GD & PX
Spätestens seit den Tagen von Bill Walker ist Glendronach als Lieferant reichhaltiger Sherrybomben bekannt. Doch schon vor der Zeit der Betriebsstilllegung – von März 1996 bis 13. Mai 2002 wurde nicht gebrannt – lag der Fokus beim Reifeprozess der Whiskys auf Sherryfässer. Im Rahmen dieses Beitrag habe ich mir einige Single Casks von Glendronach ausgesucht, welche in Puncheons (ca. 600 Liter große Fässer) reiften, welche vor der Befüllung mit New Make für eine gewisse Zeit Pedro Ximénez enthielten. Gemeint ist damit Süßwein, hergestellt aus der Traubensorte Pedro Ximénez im spanischen Sherrydreieck. Diese Sorte wird auf 3% der zur Sherryproduktion freigegebenen Rebfläche angebaut und ist bei Whiskydestillerien deshalb gern gesehen, weil sie für die bei vielen Whiskytrinkern gefragte dunkle Farbe, Süße und den trockenfruchtigen Geschmack sorgt. Um Missverständnisse zu vermeiden, sei erwähnt, dass die für die Whiskyindustrie verwendeten „Sherryfässer“ in der sehr großen Mehrheit nur für einige Monate bis zu zwei Jahre mit jungem, in der Regel minderwertigem Sherry befüllt werden, welcher nach der Fassbefeuchtung oft zu Essig weiterverarbeitet wird. Dieses Verfahren wird auch „Seasoning“ genannt und hat mit der traditionellen Sherryherstellung nicht mehr viel zu tun, egal ob Glendronach oder eine beliebige andere Whiskybrennerei.
Glendronach 1996 Cask 1479
Pedro Ximénez Sherry Puncheon 16.02.1996 bis 09.2013 / 53,4%Vol. / Link zur Whiskybase
Eine Originalabfüllung, aber abgefüllt für Dram Brothers Whisky Society & Vinothek Massen in Luxemburg, insgesamt 706 Flaschen.
Nose: Dick Sherry. Nicht aufdringlich zwar, aber vorerst ist kaum Raum für anderes als Rosinen, getrocknete Feigen, Dörrpflaume und Datteln. Wartezeit lohnt sich, denn irgendwann kommt das Eichenholz durch und bringt feine Gewürze mit. Neben Honig, Bratapfel und säuerlichen Orangen kann dieser Malt dann außerdem mit einer leicht salzigen Öligkeit punkten. Mit Wasser kommen noch Karamell, rote Johannisbeeren und Kirschen hervor. (89)
Taste: Weich, wie feine Mischung aus flüssigem Karamell und Honig mit roten Beeren und Pflaumen. Schnell stößt würziges Eichenholz hinzu. Mit Vanille aromatisierter Tabak, ledriger Kaffee und dunkle Schokolade verbinden sich zu einer herben, bitteren, salzigen und öligen Textur. Honig, Orangen und Nüsse versetzen nochmal in die Weihnachtszeit zurück. (87)
Finish: Gesalzene Nüsse und Gewürze, erstmals ist der Schwefel deutlich vorhanden. Aber nicht schlimm und rasch verdrängt von Eichenholz, Zartbitterschokolade und altem, nussig-fruchtigem Sherry. Warm und ölig, das erinnert an Möbelpolitur. (87)
Fazit: Was die Nase betrifft, lohnt es sich wirklich, ihm ein bisschen Zeit zu geben. Im Mund jedoch wirkt er pur ein wenig unbalanciert und die Bitterkeit neigt dazu, Überhand zu nehmen, sodass ich die Zugabe von Wasser auf jeden Fall empfehle. Im Nachklang ist es das selbe Bild was den Schwefel betrifft. Tatsächlich habe ich selten so einen Unterschied zwischen pur und gewässert erlebt.
Glendronach 1994 Cask 3213
Pedro Ximénez Sherry Puncheon 25.11.1994 bis 09.2016 / 54,3%Vol. / Link zur Whiskybase
Ein Einzelfass, welches noch 675 Flaschen ergeben hat. Im selben Alterssegment wie der Parliament, aber in Fassstärke und für den deutschen Markt gedacht.
Nose: Der PX geht hier weniger in die Tiefe, hauptsächlich Trockenpflaumen tun sich hervor, mit ein bisschen Warten auch Orangen. Würziger Schokoladenlebkuchen garniert mit einem Hauch Anis – zum Reinbeißen. Leder und ölige Möbelpolitur sind gut integriert, so wie eigentlich alles an diesem Malt. (88)
Taste: Beginnt ölig und weihnachtlich mit intensiven Gewürzen, Schokolade und vielseitiger Marmelade. Geröstetes, trockenes Eichenholz bringt etwas Anis, Tabak und einige Tannine, welche an Espresso erinnern. Wachsige Strukturen harmonisieren gut mit der Süße von Molasse und der Bitterkeit von Orangen. (88)
Finish: Die Eiche mit ihren Weihnachtsgewürzen ist wieder da, mit Tabak als Bonus. Ein wenig Mokka für die Wärme, wachsiger Honig für die Geschmeidigkeit. Einige Sekunden blitzt Schwefel auf, die Frucht von Orange und Marmelade verweilt länger. (88)
Fazit: Dieser Malt wiederum profitiert nicht von der Zugabe von Wasser. Die stellenweise störende Bitterkeit bekommt man damit nicht weg, genauso wenig den Moment von Schwefel. Pur behalten die Gewürze ihren Wumms und das Wachs kann seine Stärken so richtig ausspielen.
Glendronach 1994 Cask 125
Pedro Ximénez Sherry Puncheon 06.05.1994 bis 2018 / 54,0%Vol. / Link zur Whiskybase
Noch eine Abfüllung für Deutschland, 707 Flaschen des 23-jährigen Whiskys wurden auf den Markt gebracht. Von der Farbe her der mit Abstand hellste im Line-Up.
Nose: Fruchtiger, fast schon spritziger Sherry; die Kollegen von Pflaume-Dattel & Co. sind wieder da, auch die Orange, diesmal interessanterweise ergänzt von Banane und frischem Apfel. Würzig und süß ist er auch, verantwortlich dafür sind reiche Aromen nach Honig, Schokolade und Marzipan. (89)
Taste: Trockenobst jeglicher Art wird in reichlich! Gewürzhonig eingetaucht und auf rohen, harzigen Eichenholzbrettern ausgelegt. Zitrusfrüchte kommen gesondert zum Tragen. Die Eiche hat wirklich viel beizusteuern, denn intensive Gewürze, Leder und Nüsse hinterlassen Eindruck. (88)
Finish: Eichenholz breitet sich trocken, nussig und würzig aus, ein grasiger Touch schwingt mit. Karamell und Schokolade sorgen für einen süßen Ausgleich, dieser Part wird auch von Honig übernommen. Abgesehen von getrockneten Aprikosen kaum Frucht. (88)
Fazit: Puh, schwierig zu bewerten. Der Style erinnert mich an das Bunnahabhain-Single Cask Nr. 900078 von van Wees (Link zur Whiskybase), nur halt ohne dem Islay-Fingerabdruck. Der GD Cask 125 verliert diesen Style mit Wasser ein wenig, wird runder und schokoladiger, mit mehr Zitrus und Wachs. Ohne Wasser bewegt sich der Honiggehalt im Unermesslichen und die Eiche hat mehr mitzureden, leider auch die bitteren Komponenten. Ich komme nicht umhin, zu vermuten, dass dies eines der GDs ist, welche Bill Walker nach 2008 von Ex-Bourbon- (oder Plain Oak) in Sherryfässer umgelagert hat.
Glendronach 1993 Cask 7405
Pedro Ximénez Sherry Puncheon 09.07.1993 bis 2019 / 52,9%Vol. / Link zur Whiskybase
Diesen Whisky hat Glendronach für The Whisky Exchange abgefüllt, einem großen Onlineshop für Spirituosen mit Sitz in London. Das Alter dieses Fassstärkewhiskys beträgt 26 Jahre, bei einer Auflage von 716 Flaschen.
Nose: Der PX ist eher verhalten, die Nussschokolade und der erdige Mokka haben da einen fingerbreit mehr Bühnenpräsenz. Das ändert sich, als die getrockneten Pflaumen und Feigen ihren Auftritt haben, eine ölige Würze im Schlepptau. Unterstützt von Eichenholz und Äpfeln ergibt das ein abgestimmtes Gesamtbild, ohne wirklich zu begeistern. (88)
Taste: Ein Wiederspruch aus seidigweichem Karamell und beinahe scharfen Gewürzen, welche mit der Zeit immer mehr auf das hohe Alter des Malts verweisen. Das Eichenholz hat außerdem erdige, ledrige und kakaoartige Ausprägungen im Repertoire. Und der PX? Ganz im fernen Hintergrund einige zaghafte Impulse; die vorhandene Frucht stammt hauptsächlich von einem einzelnen, gelbgrünen Apfel und einer Orange. (87)
Finish: Als erstes fallen die Anklänge von Schwefel und angekohlten Zündhölzern ins Auge. Die samtigen Gewürze vom nussigen Eichenholz und die schokoladig-erdigen Espressonoten stehen gleich hintenan. Vom PX kaum eine Spur, nur Apfel und Leder schauen noch vorbei. (88)
Fazit: Gefällt mir pur am besten, dann kommen die Schwefelelemente nicht so zum Vorschein. Positiv ist das runde Auftreten dieses Glendronachs, für das Alter hätte ich mir aber mehr Komplexität erwartet. Im Vergleich hat der Sherry hier die bisher reifsten, aber auch zurückhaltendsten Einflüsse.
Glendronach 1990 Cask 7905
Pedro Ximénez Sherry Puncheon 25.04.1990 bis 2019 / 51,7%Vol. / Link zur Whiskybase
Mit einer gewissen Regelmäßigkeit bringt die Brennerei ein sogenanntes ‚Batch‘ an Einzelfasswhiskys auf den Markt. Dieser 28-Jährige entstammt dem Batch Nr. 17, 660 Flaschen gab es davon.
Nose: Okay, hier zeigt sich der PX von seiner edelsten Seite, die rot-orangenfarbigen (Trocken-)Früchte sind zu Marmelade eingekocht oder zu Sirup verdickt, je nachdem. Die Kirschen und Feigen sind am prägnantesten, wobei auch die Armagnac-Pflaume zu überzeugen weiß. Eichenholz ist ein ständiger und ruhiger Begleiter, ebenso Karamell und Schokolade. (91)
Taste: Deutlich würziger als in der Nase, das Fassholz hat gute Arbeit geleistet, ist vielleicht sogar etwas über’s Ziel hinausgeschossen. Der Sherry weist einen öligen Charakter auf, die Pflaumen und das andere Trockenobst tummelt sich prächtig darin. Erdige Schokolade und poliertes Leder gehen auf das Konto der samtigen Tannine. (90)
Finish: Schade, schon wieder Schwefel. Der Alkohol ist auch ein klein wenig off, aber immerhin die würzigen und schokoladigen Eichenholzaromen liefern ab. Auch Wal- und Paranüsse sowie die fruchtigen Überbleibsel des PX laden dazu ein, den nächsten Schluck zu nehmen. (88)
Fazit: Großes Kino, was die Aromenkombinationen und -qualität betrifft. Gerade deshalb (und wegen der Kosten für eine Flasche) fällt es nicht leicht, über kleinere Unstimmigkeiten hinwegzusehen.
Glendronach hat das Potential zu Polarisieren. Klar, die Verwendung von Sherryfässern passt wohl ganz gut zu dem Charakter des New Makes; selbst konnte ich noch keinen probieren, aber er wird meines Wissens als schwer und fruchtig bezeichnet. Bill Walkers Schritt, mit Übernahme der Brennerei auch reichlich in neue Sherryfässer zu investieren, scheint sich ausgezahlt zu haben und ich bezweifle stark, dass sich jeder der fünf hier verkosteten Single Casks von Anfang an in einem PX Puncheon befunden hat. Allerdings haben die Sherry Seasoned Casks logischerweise nicht unbedingt für spannende Profile sorgen können, sondern eher für sehr „aufgeladene“; immerhin die lange Reifedauer hat das Ganze positiv beeinflussen können. Durch seine ca. zehn Jahre bei Glendronach hat Bill Walker der Brennerei auch darüber hinaus seinen Stempel aufgedrückt, denn seine Nachfolgerin als Master Blender, Rachel Barrie, wird noch auf Jahre hinaus mit dem arbeiten müssen, was ihr in den Lagerhäusern überlassen worden ist. Ob uns nun dieser oder jene Stil besser gefällt, ob Hr. Walker nun von einem alten Lagerbestand profitiert hat und ob sich die im Namen der Effizienz geänderten Produktionsbedingungen in irgendeiner Weise auf die Qualität des Whiskys ausgewirkt haben, können wir aufgrund der Komplexität des Themas nur diskutieren, aber nie vollständig verstehen. Nur das Endprodukt kann jeder für sich selbst beurteilen und entscheiden.
Samples privat gekauft | Titelbild: Peter Moore / Glendronach Distillery / CC BY-SA 2.0, Flaschenbilder mit freundlicher Genehmigung der Whiskybase
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