Ein Stand eines Whiskyhändlers mit alten und seltenen Flaschen

Old & Rare Flight 021 – „Do you have an empty glass?“

So wie die beiden Beiträge zuvor geht es auch diese noch Woche weiter mit Dingen, die ich auf der Whiskymesse in Limburg mitgenommen habe. In diesem Fall soll es um die Eindrücke von alten und seltenen Flaschen gehen. Und um ein Phänomen, dass man „Rucksacktrinken“ nennt. Die Community, in der ich mich dort bewegen darf, bringt jedes Jahr wunderschöne Bottlings und Samples mit zur Messe und schenkt sich gegenseitig Drams davon ein. Ein Ritual, dass immer mit dem Satz beginnt „do you have an empty glass?“

Glenlivet 12-year-old unblended all malt

Eine Flasche Glenlivet 12-year-old unblended all malt

Ein Distillery Bottling, gebrannt in den 1970ern. Sowas ist immer spannend. Abgefüllt wurde es für Seagram Deutschland. Das ist alleine schon spannend, dass es das überhaupt gab. Hatte ich nach Italien verortet. Abgefüllt wurde mit 43% und mehr weiß man dann aber auch nicht. Link zur Whiskybase

Nase: Sehr mild, sehr zurückhaltend. Da sind ein paar grüne Trauben, hell gebackene Honigwaffeln, etwas Kiesweg. Aber alles sehr hintergründig. Ein Raum mit allem Mobiliar, der schon lange nicht mehr abgestaubt wurde.

Mund: Fühlt sich direkt „alt“ an. Leicht laktisch, etwas Vanille, relativ viel Holz und die Bitterstoffe aus dieser Richtung. Mit der Zeit macht sich Malzzucker breit und dominiert dann.

Abgang: Es bleibt so, schöne Bitterstoffe. Jetzt in Richtung Milchkaffee. Dazu dann noch eine dezente Fruchtnote, ich bleib mal für die Beschreibung bei den Trauben. Die Länge ist erstaunlich für nur 43%.

Fazit: Sehr stabiles Bottling. Danach würde ich mir heute als Standard die Finger ablecken. Zumindest wenn er sinnvoll bepreist ist. 86/100 Danke Astrid!

Littlemill 1990 – Silver Seal

Eine Flasche Littlemill 1990 von Silver Seal

Wenn man von einem der großen Littlemill-Fans einen solchen eingeschenkt bekommt, dann heißt das schon was. 20 Jahre im Fass und Silver Seal in 237 Flaschen gebracht. Was für ein Fass der 46%er gesehen hat weiß man nicht. Die Farbe sagt nix mit Farbe. Link zur Whiskybase

Nase: Grüne Früchte, leicht vergoren. Dann etwas Wiese und Heidekraut. Die Früchte wechseln in Richtung Südfrüchte. Maracuja und Mango. Vanilleeiscreme mit Granitstaub.

Mund: Wunderschön rund und süß. Eine ganz leichte Zitrusschärfe gibt Textur. Damit kommen auch die Früchte und die Mineralität zurück. Die Eiscreme landet in einem Eiskaffee.

Abgang: In den Eiskaffee gibt es jetzt noch ein wenig Fruchtsirup und ein paar angeschwitzte gelbe Früchte oben drauf. Gelöffelt und geschlürft wird mit Holzhalm und -löffel.

Fazit: Schön dass ich davon noch mal probieren konnte. Direkt am Abend in der Villa Kontor konnte ich den viel schlechter einsortieren. Das ein toller Dram, der viel Tiefe hat und wunderschön rund ist. 90/100 Danke Tilmann!

Springbank 25-year-old pear shaped bottle

Eine Flasche Springbank 25-year-old pear shaped bottle

Die birnenförmigen Flaschen von Springbank haben quasi Legendenstatus. Das waren Standards aus einer Zeit, die man sich heute als Whiskyneuling nicht mehr vorstellen kann. Zu allem Überfluss haben wir hier auch noch das 25-jährige Bottling. Eine große Sache! Link zur Whiskybase

Nase: Sehr fruchtig. Pfirsich, Ananas, Aprikose. Helle und gelbe Früchte. Dazu kommt eine dezente Mineralität, die gibt Struktur. Eine schöne Süße, vor allem Honig aber auch Vanillezucker.

Mund: Sehr mild und rund. Keinerlei Schärfe. Wachsige Noten und auch etwas Antiquaritat. Alte Bourbonfassreifungen kriegen häufig so einen Touch. Leichte Bitterstoffe und zurückhaltende Früchte dazu.

Abgang: Malz und generel erstaunlich viele Getreidenoten. Dazu noch etwas Milchkaffee und wieder die Früchte. Jetzt in einer eher trockenen Variante.

Fazit: Es ist immer schwer an einem Bottling, von dem man Großes erwartet, Kritik zu üben. Für einen Springbank hätte es für mich mehr Mineralität und vor allem „Funk“ sein dürfen. Nein müssen. Das macht es aber nicht zu einem schlechten Bottling an sich. Es ist und bleibt ein sehr sehr guter Whisky. 89/100 Danke Tomas!

Linlithgow 1982 – Mackillop’s Choice

Eine Flasche Linlithgow 1982 von Mackillop's Choice

Komfortzone. Fassstarker St. Magdalene (wahrscheinlich) aus dem Bourbon Fass. Abgefüllt von Mackillop in 1999 mit 62,7%. Lt. Whiskybase für 70€. Haha, das waren noch Zeiten. Link zur Whiskybase

Nase: Grüne Früchte und Hopfen, in einem dampfenden Haufen aus frisch gemähtem Gras. Sonnenblumenöl und ein leicht phenolischer Touch. Mit der Zeit etwas Rauch, Vanille und Orange.

Mund: Süß und gleichzeitig spicy. Chili ist am Start. Wenn man genug Speichel dazu gegeben hat, dann kommen die Früchte raus und auch wieder die grasigen Noten. Erste Bitterstoffe, in Richtung angebranntem Teig.

Abgang: Etwas Marmelade mit Schalen drin. Trockener, sehr sehr trockener Weißwein, mit einer hellen Fruchtnote. Dann kommen Wachs und Lampenöl. Auch Sonnenblumenöl und Gras sind noch mal kurz am Start.

Fazit: Wieder sehr, sehr lecker (hatte ich schon mal). Heute kein 1000% Match auf dem Profil der Lowland Destillerie, aber schon sehr viele Punkte auf der Checkliste getroffen. Die „fremden“ Noten sind aber nicht off, sondern ergänzen hier gut. 90/100 Nochmal geht der Dank an Tomas!

Mortlach 1978 Rare Malts

Eine Flasche Mortlach 1978 Rare Malts

An Rare Malts Bottlings, die ich noch nicht im Glas hatte, kann ich nur schwer vorbei gehen. So hab ich mir ein Sample vom 20jährigen Mortlach mitgenommen. Dieser wurde mit 62,2% abgefüllt, über Flaschenzahl und Fässer gibt es aber keine Infos. Link zur Whiskybase

Nase: Eine angestaubte Süße, wenn es sowas gibt. So wie wenn man bei Oma die Süßkramschublade aufmacht. Eine Limettentarte mit Vanille. Dann komme mineralische und wachsige Noten. Aber eher Fruchtwachse und gewachste Fruchtschalen.

Mund: Die Stärke ist deutlich zu spüren, aber schlägt für mich nicht drüber. Fruchtige Süße, eine paar wachsige Noten, sehr viel altes Leder und trockene Buchseiten. Mit der Zeit kommt Mineralität und Vanille zurück und das ist dann der Zeitpunkt wo wir in Richtung Mortlach abbiegen. Da sind die Noten von Liebstöckel, gekochtem Fleisch und etwas Kaffee.

Abgang: Zitronenzest, ein Hauch Tabak, dann wieder viele Früchte. Auch etwas metallisches schmuggelt sich dazwischen. Milde Fleischnoten sind auch hier noch auszumachen. Mit Wasser wird er trockener, leicht säuerlich und fast noch fruchtiger.

Fazit: Weniger Mortlach als ich gedacht habe, aber das Profil ist schon noch zu finden. Hier kann man gut mit Wasser spielen, wenn einem die Fassstärke zu viel ist. Insgesamt war ich sehr zufrieden. 90/100 Dieses Sample hab ich bei Enrico am Stand gekauft. Und auch ihm sage ich danke, denn er bringt immer tolle Bottlings und jede Menge Spaß mit. 🙂 „Fruity, fruity, fruity“

Port Charlotte 2002 Private Cask Bottling – 10th Anniversary Tiroler Whiskyausstellung

Eine Flasche Port Charlotte 2002 Private Cask für die Tiroler Whiskyausstellung

Auch den hatte ich schon mal im Glas (hier) und es großartig, dass ich ihn mit über 100 Port Charlotte mehr Erfahrung nochmal probieren kann. Abgefüllt aus einem Private Cask anlässlich des 10 Jubiläums der Tiroler Whiskyausstellung in 2009. Sieben Jahre durfte er im 1st Fill Sherry verweilen, um dann mit „schlanken“ 64,1% in 303 Flaschen gefüllt zu werden. Link zur Whiskybase

Nase: Pappkarton, auf dem Beeren-Marmelade aufgestrichen wurde und die danach dann angezündet wird. Danach geht es in Richtung herzhafter Gewürze. Dahinter liegen ranzige Butter und der warme bis angebrannte Gummi, den man von jungen PC Bottlings aus dem Sherryfass kennt.

Mund: Genau damit geht es dann auch weiter. Intensität ist auf 11. Gewürze, Fleisch, Beeren in Butter ausgelassen, Gummi, süßlicher Rauch.

Abgang: Weiterhin super intensiv. Jetzt kommen noch jede Menge Umami- und Bitternoten dazu. Die ganzen Sinne sind quasi betäubt, so viel ist das. Und aus irgendeinem Grund fühl sich das richtig an. Auch die Gewürze, Fleisch, Butter, Beeren, alles auf 11 gedreht. Crazy.

Fazit: Diesmal konnte ich mich noch besser auf das Bottling einlassen. Ich hatte auch ein anderes Glas (Copita jetz vs. Glencairn damals). Vielleicht macht das auch was aus. 91/100 Danke an Stefan, der dieses Jahr nicht in Limburg sein konnte, aber es trotzdem vorher schon geschafft hat ein Rucksacksample dazulassen.

Keine Grenzen

Und hier noch ein paar weitere schöne Dinge, die mir dieses Jahr mit dem Satz „do you have an empty glass?“ begegnet sind. Die Flaschen stammen aus den USA, Dänemark, Frankreich, Franken, Spanien und Schweden. Whisky kennt keine Grenzen. Eine große Freude! Danke, an alle die da waren und für die schöne Zeit zusammen!

Mehr zu: Glenlivet, Littlemill, Mortlach, Port Charlotte, Springbank, St. Magdalene, Old & Rare Flight 20
Bilder: Eigene Anfertigung und freundliche Überlassung der Whiskybase
Samples: Auf der Messe in Limburg von Freunden geteilt und bei einem Händler gekauft