auch ein wenig trocken. Salz und Diesel bringen Frische in den Mix. Nougat verträgt sich gut mit den gelben, tropisch angehauchten Früchten, wie Maracuja und Zitrone. (89)
Finish: Vergleichsweise zahm, flauschige Aschewolken ziehen den Vorhang zu. Das medizinische kommt jetzt durch, Iod und erdige Pflaster. Ansonsten geben Eichennoten den Ton an, insbesondere Kakao und Gewürze. Lediglich das Salz und die Zitronen dringen da noch durch. (87)
Fazit: Alte Laphis können im Prinzip immer abliefern, so auch dieser hier. Kein Feuerwerk an Eindrücken, aber gesetzt und mit liebevoll ausgearbeiteten Details.
Auffällig ist, dass bei allen fünf Abfüllungen der Holzeinfluss trotz der langen Reifezeit nie Überhand nimmt oder gar störend wirkt. Und bei allen fünf erhöht die Vorbewohner der Fässer, egal ob Bourbon oder Sherry, die Komplexität des Whiskys, ohne den Brennereicharakter ins Unkenntliche zu übertünchen, wie es bei modernen Abfüllungen leider oft der Fall ist. Heißt für mich, Qualität und Handwerkskunst sind aufeinander getroffen.
Mehr zu: Glenfarclas, Invergordon, Laphroaig, Littlemill, Strathisla
Samples privat gekauft | Bilder mit freundlicher Genehmigung der Whiskybase
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