Whisky aus dem Tal

Wer sich ein wenig mit Single Malts beschäftigt, dem wird ein Wort bei den Namen der Destillerien besonders auffallen: Glen. Das ist auch recht einfach zu erklären, denn es lässt sich mit Tal oder Schlucht übersetzen. Also haben alle Whisky mit dieser Bezeichnung ihren Ursprung in einem Tal. So einfach ist das.

Da die Vielfalt so groß ist können wir uns heute auch ganz bequem in die verschiedensten Täler begeben. Mal sehen wo es uns hinverschlägt.

Glenrothes 22-year-old

Im Tal von Rothes in Morayshire steht eine wohlbekannte Destillerie der Edrington Group. Und aus dieser kommt der erste Vertreter heute. Bei größeren Whiskyhändlern, vor allem bei denen mit Onlineshop, ist es mittlerweile üblich eigene Bottlings raus zu geben. Manche sind sogar selbst als unabhängige Abfüller tätig und einige davon bringen sogar ganze Serien heraus. So auch der deutsche Händler Whic – The Whiskycircle. Arne Wesche legt hier immer wieder neue Konzepte mit eigenem Design und Idee auf. So ist dieser Glenrothes Auftakt der Serie “Amazing Whiskies”. 30 verschiedene Bottlings soll sie umfassen. Begleitet wird das ganze von einem Retro-Comic-Design. Der Inhalt der Flasche – und damit für mich das Wesentliche – hat 58,8% Umdrehungen und war 22 Jahre im Sherry Butt. Der Outturn war 270 Flaschen stark. Link zur Whiskybase

Nase: Trotz einiger Zeit im Glas habe ich beim ersten Nosen kurz stechenden Alkoholdampf in der Nase. Das gibt sich aber schnell. Danach ist viel glattes Leder, saure Orangen und Pfeffer. Herbe Kräuter und eine deutlich Würze kommen auch immer wieder hervor.

Mund: Ein anpackendes Spiel aus Süße und Säure fordern im Mundraum ihren Platz. Koriander und Basilikum, Pfeffer und viele Bitterstoffe bilden die nächste Welle. Dann geht es noch mal stärker in Richtung Sherry. Pflaumen, Rosinen und auch wieder Leder. Das ist aber eher ein Kampf mit den Bitterstoffen.

Abgang: Ab dem Schlucken ist alles dominiert von Bitterstoffen. Ich kann noch ein paar Mandeln und Haselnüsse erahnen, eine Spur Süße ist noch da, aber das hat alles nicht die Kraft um dagegen zu halten. Dunkelste Schokolade, Espressobohnen, Tabak all sowas.

Fazit: Vollreifungen in Sherryfässern von über 20 Jahren sind gefährlich. Ich würde sagen hier ist es für mich einen wenig zu lange gewesen. Aber für diese Aromakombination und -intensität gibt es sicher Fans. 85/100

Glen Grant 2005 SMWS 9.131

Wir bleiben im Städtchen Rothes und wandern zum Tal der Familie Grant. Diese haben die Destillerie gegründet, die in der Scotch Malt Whisky Society die Nummer 9 trägt: Glen Grant. 11 Jahre ist dieser hier alt, 55,1% stark und aus einem Ex-Bourbon Fass. Die 162 Flaschen, gebrannt im Jahr 2005, tragen den Titel “A cheery Treat”. Falls ihr jetzt Kirschen im Kopf habt: Ich hab mich auch schon ungefähr 100 mal verlesen, aber da steht nix von Kirschen 😉 Link zur Whiskybase

Nase: Auch hier braucht der Alkohol erstmal bis er sich gelegt hat. Dann steigen jede Menge Bananenaromen auf. Dazu Rosenwasser oder ein vergleichbarer Sirup. Nach einiger Zeit gibt es auch noch eine Cremeschnitte mit Orange.

Mund: Tja, da sind sie doch die Kirschen. Lustig. Aber das ist bestimmt nur Einbildung, oder? Cocktailkirschen und zwar leckere. Die stecken irgendwo in einem Kuchen und der war zu lange im Ofen. Das ergibt ein paar Röstaromen.

Abgang: Vanille und Nüsse, viel Süße. Äpfel finde ich auch. Es prickelt zwischendurch. Und wieder dieses sirupsüße Gefühl.

Fazit: Ein wunderbarer junger Malt. Sicher nicht übermäßig komplex. Aber absolut lecker. 87/100

GlenAllachie 2008 Duncan Taylor

Nur weniger Kilometer im Süden finden wir die GlenAllachie Destillerie. Was oder wo das Tal von Allachie ist hab ich spontan nicht rausgefunden. Der 10-jährige Whisky wurde vom unabhängigen Abfüller Duncan Taylor mit 54,3% in 316 Flaschen gebracht. Davor war er in einem Sherry Cask. Link zur Whiskybase

Nase: Rumrosinen, Schokoladenkuchen, ein wenig würzige Tabaknoten und ein wenig Orange.

Mund: Der erste Eindruck ist sehr süß, dann zwickt es ein wenig in der Zunge. Dann wird es noch süßer. Gibt man ihm Zeit dann geben sich die verschiedensten Schokoladensorten, von der Milchschokolade bis zum 90% Kakao die Klinke in die Hand. Dazu Tabakblätter und auch alter Wein, der schon ein wenig über die besten Tage drüber ist.

Abgang: Schokoladenkuchen, mit Schokoladenglasur, getaucht in einen Schokobrunnen. Natürlich jeweils unterschiedliche Kakaoanteile. Im Kuchen war auch ordentlich Rumaroma und vielleicht auch zwei oder drei Nüsse. Schokoliert natürlich, was auch sonst?

Fazit: Der whiskygewordene Traum eines jeden Schokoholikers. Das ist verrückt, wie krass dieses Aroma in einem Malt dominieren kann! Muss man nicht mögen, kann man aber! 86/100

Black Friday 21-year-old

Jedes Jahr zum Black Friday, dem allseits beliebten Tag der Konsumhölle, bringt der große Onlinehändler The Whisky Exchange ein Bottling dazu raus. Die Distillerie wird dabei nicht verraten, aber dieses Jahr waren die Hinweise wirklich mehr als offensichtlich. Der Ort Elgin und das Gründungsjahr 1810 machen es eindeutig: Glenburgie. Auch hier weiß ich wieder nicht wer oder was Burgie ist, zumal die Destillerie und die verkauften Malts auch schon anders hießen. Egal. Die 1800 Flaschen starke Abfüllung hat 53,1% und ist 21 Jahre alt. Der Ursprung liegt in Ex-Bourbon-Hogsheads. Link zur Whiskybase

Nase: Delikate Fruchtnoten. Eher nichts aus der Region. Mango, Orange, Papaya und Ananas. Dazu ein paar Kekse.

Mund: Cremig, Mangochutney mit Chili. Apfeltarte, eher saure Äpfel. Darüber eine dicke Sahnecreme. Begleitet wird das Ganze von Vanille

Abgang: Oh fantastisch. Eine hauchdünne Waffe, dunkel geröstet. Darauf eine Sahnecreme mit Zitrone. Und in der Länge gute gereifte, fast überreife Südfrüchte. Mango, Papaya und Grapefruit. Der Abgang ist kürzer als ich mir wünschen würde.

Fazit: So wird’s gemacht. Den kann man sowohl bewusst trinken als auch wegnippen. Total lecker. 89/100

Glenfarclas 1997 SMWS 1.206

Weiter geht es in das Tal des grünen Graslandes. Abgefüllt hat diesen Glenfarclas die Scotch Malt Whisky Society, nachdem er 20 Jahre im Fass war. Zuletzt wohl in einem 1st fill PX Sherry. Wenn er die ganze Zeit da drin war, dann ist er wahrscheinlich vor allem üppig süß. Auf jeden Fall gibt es 252 Flaschen mit 54,0% Link zur Whiskybase

Nase: In Butter geschwenkte Früchte. Äpfel, Aprikosen, Rosinen und Datteln. Darüber werden ein paar Samen gestreut. Lein und Fenchel. Irgendwann wir ein dicker, frischer Teig darüber gegossen.

Mund: Eine packende Schärfe startet sofort die “Alarmglocken” im Mund. Chili, Pfeffer aber auch Ingwer ist dabei. Nach einiger Zeit wird das etwas durch die Süße abgemildert. Wenn alles wieder im Einklang ist, dann kommen Bitterstoffe dazu und ein paar Rosinen tauchen wieder auf. Ein sehr würziger Einschlag ist dann dominant. Ich würde sagen Garam Masala.

Abgang: Ein leicht taubes Gefühl und eine süße Schicht legen sich um den Mund. Dann dürfen die Aprikosen langsam zurückkommen. Mit Honig beträufelt geben sie den süß-sauren letzten Gruß.

Fazit: Sumptuous scrumtious soll er sein, dieser Glenfarclas. Also lecker üppig oder umgekehrt oder beides. Ich finde ihn auf jeden Fall sehr interessant. Ich hätte nie im leben das Fass erraten. Und wahrscheinlich auch die Destillerie nicht. Und auch das Alter nicht. Insgesamt ist das ein Malt, dem man viel Zeit schenken kann. Auch immer wieder mal an unterschiedlichen Abenden vielleicht. Spannend und herausfordernd. Auch wenn er vielleicht noch “ganz oben” mitspielt. 85/100

Kein Tal der Tränen

Da war viel Gutes und nichts Schlechtes dabei. Manches vielleicht speziell oder sehr stark in eine Richtung, aber immer so das es Fans geben wird. Ein Traum aus Schokolade, untypische Sherryfässer aber auch eine Fruchtbombe. Wunderbar Vielfalt und üppige Gaumenfreude würde ich sagen!

Bilder: Beitragsbild: Avarim (Eigenes Werk Panorama des Glenlivet bei Ballindalloch, Morayshire, CC BY-SA 3.0), Rest eigene Anfertigung,
Samples: Eigene Flaschen und ein von Whic kostenlos zur Verfügung gestelltes Sample