Old & Rare Flight 015
Nun ist das Jahr bald vorbei und ich möchte nochmal ganz tief in die Schatzkiste greifen. Sechs Drams, für die ich mir jeweils einen ganzen Abend Zeit genommen habe. Ganz im Sinne davon die Hektik rauszunehmen und sich in Ruhe zu besinnen. Also kein echter Flight und keine direkten Vergleiche, dafür aber mehr Gelegenheit in die Tiefe zu gehen.
Longmorn 1967 – Gordon & MacPhail
Ein Licensed Bottling von Gordon & MacPhail. D.h. abgefüllt die Abfüllung wurde Longmorn lizensiert und durfte somit das original Label tragen. 1967 kam das Destillat in die Fässer und 2012 wieder raus. Die Reifung erfolgte in Refill Sherry Butts. Wieviele davon und wieviele Flaschen (mit 43%) dabei raus kamen ist nicht bekannt. Link zur Whiskybase
Nase: Sehr viel Wachs, Propolis, Honigwaben. Aber auch Möbelpolitur und ein wenig Harz. Die Honigsüße verbindet sich mit einer dezenten Ledernote. Eingelegte und getrocknete Früchte kommen dazu. Später dann Gebäck und eine ganz dezente Eichenwürze.
Mund: Wieder die Politur und auch das Möbelstück dazu. Getreidenoten in Verbindung mit Trockenfrüchten. Einiges an Bitterstoffen macht sich breit. Kaffee, Leder, Tabak aber auch Kräuter. Intensiv und fordern, dabei gleichzeitig weich und und rund.
Abgang: Erstmal Schuhpolitur und Wachs direkt beim Auftragen auf das Leder. Dann Zitrusnoten, die mit der Zeit immer mehr in Richtung Schale wandern. Die Bitterstoffe lösen sich dann auf. Es bleibt noch kurz eine Kräuternote und eine Idee von Gebäck.
Fazit: Die Länge im Abgang ist der einzige Makel. Ansonsten ist das ein fantastisch gereiftes Bottling. Das Fass spielt genau so viel mit wie es sollte. Komplex, vielschichtig, pointiert und doch breit angelegt. Große Klasse! 91/100
Tomintoul 1968 – Glen Fahrn
Tomintoul ist jetzt nicht gerade meine erste Adresse, zugegeben. Allerdings ist das hier schon eine Ansage. Über 40 Jahre im Fass, abgefüllt 2012 für die Messe Limburg. 181 Flaschen mit 48,1% brachte der deutsche Abfüller Glen Fahrn auf den Markt. Link zur Whiskybase
Nase: Eine unglaubliche Nase. Beginnen mit fetten und süßen Aromen von Sirup und Honig. Dann kommen die ersten Früchte. Birne, Orange, Mango, Pfirsich. Dann kommt Leder, Kräuter, Wachs und Politur. Auch austrocknete Zigarren. Dann nochmal die Mango. Jetzt zusammen mit unreifer Ananas.
Mund: Sofort ist erstmal der Speichel weg. Dann kommt eine Würze und Schärfe von Ingwer und Pfeffer. Man braucht einen Moment, damit er sich akklimatisieren kann. Dann direkt Bitterstoffe. Tabak, Kräuterlikör, dunkle Schokolade. Dann wieder viel Frucht. Jetzt eher vergoren. Eichenwürze, Sirup, Honig und Süße helfen dabei diese zu integrieren.
Abgang: Viel dunkle Schokolade, auch wieder einiges an Fass (nicht zu viel) und wieder die Ananas, Mango. Jetzt auch Aprikose und ein Spritzer Zitronensaft. Dazu dann wieder Leder und ab und an zieht der Ingwer nochmal durch den Mund.
Fazit: Was soll ich sagen. Krass! Ich bin absolut geflasht und selig. Das ist so komplex, so fordernd, so spürbar alt und gut. Ich bin sehr froh von diesem tollen Tropfen etwas abbekommen zu haben. 91/100
Um das nochmal zu betonen: Ich hatte noch ein paar Tropfen im Glas, ungefähr eine Stunde später. Da kamen dann noch Noten in Richtung Vanille und Salz dazu. Hammer.
Port Ellen Private Stock – Malts of Scotland
Ein Bottling mit Vorgeschichte. 1982 gebrannt, 2020 abgefüllt, 2021 in den Handel gebracht. Draufstehen darf das alles nicht, denn die Bedingungen sind für die SWA zu unklar. Das Bottling wurde eingezogen. Ein neues Label musste drauf. Jetzt steht gar keine Altersangabe mehr drauf. Thomas Ewers, dem Mann hinter MoS wird es wohl egal sein. Er hat ihn ursprünglich zu seinem 60ten Geburtstag abgefüllt und die „Überbestände“ nun abgefüllt. 104 Flaschen mit 57,2% aus einem Refill Sherry Hogshead. Link zur Whiskybase
Nase: Am Anfang vor allem verbranntes, verkohltes Holz. Asche, Rauch. Dann geben Frucht und Süße ihr Stelldichein. Birnenkompott, Honig, Vanille und Saunaaufguss dazwischen. Ein maritimer Einschlag löst dies wiederum ab. Warmer Sandstrand, Treibgut, trocknender Seetang.
Mund: Wunderschöne, salzige Zitronen. Kohlenrauch, mit ein klein wenig Torf. Vanille bringt Seetang, das bringt sowohl etwas Kräuter, als auch süße Früchte.
Abgang: Leicht rauchig, mit einer leichten Süße bringt das Ende. Es wird trocken und damit kommt dann nochmal der maritime Einschlag.
Fazit: Einzig der Abgang verhindert hier den Einzug in die Topränge der Port Ellen Abfüllungen. Zu kurz, zu wenig Tiefe. Aber selbst dabei ist er immer noch besser als so viele andere Bottlings da draußen. 90/100
St. Magdalene 1982 – Gordon & MacPhail
Der am längsten gereifte St. Magdalene der je abgefüllt wurde! 39 Jahre im Refill American Hogshead und in 2021 mit 54,8% von Gordon & Macphail in 165 Flaschen abgefüllt. Veröffentlich wurde er allerdings erst Ende 2022, im Rahmen der sog. „Recollection“. Link zur Whiskybase
Nase: Intensive Noten von Fetten, Gräsern und Zitrusfrüchten. Da ist man direkt bei St. Magdalene angekommen. Die Fette verwandeln sich dann relativ schnell in erdige Aromen. Ein Obstgarten im Herbst. Die Blätter am Boden, es hat ordentlich geregnet. Aus den Gartenfrüchten wird gerade Kompott gemacht. Eine ausgelutschte Vanilleschotte war kurz im Kompott. Aber wirklich nur ganz kurz. Eine leichte Mineralität kommt auf und damit auch Wachs, etwas Leder und Zitronenschalen. Wasser bringt Kalk und Gebäckstücke zum Vorschein.
Mund: Ein starker Antritt mit einer Betonung auf Zitrus, dazu etwas weißer Pfeffer. Das ändert sich schnell. Süße Honignoten kommen an, zusammen mit Hanf, Heu und Kamille. Ab hier ist es ein Reigen aus den bekannten Fett- und „Tankstellen“-Aromen, in einer stark gereiften und damit milden Variante, der Gräsern, den Früchten under Süße. Kettenfett, Lampenöl, Wachs, frisches Gras, getrocknetes Gras, Kräutertee, Zitrusfrüchte, Aprikose. Die würzige und kräutrige Seite dominiert, wenn man Wasser hinzu gibt.
Abgang: Der Abgang trägt das Ganze dann nach Hause. Es wird weniger und weniger von alle den intensiven aber weichen Fruchtaromen. Der Honig wird jetzt eher zu Waben und leeren Honiggläsern. Eine Bienenwachskerze die gerade gelöscht wurde. Gleichzeitig kommt die Mineralität zurück und vielleicht ein Touch Metall. Wenn man nur einen ganz kleinen Schluck nimmt, dann kriegt er eine leichte Nussnote. Und wenn man Wasser hinzufügt, dann gewinnt er an Wärme und Länge.
Fazit: Ich bin im Himmel. Was soll ich hier noch groß sagen. Ich bin Gordon & MacPhail dankbar für ein tolles Fassmanagement und die Bereitschaft dieses Fass fast 40 Jahre reifen zu lassen. Man merkt wie sich das Destillat über die Jahre entwickelt hat und erkennt immer noch den Brennereicharakter. 93/100 (genauso wie der 2019er)
St. Magdalene 1982 – Ian Macleod
Ein weiterer 1982er St. Magdalene. Diesmal nach 26 Jahren von Ian Macleaod 2009 aus einem Butt mit 55,0% in 348 Flaschen gefüllt. Die Bottlingreihe ist Chieftain’s Choice Link zur Whiskybase
Nase: Intensive grüne Noten. Apfel, Heu, Gras, Blätter. Dazwischen Speiseöl, Wurzelwerk und Früchtetee. Zitrusnoten, Aprikose, Malz und Honig. Eine gewisse Schärfe kommt bei intensivem Nosing auf. Wenn sich das wieder legt, dann geht es über in Harze und Wachse und weitere Dinge aus der Hobbywerkstatt.
Mund: Würzig und erdig und auch wieder sehr intensiv. Honignoten kommen dazu. Genauso wie Zitrone, mit entsprechendem Wachs und Öl. Auch Süßholz und Ingwer.
Abgang: Ein Wechselspiel an Bitterstoffen und den bereits bekannten Aromen. Der Honig kommt wieder und wird durch Bitterstoffe abgelöst. Und so geht es dann auch weiter mit Wachs, den pflanzlichen Noten und den Früchten.
Fazit: Nicht zu komplex, aber dennoch mit ausreichend Tiefgang. Die intensiven Bitterstoffe im Abgang muss man mögen. Insgesamt könnte das auch Medizin sein. Wenn ich mir was wünschen könnte – und das ist hier jammern auf sehr hohem Niveau – dann wäre das etwas mehr „Tankstelle“, wie ich das immer nenne. 90/100
Linlithgow 1982 – Mackillop’s Choice
Mackillops’s Choice ist keiner der wirklich bekannten Abfüller. Dennoch hat man es geschafft einen 19 Jahre alten St. Magdalene aus einem Sherry Cask abzufüllen. 19 Jahre war er da alt und noch 62,6% stark. Über die Anzahl der Flaschen findet man nichts. Link zur Whiskybase
Nase: Erstmal relativ verschlossen. Eine leichte Honignote kommt langsam auf. Gibt man ihm etwas Zeit im Glas, dann geht es auch los. Gras, übergossen mit einem Sud aus Honig, Limette und Sonnenblumenöl. Wachs, Rauch und Vanille kommen auf. Danach ein Dickicht an Bergamotte und Kamille. Keine Ahnung ob die beiden Pflanzen zusammen wachsen würden ;-).
Mund: Würzig, mit einer starken Betonung auf Zitrone. Mit ein paar Runden im Mund wird er weicher, zugänglicher. Der Honig und die Blumen und die Kräuter kommen zurück. Genauso wie Heu oder Gras. Ein paar Bitterstoffe dazwischen. Das Mundgefühl ist sehr cremig.
Abgang: Zitrone und Sonnenblumenöl gehen über in ein paar Bitterstoffe, ich würde sagen Rinden, sehr dunkler Toast und hell gerösteter Kaffee. Eine leichte Mineralität und damit auch ein Schwung geräuchertes Salz. Auch 30 Minuten später kann ich fast die volle Bandbreite der Aromen noch abrufen. Das ist guter Stoff!
Fazit: Einer zum Nachdenken und Genießen. Den sollte man weder „runterschütten“, noch wird man ihn schnell vergessen. Das hat insgesamt ein sehr hohes Intensitätslevel, das ist fast schon betäubend. Die Sensorik ist gut beschäftigt. Auch ist das ein etwas anderer Vertreter aus der Destillerie. Ja, Honig, Zitrus und Gras sind da, aber die Fette und Öle gehen in eine andere Richtung. Dafür hat er etwas Rauch. Das is spannend zu sehen. 91/100
91!
Ich weiß, alles nur Zahlen. Wenn man allerdings als erfahrener Reviewschreiber am Ende einer Session bei diesem Durchschnittswert landet, nun dann ist das alles andere als gewöhnlich. Sechs fantastische Drams, bei denen man sicherlich über den einen oder den anderen Punkt diskutieren kann, ganz nach persönlicher Präferenz. Am Ende glaube ich aber, dass kaum ein Maltenthusiast hier irgendwie enttäuscht worden wäre. Ich bin sehr dankbar, dass alles probieren zu dürfen.
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Bilder: Eigene Anfertigung und freundliche Überlassung der Whiskybase und von Wummy
Samples: Eigene Flaschen, privat gekauft und von Tomas (thank you so much for that Linlithgow!)
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