Eine Reihe alter und seltener Flaschen auf einer Whiskymesse

Old & Rare Flight 021 x Die Lücken schließen

Bei alten und seltenen Dingen ist es nicht verwunderlich, dass ich noch Lücken unter den Reviews hab. Im heutigen Beitrag sind noch dazu Destillerien am Start, die vielleicht nicht jede*r auf dem Schirm hat. Ein schönes Crossover meiner beiden Beitragskategorien.

Auchroisk 17-year-old – Douglas Laing Private Stock

Wie gesagt, nicht zwingend die erste Reihe der schottischen Destillerien. Dafür aber mit Sicherheit ein seltenes Tierchen, denn das von Cara Laing eigens ausgesuchte Fass hatte ur 31 Flaschen zu bieten. Mit 59,1% kamen sie aus einem Refill Hogshead. Link zur Whiskybase

Nase: Kräuter und Gewürze, Zitronen, von der Schale bis zum Fruchtfleisch. Vollkornbuttertoast in Wachspapier.

Mund: Zesten, Zitronensaft, ein Schwung Bitterstoffe. Malzig, helle Trockenfrüchte, Teeblätter.

Abgang: Trockene Zitrusnoten, ein Touch kandierte Veilchen. Getrocknete Kräuter mit Puderzucker oben drüber. Eine wunderschöne Eichenwürze. Ganz subtil nur. Am Ende wieder die Zitronen, diesmal leicht geräuchert.

Fazit: Das ist ein superleckerer Malt. Besonders und lecker. Eigentlich wollte ich den teilen. Nun… dann hab ich ihn aufgemacht, probiert und… manchmal muss man auch an sich denken. 89/100

Coleburn 1965 – Gordon & MacPhail Connoisseurs Choice Brown Label für Meregalli

Nachdem ich eben nur ein seltenes Tier im Glas hatte, ist das hier gleich ausgestorben. Coleburn wurde 1985 geschlossen und ist heute sogar abgebaut. Diese Variante ist nach 21 Jahren in der G&M Connoisseurs Choice abgefüllt worden. Ein Brown Label wurde mit 40% für Meregalli Import in Italien. Link zur Whiskybase

Nase: Wunderschöne Old Style Vibes. Dazu kandierte Orangen, etwas fetter Quark, ein Hauch Antiquariat und ein Holztisch mit frisch aufgetragener Politur. Apfelkompott mit zu viel Zucker und zu viel Gewürzen darin.

Mund: Bitterstoffe, ein wenig Metall. Die Politur dominiert eine Zeit lang. Käsekuchen, drei Tage alt und schon leicht angetrocknet. Dann erhalten die Bitterstoffe eine tolle Tiefe. Kaffee, Fruchtschalen, Trester.

Abgang: Kaffeemehl, mit einer leichten Säure. Geröstetes Malz, ungesüßte Vanillesahne, angerichtet in einer Orangenschale. Kürzer als ich mir wünschen würde.

Fazit: Die Nase ist wirklich am oberen Ende der Skala. Old Style und sooo gut. Der Rest ist wirklich auch gut, aber hier merkt man leider die nur 40%. Ist bei G&M Brown Label häufig nicht so, hier leider schon. Aber schon auf einem unglaublichen Niveau. 90/100

Dalwhinnie 1962 – Gordon & MacPhail Connoisseurs Choice Brown Label für Pinerolo

Wenn wir schon dabei sind, dann gleich noch ein Brown Label. Dalwhinnie wird heute von Diageo (auch) als Single Malt abgefüllt. So gesehen kann es ja gar keine zweite Reihe Destillerie sein, oder? Ich würde aber auch nicht sagen sie wäre besonders bekannt ;-). Hier haben wir einen 19-jährigen, 40%, wieder ein Italienimport, diesmal aber für Pinerolo. Link zur Whiskybase

Nase: Frisch, mit etwas Eichenwürze, Zitrusfrüchte, Südfrüchte, Paraffine, Wachs,

Mund: Metallisch, etwas Diesel, Bitterstoffe zwischen Kräutern, Tinkturen und Cockailbitter, Leder, nochmal dir Früchte, jetzt leicht angetrocknet.

Abgang: Superfruchtig, fast schon prickelnd. Leicht brotig, etwas Mürbteig und Filterkaffee.

Fazit: Das ist eine verrücket Kombination aus Fruchtigkeit und Paraffinen. Im Vergleich zum Coleburn konstanter und auch voluminöser. Mit etwas weniger Highlight komme ich zum gleichen Ergebnis 90/100

Lochside 1967 – Finest Whisky Berlin

Und es geht wieder zu einer Lost Distillery. Bereits 1967 destilliert wurde dieser Lochside anlässlich des 5-jährigen Jubiläums des 7th Sense abgefüllt. 45 Jahre war er im Fass. Zumindest am Schluß war es ein Sherry Cask. 38 Flaschen mit knapp über 40% kamen dabei raus. Link zur Whiskybase

Nase: Leichtfüssig, fruchtig und leicht weinig. Gartenfrüchte, wie Pfirsich, Apfel oder Birne aber vor allem tropische Sachen. Guave, Banane, Papaya. Eine gute Würze balanciert mit Anis, Mandel und Zimt. Dazu auch noch ein leichter Wachsduft. Leckerleckerlecker.

Mund: Es geht so fruchtig weiter. Jetzt allerdings eher als Marmeladen und in verarbeiteter Form. Die Würze wird jetzt getragen von Kräutern und Eiche. Mit einiger Zeit im Mund dominieren die Kräuter und es gibt sogar etwas Eukalyptus.

Abgang: Jetzt sind die Fruchtnoten in Bonbonform. Sowohl so in der Art „Nimm 2“, als auch in der Zitrus-Kräuter-Variante. Das bringt wieder den Eukalyptus, aber auch Ingwer. Ein Tick Eiche und ein Tick Wachs ist auch noch dabei. Schade, dass er nur 40,8% hat. Das nimmt ihm die Chance einer guten Länge.

Fazit: Träumchen. Jetzt beschwere ich mich schon über die Volumen-% aber ich „muss“ trotzdem 92/100 geben. FANTASTISCH!

Lochside 1979 – Silver Seal

Das erste Lochside von Silver Seal Bottling. Auch wenn es ein Single Cask ist gibt es davon wohl zwei Bottlings. Einmal 236 Flaschen und einmal 60 Flaschen, jeweils mit 50%. Dieses Sample stammt aus Flasche 57 von 60. Link zur Whiskybase

Nase: Erst Paraffine, Olivenöl und Mezcal. Dann kommen Vanille und hellgelbe Bananen. Orangen inklusive Schalen. Ein Erdhügel, etwas trockenes Gras.

Mund: Leichte, angenehme Würze. Etwas Pfeffer, etwas Ingwer. Wieder der Mezcal und die Orangen. Vanille, Cardamon und etwas Nuss. Darüber ein Löffel Meerwasser.

Abgang: Rote Trauben, Milchkaffee mit einem alten, angebrannten Vanillekeks. Schwarztee mit Zitrone. Auch Kräuter, wieder Pfeffer. Am Ende auch nochmal die Orange zusammen mit einem Malzbonbon.

Fazit: Fies die beiden Lochside „side by side zu probieren. Wo soll man mit den Punkten hin, wenn man vorher das Licht gesehen hat. Ich denke ich versuche es mal zu rationalisieren: Komplexität und Komposition sind wunderbar. Die Intensität ist auch gut. Würde ich gerne mehr davon trinken? Oh ja. Also 90/100

Faszination Brown Label

Über das tolle Lineup brauche ich glaube ich nichts mehr erzählen. Es lässt sich ja in den Reviews nachlesen wie gut mir das alles gefallen hat. Was mich heute aber zum Grübeln gebracht hat: Für wen war eigentlich damals, Anfang der 1980er, diese Brown Label Serie? Dass wir Whiskynerds uns heute daran ergötzen, weil wir Qualität und die Komplexität dieser trinkstarken Abfüllungen lieben. Geschenkt. Aber was war damals der Markt dafür? Zu einer Zeit der Whiskyrezession, kein massentaugliches Produkt, eigentlich zu billig für die Reifezeit. Komisch. Vielleicht ist das auch der Grund warum heute noch relativ viel davon im Markt existiert. Ich grüble und genieße mal noch ein wenig weiter.

Mehr zu: Auchroisk, Coleburn, Dalwhinnie, Lochside, Old & Rare Flight 020, Die Lücken schließen (Teil 3)
Bilder: Eigene Anfertigung und freundliche Überlassung von macwhisky und der Whiskybase
Samples: Eigene Flaschen und privat gekauft