Newcomer (C)

Selbst in den abgelegensten Ecken und Enden Schottlands entstehen immer neue Brennereien. Heute geht die Reise auf drei verschiedene Inseln und in die nördlichen Highlands. Teilweise stecken die Projekte noch in den Kinderschuhen, teilweise haben sie sich bereits einen festen Platz in der Whiskylandschaft ergattert.

eine Miniatur aus dem Sortiment von Abhainn Dearg (sprich "Aven Jarrek")
Ein Blick ins Stillhouse von Abhainn Dearg. Die beiden Pot Stills sind ungewöhnlich geformt, vergleichbar dem Spitzhut einer Hexe.
Die beiden Pot Stills von Abhainn Dearg

Abhainn Dearg – Cask Strength

Bourbon Cask / 58%Vol. / Link zur Whiskybase

Auf der Isle of Lewis in den äußeren Hebriden wird seit September 2008 Single Malt hergestellt. Zwar nur einige Tausend Liter jährlich, aber dafür ganz im Stile einer Craft Brennerei. Dementsprechend selten läuft einem ein Abhainn Dearg („Red River“) über den Weg.

Nose: Gerstenmalz und dunkle Schokolade werden mit mildem Grappa übergossen und Anis gewürzt. Vanille, Apfel und Bienenwachs betonen das Erbe des Bourbons. Mit einem Spritzer Wasser kommt auch ein Spritzer Zitrone. (74)

Taste: Der Alkohol ist schlecht integriert und lässt den Malt kaum älter als drei Jahre wirken. Vanille und dunkle Schokolade werden vom bitteren Gerstenmalz runtergezogen. Ölig ist er auf der Zunge, aber auch metallisch. (69)

Finish: Es wird grausig, man traut sich fast nicht schlucken. Viele Bitterstoffe vom Malz und auch ein bisschen vom Eichenholz belegen den Mundraum. In Ansätzen finde ich auch Wachs und Bourbon. (55)

Fazit: Da sind einige Aromen drin, die überhaupt gar nicht zu Single Malt passen. Hinter den sprittigen und bitteren Bestandteilen konnte das Bourbonfass kleine Akzente setzen. Was in den paar Jahren halt so möglich ist. Wenigstens besser als Obstler.

Die Brennblasen der Dornoch Distillery. Die Alambic-Form kennt man eher aus Frankreich, wenn es um die Herstellung von Cognac oder Armagnac geht.
Dornochs Pot Stills
Ein Fläschchen mit klarem New Make aus Dornoch.

Dornoch 2019 New Make

Destilliert im August 2019 / 60%Vol. / Link zur Whiskybase

In Sutherland gibt es ebenfalls seit wenigen Jahren eine sehr experimentelle Brennerei. Die Thompson Brothers legen unter anderem Wert auf alte Gerstensorten, spezielle Hefestämme in Kombination mit langen Fermentationszeiten, um einen möglichst komplexen, fruchtigen Spirit zu erzeugen.

Nose: Etwas Marzipan mit grünlichen, fast harschen Aromen von unreifer Birne und Apfelkernen. Im Anschluss wird es sehr süß, irgendwo zwischen Zuckerguss und Turkish Delight, mit Pflaume und spritziger Limette als Lead-Früchte. Der Alkohol lässt sich wunderbar aushalten. (79)

Taste: Erst metallisch, dann äußerst würzig. Gerstenmalz und Marzipan sind schon süß, aber Zitrone und Birne legen nochmal einen (Turkish Delight) drauf. Ein tiefgrüner Blätterhaufen schafft die Überleitung zu Hefe und Gemüsesud. (75)

Finish: Ein Stechen im Hinterkopf. Ich glaube, mein Hirn ergreift die Flucht. Da hätte ich doch noch mehr verdünnen sollen. Der nussige Marzipan bleibt. Vom Mundgefühl her recht fett und ölig. Hinweise auf helle Trockenfrüchte und Cassis, allesamt süß natürlich. (76)

Fazit: Eine leichte, fruchtige Nase, gefolgt von einem schweren, robusten Geschmackserlebnis. Die Bewertung ist halt dem Frühstadium des Produkts und den damit einhergehenden Defiziten im Vergleich zum langegelagerten Malt entsprechend. Diese übertriebene, künstlich anmutende Süße verfehlt meinen persönlichen Geschmack deutlich, aber mit ein bisschen gutem Zureden und einigen Jahren im Eichenfass sollte sich daraus was schmackhaftes entwickeln.

Eine Flasche Wolfburn Batch Nummer 458. Die Brennerei ist im Übrigen nach ihrer Wasserquelle benannt worden.

Wolfburn No. 458 Small Batch Release

Pedro Ximénez Sherry Butts & 1st Fill Bourbon Barrels bis 2022 / 46%Vol. / Link zur Whiskybase

Ganz im Norden des schottischen Festlandes produziert die Wolfburn Distillery seit 2013 sowohl rauchigen als auch nicht rauchigen Whisky. Hier ein kleines Batch aus 5.100 Flaschen mit leicht rauchigem Destillat.

Nose: Rauch trifft auf süßen, fruchtigen PX; hat was von Kirschbonbon. Vanille, Karamell und Malz sind etwas generisch, aber lecker. Vom Holz kommen einige Nadelbaumtöne. Auch die Aromen von Nüssen, Wachs und Kaffeeschokolade sind nicht zu verachten (83)

Taste: Viel Rauch und Würze können nicht verdecken, dass der jung ist. Als würde man auf einem Adventskranz herumkauen. Sherry, Karamell, Eiche… alles vorhanden und reichhaltig, aber nicht gut komponiert. Schokoladiges Gerstenmalz ist da die Ausnahme. (81)

Finish: Glühend warm und überraschend aschig. Trockenen Hölzern und Malz haften würzige und metallische Noten an. Die Sherrysüße kommt rudimentär durch, die Nüsse und Gräser dagegen deutlich. (83)

Fazit: Eine merkliche Steigerung im Vergleich zu den jüngeren Morven und Northland. PX und Phenole versuchen natürlich einiges zu beschönigen, aber auch hinter diesem Vorhang gibt es positives zu entdecken und nachdem Wolfburn 2013 mit der Produktion gestartet hat, gibt’s ja vielleicht bald die erste 10-jährige Version aus dem Bourbonfass.

Eine Flasche Lagg aus der Erstausgabe. Das Flaschendesign resoniert überhaupt nicht mit mir, aber es kommt ja auf den Inhalt an.

Lagg 2019 Inaugural Release Batch 2

30 Monate im 1st Fill Bourbon Barrel, dann in 6 Monate im Oloroso Sherry Cask bis 2022 / 50%Vol. / Link zur Whiskybase

Die 1995 eröffnete Brennerei Arran läuft so erfolgreich, dass in 2017 mit dem Bau einer zweiten Destillerie auf der Isle of Arran begonnen wurde. Seit 2019 produziert Lagg stark rauchigen Whisky. Hier eine der ersten öffentlichen Abfüllungen, mit 36 Monaten wurde die Mindestreifezeit für Whisky gerade erst erreicht. Das Finish fand in nur 55 Liter großen Sherryfässern statt.

Nose: Angenehmer und kräftiger Rauch, leicht salzig und rußig, vor allem jedoch ausgesprochen trocken. Ich fühl mich in eine finnische Sauna versetzt. Der Sherry bringt im Gegenzug einige saftige Früchte ins Spiel, Kirschen und rote Johannisbeeren etwa. Kräuter und Würstchen liegen auf dem Grill, es kommt BBQ-Feeling auf. Schokolade, Zimt und Zitronensorbet steuern einige höchstunterhaltsame Episoden bei. (87)

Taste: Der Rauch wirkt jetzt nicht mehr so vielschichtig, immer noch rußig und kräuterig, aber ohne das gewisse Etwas. Hinter all dem Rauch ist er aber auch jung und sprittig. Die verkohlte Eiche verbreitet kräftige Würze, ein bisschen Salz ist mit dabei. Zitrus für ein wenig Frucht, aber keine Spur vom Oloroso. (80)

Finish: Trocken mit schokoladigen Tanninen, von der Eiche vermutlich. Die Asche bemächtigt sich des Mundraums. Salz, verbrannte Kräuter und eine Winzigkeit Sherry bestreiten den eher zwiespältigen Nachklang. (81)

Fazit: Junger Whisky profitiert ganz klar davon, wenn Rauch mit im Spiel ist. Der geringe Reifegrad und andere Makel werden mehr oder weniger überdeckt. In diesem Fall kommt Sherry hinzu, der immerhin keinen Vorhang vor dem eigentlichen Destillat zuzieht, sondern die Aromenpalette sanft erweitert. Solange sich dieser Lagg noch im Glas befindet, klappt das Konzept eigentlich recht gut, danach verliert er die Maske.

Auf dem Feis Ile 2020 wurde sich darum gerissen: Eine klobige Flasche Kilchoman, die zur Feier des Inselfestivals an die Besucher verteilt worden ist.

Kilchoman 12 Jahre – Feis Ile 2020

11 Bourbon Barrels bis 28.04.2020 / 54,2%Vol. / Link zur Whiskybase

Ende 2005 hatte die achte Brennerei auf der Insel Islay ihren Produktionsstart. Durch die marketingtechnisch wertvolle Lage quasi ein Selbstläufer. Zum Inselfestival 2020 wurde eine 12-jährige Abfüllung herausgegeben, ein gutes Alter für einen Whisky. Mehrere Fässer aus den Jahren 2007 und 2008 ergaben einen Output von insgesamt 2.630 Flaschen.

Nose: Viel Rauch und Ruß, jedoch haben auch die Bourbonfässer einiges an Durchschlagskraft: Kokosnuss, Vanille, Karamell und Honig tummeln sich. Würzige Sägespäne gehen über in Koriander und Zimt. Limone und Pflaster bilden ein ungleiches Paar. (84)

Taste: Aromatischer Rauch, durchwirkt mit süßem Honig, sorgt für Pflaster, Iod und würzige Holzkohle. Mir ein Stück zu intensiv und zu bitter. Daran ändern auch die vereinzelten Zitrus- und Karamelltöne nichts. Trotzdem hat er eine ansprechende Öligkeit. (83)

Finish: Fest im Griff von Asche, Kalk und Iod. Salz und Maschinenöl bringen neue, abwechslungsreiche Akzente. Die Holzkohle hat Kraft und bleibt lange erhalten. (83)

Fazit: Auch mit diesem Kilchoman kann ich mich persönlich nicht anfreunden, da gibt es einfach zu viele vergleichbar rauchige Whiskys von Islay und anderswo her, die in dieser Altersklasse mehr zu bieten haben. Immerhin ist er meistens lecker und nicht zu jung.

Diesen Flight verbuche ich mal unter dem Kapitel ‘Horizonterweiterung’. Da war jetzt – noch! – nichts dabei, was mich nachhaltig anspricht. Vielleicht gehöre ich aber einfach nur zur falschen Zielgruppe.

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Samples privat gekauft | Bilder mit freundlicher Genehmigung der Whiskybase