Old & Rare Flight 016 – 1500 Reviews Edition
Die letzten Schritte bis zum 1500ten Review. Da darf es dann auch gerne wieder etwas Besonderes sein. Ich hab ein paar wunderschöne Glen Grant angesammelt und ich glaube heute ist der Tag um diese zu verkosten. Angeordnet in so etwas wie einer Vertikale. Ich hab sie nach dem Brennjahr sortiert.
Glen Grant 24-year-old – Whiskysponge
Quasi ein Aperitif. Zumindest was das Brennjahr angeht ist das der jüngste im Bunde heute. Gebrannt 1995 bzw. 1997 und in ein Refill Barrel und ein Refill Hogshead bis 2022 zum Reifen gelegt. 443 Flaschen mit 49,8% hat Angus MacRaild dann unter seinem Label Whiskysponge. Link zur Whiskybase
Nase: Trocken und leicht fruchtig. Beißt ein wenig in der Nase. Unreife Banane, unreife Mango. Mit der Zeit geht es dann in eine eher erdige Richtung mit einem deutlich mineralischen Einschlag.
Mund: Grüne Noten. Vor allem Gras, unreife Früchte. Diverse Dinge aus dem Gemüsebeet. Das ist doch eher ungewohnt aber auf keinen Fall unlecker. Erde, Wurzelgemüse, Pilze, Enzian.
Abgang: Sehr kräutrig, das ist schon fast ein Kräuterbitter bei Zeiten. Aber keinen von den ganz dunklen, die man zwei Tage nicht mehr aus der Sensorik kriegt.
Fazit: Ein für mich unerwarteter Einstieg in diese Session. Keines Falls schlecht allerdings. Von dem hätte ich gerne etwas mehr, damit kann man bestimmt Menschen mit “Erwartungen” bezüglich Whisky ein wenig ärgern. 88/100
Und nur mal so völlig off Topic: Angus, der für dieses Bottling verantwortlich ist, schreibt ja “nebenher” auch für whiskyfun.com, das berühmte Blog von Serge Valentin. Dort hat er mittlerweile über 1800 Reviews hinterlassen. In weniger Jahren als es keinehalbendrinks.de gibt und dabei gehört ihm whiskyfun noch nichtmal. Respekt dafür! Witzigerweise hat er vor wenigen Tagen übrigens auch ein paar Glen Grants dort beschrieben (Link).
Glen Grant 1983 – Signatory Vintage
Als erstes ein relativ junges Bottling. Also zumindest der Inhalt der Flasche. 13 Jahre war er in einem Sherry Cask um dann mit 58,2% 278 der berühmten Signatory Dumpys zu befüllen. Link zur Whiskybase
Nase: Schokoladig und süß. Milchschokolade und Nougat vor allem. Dann auch noch Kirschen und Preiselbeeren. Und angestaubte Bücher. Zeitweise scheint der Alkohol nicht so gut integriert.
Mund: Einiges an Bitterstoffen. Das hat was von einem Amaro. Dazu eine gewisse Pfefferschärfe und Zitronen.
Abgang: Intensive Sherrynoten. Das hat was von den PC aus dem Bloodtub nur ohne die Rauch und Torfnoten. Hohe Intensität, keine Sekunde Ruhe für die Geschmacksnerven. Gleichzeitig ist er auch leicht betäubend.
Fazit: Davon kann man vielleicht nicht den ganzen Abend trinken. Aber man hat den ganzen Abend was davon, auch mit nur einem Dram. Ziemlich gut! 87/100 Wasser macht die Nase leicht scharf, Taste und Abgang werden hingegen gefälliger.
Glen Grant 1972 – Duncan Taylor
Ein Jahrzehnt früher wurde dieser Glen Grant destilliert. 40 Jahre wurde er gereift um am Ende den letzten Schliff in einem Achtelfass zu kriegen. Konkret ein Sherry Octave. 64 Flaschen mit 55,2% wurden dann 2012 für Getränke Weisser abgefüllt. Link zur Whiskybase
Nase: Er braucht ganz kurz, bis er sich im Glas gelegt hat und man wirklich anfangen kann zu schnuppern. Dann geht es sofort los mit einer großen Menge an verschiedenen Schokoladen, Marzipan und Kirschen. Dazu noch eine deutliche aber positive, Holznote. Mit samt Politur. Mit der Zeit kommen auch noch andere Früchte dazu. Mehr in Richtung Zitrus. Orange und Grapefruit fallen mir ein. Außerdem eine gewisse Würze mit Tabak, Lakritz und Anis. Das ist an Komplexität und Tiefe kaum zu übertreffen glaube ich.
Mund: Diese Würze transportiert er auch direkt auf die Zunge. Zusammen mit Pfeffer und einer leichten Ingwerschärfe. Dann kommt ein ganzer Schwung an Salz und damit auch bittere Fruchsäfte. Mit der Zeit wird das dann in Schwarztee umgewandelt, der mit Zitrone abgespritzt wurde. Bitterstoffe sind auch viel am Start. Jetzt weniger von Kakao, eher von Fruchtschalen und ein wenig Kaffee.
Abgang: Die Intensität ist einfach überwältigend. Eine aufgebrochene Likörpraline aus feinster dunkler Schokolade, gefüllt mit dem besten Fruchtbrand den man sich vorstellen kann. Dann dreht jemand den Sinnesregler auf 11. Wenn sich das irgendwann gelegt hat – und das dauert 1-2 Minuten – dann kommt ein ganzer Korb von überreifen, bereits Schnaps gewordenen Früchten.
Fazit: Das ist einfach nur großartige. Ich ziehe den Hut vor dem Mut dieses Ambrosia noch in einem Oktavfass zu finishen. Ich hätte sowas von die Hosen voll gehabt, dass das zu viel des Guten ist. Ist es nicht. Hammer. 94/100
Glen Grant 1972 – Finest Whisky
Ein weiterer Glen Grant aus 1972, diesmal abgefüllt von Finest Whisky in Berlin. Er ist aus der Serie Old Master Painter. Abgefüllt wurde er 2013 54,8% und auch mit 40 Jahren. Nur 42 Flaschen gab es aus dem Sherry Cask. Ggf. eine Fassteilung vor dem Finish? Link zur Whiskybase
Nase: Salzmandeln und Zitronenscheiben in einem Dörrofen. Dann kommt Kirschschnaps und Marzipan. Danach wird es etwas leiser. Man kann tief einatmen und wird nicht von den Aromen überrannt. Das geschieht mit etwas Orange und Wachs. Kurze Zeit später dreht er wieder auf. Diesmal mit getrockneten Kräutern und Gewürzen. Dann ist wieder Pause und schwenkt man erneut, dann erhält man noch rote Beeren und Schokolade in einem Müsli.
Mund: Wieder salzig und nussig. Dann mit viel Zitronensäure. Auch säuerlicher Kaffee. Damit entwickeln sich auch sehr intensive Bitterstoffe. Man muss viel Speichel zugeben, um das zu kontern. Dann kommen nochmal diverse Früchte durch und das macht dann sehr viel Spaß.
Abgang: Auch im Abgang sind die Bitterstoffe wieder sehr präsent. Es gibt einen Mix aus Kaffee, dunkler Schokolade, Teriyaki Sauce und Amaro. Wenn man schnell schluckt dann öffnet er auch hier in Richtung Früchte. Mit einer Tendenz in Richtung Schale – logisch bei den Bitterstoffen.
Fazit: Das ist für mich ein gutes Beispiel für ganz knapp bevor er drüber war. Man merkt richtig wie die Dominanz des Fasses den Whisky zurückgedrängt hat und 40 Jahre dann einfach langsam zu viel waren. Dennoch sicher immer noch sehr hochklassig. Aber wenn man das Licht gesehen hat, dann fehlen hier Punkte weil die Intensität an der falschen Stelle zu hoch ist. 90/100
Glen Grant 1957 – Gordon & MacPhail
Von 1957 bis 2007 war dieser Glen Grant in unbekannten Fässern. Mit 40% wurde dann in eine unbekannte Zahl an Flaschen gefüllt. Als Licensed Bottling trägt es das Distillery Label. Link zur Whiskybase
Nase: Wunderschöne alte Holznoten. Etwas leicht medizinisches und gleichzeitig süßliches zieht ein. Dann kommen viele Früchte. In Butter geschwenkt und danach in Wein eingekocht. Ganz dezente Tabaknoten lösen dies wiederum ab. Zusammen mit Leder und Antiquariat.
Mund: Die Früchte dominieren im Mund. Zusätzlich gibt es Vanillegebäck und auch diverse Holzaromen. Ich würde mir ein paar Prozent mehr wünschen, damit man ihn länger im Munde kreisen lassen kann. Weil es so lecker ist.
Abgang: Dezente Bitterstoffe, vor allem Milchkaffee. Dazu genauso wenig aufdringlich Eichenwürze, immer noch Leder und die Früchte liegen jetzt auf einem Spiegel mit Vanilleeis, dass sie selbst zum schmelzen brachten. Ein paar Flocken Salz darüber. Perfekt.
Fazit: Wunderschön. Ich kann es nicht anders sagen. Die Perfektion hätte noch ein paar Prozent mehr. Aber es ist auch so schon unglaublich was hier abgeht. 92/100
Glen Grant 1956 – Gordon & MacPhail
Ein weiteres Licensed Bottling. Diesmal abgefüllt 2008 aus zwei 1st Fill Sherry Butts. Natürlich wie immer mit 40%. Anzahl der Flaschen ist nicht bekannt, recht viel mehr als 1000 werden es nicht gewesen sein. Link zur Whiskybase
Nase: In Butter und Zucker ausgelassene Früchte. Alle davon. Garten, Wald, Südsee. Fantastisch. Dazu Fasswürze und Kräuter. Dann kommt die ganze Wucht des Sherry. Leder, Tabak, Zeder, Trockenfrüchte.
Mund: Zuckerrübensirup über Waldboden ausgekippt. Dann kommt Tabak, etwas säuerliche Früchte, Kaffeemehl. Hohe Intensität, hohe Leckerheit.
Abgang: Sehr trocken und weiterhin wunderbar süß. Pfirsichspalten die langsam in einem Kuchen versinken und dabei im Ofen anbrennen. Eine Packung Pfeifentabak steht offen rum. Die Bitterstoffe kleben wie Leim an der Zunge.
Fazit: Ganz großartig. Es ist so ein Privileg das trinken zu dürfen. Über 50 Jahre alt, frisch, komplex, tief. Es ist ein Traum. 93/100
Glen Grant 33-year-old – Gordon & MacPhail
Abgefüllt in den 1980ern, d.h. gebrannt irgendwann Anfang der 50er. Wie übliche für diese Licensed Bottlings wurden sie mit 40% abgefüllt. Viel mehr Informationen gibt es nicht. Link zur Whiskybase
Nase: Bienenwachs und Honig. Waben und Propolis. Das ist quasi einmal der ganze Bienenstock. Dazu helle Früchte und jede Menge Dinge aus einem Antiquariat. Mit der Zeit geht es dann über in Teeblätter und auch leicht feuchtes Laub. Das könnte ich wirklich endlos Nosen.
Mund: Weich und leicht würzig on Top auf die Aromen aus der Nase. Er ist allerdings dabei deutlich dünner. Ich würde mir so sehr mehr als 40% wünschen. Es lohnt sich aber ihn lange im Mund zu behalten. Dann kommt noch die Fasswürze, Salz und auch schöne Bitterstoffe.
Abgang: Das Wachs geht jetzt in einen trockenen Belag auf der Zunge über. Dazu noch dezente Zitrusnoten. Der Tee wurde ganz dünn aufgebrüht und dann in der Tasse stehen gelassen. Auch die Eichenwürze mischt sich wieder ein. Die Länge ist recht erstaunlich für die niedrigen Prozente, was schön ist.
Fazit: Ein wunderbarer old style Glen Grant. Ich weiß nicht was man daran nicht mögen kann. Außer vielleicht das ich wissen möchte wie der in Fassstärke wäre. 😉 91/100
Glen Grant 1953 – Gordon & MacPhail (1500tes Review)
Finale. 67 Jahre im Fass, zumindest am Ende dann in einem 1st Fill Sherry Cask. Und durch fantastisches Fassmanagement schafft man es dann auch noch diese 355 Flaschen bei 59,4% zu halten. Das füllt man natürlich nicht einfach so ab. Sondern zu Ehren von George Urquarth, der als Vater des Single Malt gilt. Er hat vor 90 Jahren angefangen Gordon & MacPhail zu prägen. Link zur Whiskybase
Nase: Es beginnt mit staubtrockener, dunkler Schokolade. Danach geht es weiter mit uralter Sojasauce und Balsamikoreduktion und einem frisch ausgeleerten Anspitzer. Es geht sodann weiter mit einer Schale voll getrockneten Früchten aller Farben (allerdings nicht tropisches). Nebendran wird ein sehr altes Möbelstück poliert und gewachst. Man reicht honiggetränkte Nüsse und dazu einen Kräuterbitter. Auf der anderen Seite des Tisches steht ein Teesieb mit Früchtetee. Halleluja. Vermutlich habe ich ungefähr 100 Aromen nicht wahrgenommen oder beschrieben. Das ist verrückt.
Mund: Alles was einem beim Begriff “herb” einfällt. Kräuter, Saucen, Kaffee, Tabak, Leder, Gewürze, Schokolade, Lakritze, Tee, Fruchtschalen, Tinkturen, Amaros, Bitter, Wermut. Es hört und hört nicht auf. Dazu noch eine tolle Eichenwürze, ausgelassener Butter und ein Sprenkler Salz.
Abgang: Die konzentrierten Bitterstoffe haben nun die absolute Dominanz. Rien ne va plus. Nichts geht mehr. Das ist zwar in sich sehr nuanciert. Man kann die verschiedenen Nerven der Bitterrezeptoren auf der Zunge wahrscheinlich mit der Zeit einzeln spüren. Aber da kann sich nichts mehr durchsetzen, was in eine andere Richtung geht. Wenn ich es mir ganz arg vorstelle, dann ich kriege ich Umami und Salz in mein Gehirn. Wenn mir allerdings jemand sagt, das war nur Suggestion, dann kann ich nicht widersprechen. Oh und leicht trocken ist er glaube ich auch.
Fazit: So und nun? Das ist so komplex, das muss ich als Nerd einfach geil finden. Die Nase ist wahrscheinlich auch mit das Beste, was ich je gerochen habe. Im Mund kann auch viele Runden drehen und dabei Spaß haben. Der Abgang allerdings gibt mir Rätsel auf. Will ich das? Auf “akademischer” Ebene ja. Persönlich ist es mir aber einfach zu viel. Also zu viel um noch mehr als 93/100 Punkte insgesamt zu geben, wenn ihr verstehe was ich meine.
Was für ein besonderer Moment!
Also mal die 1500 Reviews ganz außen vor gelassen. Acht Whisky mit einer durchschnittlichen Punktzahl von 91 und einem Gesamtalter von über 320 Jahren. Unglaublich. Ich fühle mich mehr als privilegiert das verkosten zu dürfen. Damit gilt dieses mal das Innehalten und Danke-sagen nicht nur den tollen Menschen, die mir das ermöglichen. Sondern auch dem Bewusstsein dieses Privilegs. Ich will jetzt niemandem einen faden Beigeschmack in seinen fantastischen Whisky mischen, aber mir ist es mir selbst gegenüber schon wichtig diese Erdung zu behalten!
Auf die nächsten 1500 Reviews und die Hoffnung, dass möglichst viele alle Menschen vergleichbare Momente in ihrem Leben haben dürfen!
Mehr zu: Glen Grant
Bilder: Titel: Generated by DALL-E | Prompt: People at the Glen Grant Distillery celebrating – painted by Banksy | Flaschen: Freundliche Überlassung von Tom (R.I.P.!), Daniel, Trivial, portellen1983, macwhisky und der Whiskybase
Samples: Privat gekauft
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