Newcomer (B)

Viele junge bis sehr junge Brennereien drängen mit ihren Produkten auf den Markt. Das freut den geneigten Genießer erst einmal, denn Konkurrenz belebt bekanntermaßen das Geschäft. Und wenn neue Zielgruppen erschlossen, neue Standards in Sachen Nachhaltigkeit gesetzt und neue Technologien eingesetzt werden wollen, entstehen (hoffentlich) neue, charaktervolle Profile, die entdeckt werden wollen. Und die können ja nur gut sein (hoffentlich). Schließlich sollen sich die etablierten Konzerne nicht auf ihrem Status Quo und verwässernden Releases ausruhen.

Eine Flasche vom ersten offiziellen Single Malt von Lochlea.

Lochlea First Release

1st Fill Bourbon & PX Casks bis 2021 / 46,0%Vol. / Link zur Whiskybase

Lochlea ist eine Farm in den Lowlands, 222 Hektar Land gehört dazu. Als dann nach vier Jahren Planung und Bau in 2018 die Produktion startete, war klar, dass ausschließlich Gerste aus eigenem Anbau verwendet wird. Auch in anderen Bereichen wird auf Regionalität, Nachhaltigkeit und Unabhängigkeit gesetzt. Der erste Dreijährige durfte in 7.385 Flaschen ausreisen.

Nose: Frisches Eichenholz und auch der klebrig-süße PX hat schon ordentlich Spuren hinterlassen. Honig fungiert als Bindeglied zwischen den Früchten des Sherrys und des Bourbon; neben vergorenen Äpfel und Birnen tun sich auch einige Bananen auf. Das Holz wird würziger und von Kokosraspeln ergänzt. (79)

Taste: Viel Banane, diese schaumige Creme in Schokobananen. Das Eichenholz ist relativ nichtssagend, die Würze kommt hier eher vom Gerstenmalz und bitteren Walnüssen. Zusammen mit Karamell gestaltet der PX diesen Dram ziemlich pappig. Alkohol und Jugend stechen heraus. (75)

Finish: Der Alkohol wärmt und leitet über zu Eiche, Malz und Gewürzen. Metall und grüne Vegetation betonen das geringe Entwicklungsstadium dieses Malts. Der Sherry klebt nochmal alles zusammen, auch die Bananen. (77)

Fazit: Fertig ist hier noch lange nix. Der süße Traubenmost, der irgendeinem Gesetz nach als Pedro Ximénez bezeichnet werden darf, kann die Bitterkeit an vielen Stellen nicht überdecken. Vom Destillat selbst kommt außer Alkohol und Metall recht wenig. Einzig die Bourbonfässer machen einen halbwegs bemühten Eindruck.

Eine Flasche Nc'nean, in der charakteristischen Flaschenform mit der fröhlichen Kräutermuster darauf.

Nc’nean Organic Batch 10

65% STR Red Wine & 35% Bourbon Casks 05.2018 bis 08.2021 / 46,0%Vol. / Link zur Whiskybase

Die in den westlichen Highlands gelegene Brennerei Nc’nean ist auch so ein spannendes Projekt in Sachen umweltbewusster Whiskyherstellung. Auch bei den Hefestämmen, die den Malzzucker in Alkohol umwandeln sollen, zeigt man sich experimentierfreudig. Beim zehnten Batch setzt man auf die bewährte Fassauswahl, der Großteil stammt aus wiederaufbereiteten Rotweinfässern (shaved – toasted – recharred). Das erste Release aus 2020 hatte mir gut gefallen, mal sehen, ob das Niveau gehalten wird.

Nose: Unaufgeregt mit einem lieblichen Mix aus Vanille, Eiche und feinem Rotwein. Wird von samtiger Würze getragen, während sich Bananen und grüne Äpfel herausschälen. Sämiger Lindenblütenhonig und gesalzenes Karamell begrüßen einen nach etwas Wartezeit. (84)

Taste: Zuerst Schokobanane, dann Ingwer. Insgesamt haben das Eichenholz und die Gewürze bereits einen recht hohen Anteil am Auftritt. Der Rotwein macht mit sanfter Säure auf sich aufmerksam. Gerstenmalz und Nüsse äußern sich nur zurückhaltend. (82)

Finish: Die Säure nimmt eingangs etwas zu viel Raum ein. Das Eichenholz ist eher trocken mit staubigen Gewürzen, Kakao und einigen Haselnüssen. Nach einer Minute ist der Blütenhonig wieder da. (83)

Fazit: Hatte ich besser in Erinnerung, nicht so jung und mit weniger Tanninen, dafür mit mehr Frucht. Vielleicht war die Qualität der Fässer nicht so gut. Die Batches werden langsam aber sicher immer älter, ich werde in 2027 nochmal vorbeischauen.

Eine Flasche Daftmill aus dem Hause Cuthbert, um zwar eine Einzelfassabfüllung mit mächtigen 60,7% Volumenalkohol.

Daftmill 2009 Cask 024/2009

11 Jahre im 1st Fill Oloroso Butt von 07.07.2009 bis 2021 / 60,7%Vol. / Link zur Whiskybase

Noch eine Farmbrennerei aus den Lowlands, die Lizenz erhielt man in 2005, damit hat man einen Vorsprung im Segment der „Neuen“. Ein Teil der Ernte wird für die Whiskyproduktion genutzt, welche nur in den Sommer- und Wintermonaten stattfindet. Entsprechend gering fällt die Produktionsmenge aus. Mit der ersten Abfüllung wartete man über 12 Jahre, erst seit 2018 ist Daftmill im Handel erhältlich. Eine Strategie, die voll aufging, denn die Fans waren und sind immer noch bereit, verhältnismäßig viel Geld für einen immerhin ausgereiften Whisky auszugeben. Hier ein Einzelfass, 627 Flaschen wurden für den deutschen Markt abgefüllt.

Nose: Ein sehr klarer Oloroso-Flair – nussig und trockenfruchtig, so macht 1st Fill Spaß! Pflaume und Blutorange, Kirsche und Cassis steigen aromatisch aus dem Glas. Stark vertreten sind auch die Eiche und Biskuit. Später leicht blumig mit Tannennadeln, Stroh und Mandeln. Mit Wasser wird er nochmal ein Stück reifer, würziger mit wundervollem Wachs. (89)

Taste: Sehr würzig, das Ganze. Eiche, Nelke, Gerstenmalz und Tannenzweige… Nüsse natürlich, vom Oloroso. Welcher hier übrigens „nur“ eine Nebenrolle einnimmt. Cassis & Co. sind durchaus noch anwesend, aber mehr ins Gewicht fallen da das Wachs, der ledrige Tabak und der erdige Kakao. Hat jemand ‘Sojasauce’ gesagt? (88)

Finish: Jetzt versucht das Wachs die würzige, fast schon prickelnde Eichenfracht zu umhüllen. Gelingt keineswegs, auch nicht bei den Zündhölzern. Dunkler, fruchtiger Sherry vereint sich mit leckeren Tanninen in einer öligen, salzigen Umgebung. Diverse Nüsse und Lederpolitur wirken lange nach. (88)

Fazit: Wasser definitiv, aber vorsichtig. Schraubt die Bewertung um 1-2 Punkte nach oben. Die Aromen werden zugänglicher, harmonischer und der Alkohol übersteuert nicht so. Ein wuchtiges Single Cask, mehr als ein Dram davon am Abend würde meine Geschmacksnerven überfordern.

Eine Single Cask-Abfüllung von Best Dram: Ein fünfjähriger Annandale in Fassstärke.

Annandale 2015 BD Cask 819

1st Fill Oloroso Sherry Butt 12.2015 bis 04.2021 / 57,2%Vol. / Link zur Whiskybase

Eine gleichnamige Destillerie operierte zuvor für 90 Jahre an derselben Stelle in den Lowlands. Nach langen Vorbereitungen wurden im November 2014 erstmal wieder Brennblasen an diesem Ort beheizt. Man hat sowohl rauchigen, als auch nicht rauchigen Whisky im Portfolio. Der unabhängige Abfüller Best Dram konnte sich einen Teil dieses Olorosofasses sichern und uns zugänglich machen.

Nose: Der Sherry ist qualitativ okay, erst cremig, dann immer fruchtiger mit Pfirsich, Äpfeln und Zitrone; mit ein bisschen gutem Willen ist er als nussiger Oloroso erkennbar. Dann ein funky Kontrast zwischen Met und säuerlicher Tomatenschale in Umami-Style. Später noch Spuren von samtiger Eiche und einem Hauch Schwefel. (83)

Taste: Durch den hohen Alkoholgehalt sehr kraftvoll, die Aromen sind der Nase sehr ähnlich, nur kompakter in Szene gesetzt. Die samtigen Gewürze der Eiche kommen sogar noch ein wenig besser zur Geltung und was vorher Schwefel war ist hier ein erdiger, schmutziger Touch. Harz und Metall zeigen an, dass der Malt noch nicht sooo alt ist. (82)

Finish: Es wird wieder etwas schwefeliger, das Eichenholz versucht den Sherry zu übertrumpfen, mit Erfolg – leider nur für das Holz und nicht für die Harmonie des Ausklanges. Glücklicherweise erscheinen nach einer Minute noch grasiges Wachs sowie würzige, ledrige Nüsse. (81)

Fazit: Für fünf Jahre in Fassstärke ist der Alkohol doch schon echt gut eingebunden. Auch die Sherry-Reifung scheint gelungen, das Destillat wird dadurch halt ein wenig übertüncht. Und unterhaltsam ist er allemal. Nochmal fünf Jahre, dann hoffentlich ohne Schwefel, und ich bin gerne wieder mit einem Dram dabei.

Von Skye, aber nicht von Talisker: Ein Torabhaig!

Torabhaig Allt Gleann Batch 001

1st Fill Bourbon & Refill Whisky Barrels 2017/2018 bis 16.07.2021 / 46,0%Vol. / Link zur Whiskybase

Seit Anfang 2017 operiert eine zweite Brennerei auf der Isle of Skye. Seit 2013 wurden hierfür einige heruntergekommene Farmgebäude aus dem 19. Jahrhundert renoviert und umfunktioniert. Hinter dem Projekt steht Mossburn, ein unabhängiger Abfüller in Besitz des Marussia Getränkekonzerns. Eine weitere Brennerei im Grenzgebiet zu England ist derzeit in Umsetzung. Die vorliegende Abfüllung aus der Legacy-Serie ist heavily peated.

Nose: Tatsächlich recht gefällig und harmonisch. Die gelben Zitrusfrüchte sind leicht, aber bestimmt, in Begleitung von etwas Bienenwachs. Asche und eine große Prise Salz fügen sich gut ein, Spuren von Iod BBQ verleihen Tiefe. Malzige Gewürze matchen mit Banane und Erdbeere. (84)

Taste: Das geht schon mehr in Richtung Rauchbombe, abgesehen von erdiger Asche, verkohltem Holz und salzigem Iod ist da wenig Raum für anderes. Zitrus kämpft sich tapfer durch. Die Gewürze ebenfalls und mit ihnen Tabak. (83)

Finish: Glut und Asche wärmen den Rachen. Das Eichenholz bringt zwar Gewürze, aber leider auch zu viele Bitterstoffe. Salz und Zitrone gestalten den Abschied da schon ausgeglichener. (82)

Fazit: Eine Mischung aus Talisker und Laphroaig, ein Spritzer Port Ellen dazu? Nein, ganz sicher nicht, aber eine erste Duftmarke ist gesetzt. Überzeugen kann er mich definitiv, bin gespannt was in einigen Jahren aus dem Destillat geworden ist.

Ich befürchte, nicht alle neuen Destillerien werden sich mit einem eigenständigen Geschmacksprofil von Mitbewerben abgrenzen können. Das ist auch nicht unbedingt notwendig, wie man in der alteingesessenen schottischen Brennereifamilie sehen kann. Bei Glentauchers, Allt-a-Bhainne, Balmenach & Co. endet ein Großteil der Produktionsmenge in Blends, nur ein Bruchteil wird als Single Malt konsumiert (schade manchmal). Doch gerade die Jungbrennereien ohne großen Geldgeber und Netzwerke im Rücken haben oft (noch) nicht die Möglichkeit, ihre Fässer an die Blendindustrie abzugeben und müssen (bzw. wollen) ihren Whisky zu hundert Prozent als Single Malt veräußern. Da heißt es erfinderisch beim Marketing sein und eine eigene Nische finden. Gutes Storytelling, gelebtes Umweltbewusstsein, (überbrückende) Ginproduktion, Crowdfunding und der Verkauf ganzer Fässer an Privatleute sind probate Mittel. Oder man macht es wie Daftmill. Die Entwicklung in der schottischen Whiskylandschaft erinnert mich jedenfalls ein bisschen an die Craftbeer-Bewegung in den USA.

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Samples privat gekauft | Bilder mit freundlicher Genehmigung der Whiskybase