Alle Port Charlotte (Teil 4)
In letzter Zeit hat mein Herz bei Port Charlotte für die Reifungen im Bourbon Cask geschlagen. Vor allem wenn sie älter als 15 Jahre waren, was erst seit kurzem möglich ist. Natürlich heißt dies nicht, dass man sich darauf ausruhen sollte. Es gibt so viele Port Charlotte die mindestens ein Finish in Sherryfässern erhalten haben. Mit denen habe ich damals auch gestartet und fand die dreckige, speckige Seite großartig. Mal sehen was sich in diesem Flight befindet. Alle sind unabhängig abgefüllt und in verschiedenen Fässern gereift. Oloroso, PX, Port. Alles am Start. Ich bin gespannt!
Port Charlotte 2010 Whiskybotschaft
Der Port Charlotte 10 ist meiner Meinung nach ein großartiger Whisky. Tatsächlich finden das auch einige andere, so hat The Whisky Exchange ihn immerhin schon mal zum Single Malt of the Year gekrönt. Auch die Whiskybotschaft findet ihn gut und hat sich deshalb dazu entschieden ihn noch weiter zu veredeln: Durch Nachreifung in einem PX Fass der Botega Gonzales Byass. Wenn das Experiment funktioniert, dann kann man den Mangel an interessanten Fässern vielleicht so ausgleichen 😉 Die Fakten nach der Reifung: Weiterhin 50%. Anzahl Flaschen ist nicht bekannt. Link zur Whiskybase
Nase: Leicht metallisch, rauchig, torfig. Etwas Speck und Schwefel. Das kennt man so oder ähnlich von Sherry PCs, nicht wahr?
Mund: Apfel und feurige Gewürze. Torf und Säure. Ingwer. Hier hat er eine ordentliche Würze aufgenommen, die man so vom Original nicht kennt.
Abgang: Süß und rauchig, runder als das Original. Leicht säuerlich in Richtung Butter. Spät kommen die Gewürze nochmal.
Fazit: Kann man schon immer noch trinken. Das Original ist trotzdem besser. Viel besser. Ich bin mir jetzt auch nicht sicher ob dieses kurze Finish wirklich das Mittel der wahl ist. Bei der Farbe, die der Whisky aufgenommen hat in so kurzer Zeit, da kommt dann auch schnell der Verdacht „nasses Fass“. Aber das kann ja gar nicht sein, der Alkoholgehalt wurde ja exakt gehalten. 84/100
Port Charlotte 2004 Heidelberg Highlands
Einige Freunde aus Heidelberg kaufen sich ein Whiskyfass um es gemeinsam zu trinken. So entstand Heidelberg Highlands. Denn „wer kann schon 180 Flaschen einer Sorte alleine trinken?“. Wahrscheinlich keiner und wollen wird man es auch nicht. Deshalb wurden sie gleich Independent Bottler. Dieser Port Charlotte der Heidelberger war 14 Jahre im Fass. Konkret auch Sherry Hogshead. Die 90 Flaschen die 2019 abgefüllt wurden hatten 59,2%. Vermutlich wurde das Fass noch mal geteilt. Link zur Whiskybase
Nase: Fruchtige Noten paaren sich mit einer fleischigen Note. Rote Früchte und Teewurst. Ein Hauch von Schießpulver liegt in der Luft. Hagebutentee kommt mir auch in den Sinn
Mund: Gute eingebundene Schwefelnoten mit einer extremen Süße kombiniert. Torf, Rauch und Sherry spielen hier die zweite Geige. Ein paar metallische Noten und wieder etwas fleischiges.
Abgang: Ähnlich wie im Mund geht es weiter. Dazu eine leichte Note von ranziger Butter. Bitterstoffe kommen mit dazu, bleiben aber in der Balance zur Süße. Raddicchio in Butter ausgelassen mit geschwefeltem Salz und Speckwürfeln. In der Länge relativ trocken.
Fazit: Komisches Ding. Die Aromen und Noten sind eigentlich abstossend. Die Komposition ist absolut trinkbar. Aber ein Glas reicht, danke. 85/100
Port Charlotte 2003 Hidden Spirits
Der italienische Abfüller Hidden Spirits erlangte 2019 Berühmtheit, als ein von Serge V. sehr gut bewerteter Clynelish dadurch auf dem Sekundärmarkt durch die Decke ging. Seither kennen viel mehr Whiskytrinker den unabhängigen Bottler. Hier haben wir einen Port Charlotte aus dem 2nd Fill ex-Oloroso Sherry Hogshead. 316 Flaschen mit 55,5% davon gab es im Jahr 2017. Link zur Whiskybase
Nase: Karamell und Salz, fruchtige Schwefelnoten, Kräuter dazu und eine leicht seifige Note. Vielleicht in Richtung Blumen.
Mund: Wieder leichte Schwefelnoten, in Butter geschwenkte Orangen, Kerzenwachs, Limetten und kandierter Ingwer. Kräuter und Rauch kommen zugleich hervor. Einiges an Asche dazu und auch Bitternoten. Ingesamt eine ölige Konsistenz.
Abgang: Bitterstoffe dominieren. Zusammen mit einem kalten Kohlenofen und einem vollkommen durchgekohlten Stück Bauch vom Grill. Darüber eine fruchtige Marinade oder Salsa. Wenn man ihn nicht so lang im Mund lässt ist der Abgang besser. Dann kommt noch mal die Butterorange durch.
Fazit: Nicht schlecht. Aber auch nicht vollkommen fantastisch. Im Mund gefällt er mir am besten. 87/100
Port Charlotte 2003 Adelphi
Dieser 57,7% starke Port Charlotte wurde von Adelphi für den Adelphi Club Denmark abgefüllt. 2018 war er dabei 15 Jahre alt. Über das Fass ist mir nichts bekannt, bei der Farbe lässt sich aber ein Sherryfass vermuten. 301 Flaschen wurden abgefüllt. Link zur Whiskybase
Nase: Fruchtig mit Gummi und Vanille. Dazu eine dezente Rauchnote. Eine Hand voll Erde ist auch mit dabei. Erst nach einiger Zeit steigt dann der Torf auf.
Mund: Süße und würzige Noten. Dunkle Beeren mariniert in Sojasauce. Dazu eine Kugel Vanilleeis. Schön flankiert von Bitterstoffen.
Abgang: Süß, sauer und bitter geht es nach rauswärts. Schön noch mal die Frucht betont und den Torf nur flankiert.
Fazit: Wundbarer PC mit einigen tollen Ecken, mit denen man sich beschäftigen kann und muss. Kein „easy drinking“ und genau deshalb hat er mir viel Spaß bereitet. 88/100
Port Charlotte 2003 Glenscoma
Glenscoma heißen die Abfüllungen des deutschen Händlers Scoma. Einer der Veteranen in diesem Business. Diese Port Cask gereifte Abfüllung aus 2016 war insgesamt 13 Jahre im Fass (#645). Abgefüllt wurden dann 354 Flaschen mit stolzen 61,7%. Link zur Whiskybase
Nase: Tief unter der Erde. Wurzelwerk, Torf, aber auch trockener Boden. Lehm. Gewürze. Dazu eine säuerliche und leicht modrige Fruchtnote. Nach einiger Zeit kommt dazu wunderbar süßer Honig. Nach einiger Zeit gibt fermentierte dunkle Beeren und Rauchfleisch.
Mund: Zuerst süß, dann packt er die Zunge und zwickt hinein. Eine Mentholnote kommt auf. Dann kommt die erdige Komponente wieder. Dazu Kaffee in verschiedenen Variationen.
Abgang: Salzig und bitter kommt er zum Schluß daher. Dabei verbindet er die vorherigen Aromen nochmal. Ganz am Ende wird er ganz am Ende wird er extrem bitter.
Fazit: Eignet sich wahrscheinlich eher für fortgeschrittene Whiskytrinker. Die Aromenvielfalt und -gewalt so wie der Anspruch durch Komplexität sind relativ hoch. Aber das ist schon sehr lecker muss ich sagen. 89/100
Port Charlotte 2003 Glenscoma
Noch mal ein Glenscoma. Diesmal etwas kürzer (bis 2013) und in einem Sherry Cask gereift. 290 Flaschen gibt es von diesem 10 Jahre alten Whisky und er ist 63,1% stark (sic!). Link zur Whiskybase
Nase: Gummi, brennendes Papier und ein getorfter Whisky aus dem Sherryfass. Faschingspistolen werden abgefeuert. Mit Wasser kommt Sojasauce und Balsamico hervor.
Mund: Sauerrahmbutter unter Pflaumenmus. Espresso und Lakritze. Dazu eine ganze Tankstelle an verschiedenen „Ölprodukten“. Mit Wasser geht er deutlich auf.
Abgang: Pflaumen auf Torffeuer geröstet. Dazu Espressobohnen. Der Schwefel ist wieder da. Süßliche, betäubende Bitterstoffe. Nasse Lederhosen, in der Tasche ein Päckchen Tabak. Schwarzer Krauser. Irgendwer packt ein Schwarzbrot mit dunkler Marmelade aus. Ziemlich verrückt.
Fazit: Funky! Extreme! Love it! 90/100 Aber es wird wahrscheinlich Tage geben, an denen sage ich genau das Gegenteil. Das ist ziemlich verrücktes Zeug.
Mein Votum für verrückte Dinge…
… könnte an anderen Tagen anders ausfallen und genauso bei anderen Menschen anders ausfallen. Mehr denn je empfehle ich bei den heute vorgestellen Port Charlotte: Selber probieren schafft Klarheit.
Ich bin auf jeden Fall um einiges an Erfahrung reicher (danke Christian). Es muss einfach alles probiert werden, vor allem wenn Port Charlotte drauf steht. Einzig die Idee selber mal ein Fass zu besorgen und darin Whisky nachzureifen. Die verwerfe ich wohl lieber wieder.
Bilder: Eigene Anfertigung | Samples: Eigene Flaschen (Christian) und privat gekauft
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