Drei Lords von der Insel

Das Flaschenetikett zum Nachlesen der Story hinter dem 'Lord of the Isles' von Ardbeg.

Vor einigen Jahrhunderten waren die Hebriden und die Halbinsel Kintyre unter der Kontrolle eines Kriegerstammes, welcher diese Gebiete von der Insel Islay aus beherrschte. Aus diesen „Inselherren“ ging später der Clan der MacDougalls hervor. Und wer seine Geschichtsbücher kennt, weiß, dass die Brennerei Ardbeg von einem MacDougall gegründet worden ist. Et voilà! Schon haben wir eine Story mit historischem Kontext und den Beweis, dass die Marketing-Jungs hinter Ardbeg schon vor über zwanzig Jahren ihr Handwerk verstanden haben.

Der ‚Lord of the Isles‘ wurde von 2001 bis 2007 in mehreren Batches abgefüllt. Dabei betrug die Altersangabe stets 25 Jahre, angeblich wurden für alle Editionen stets Fässer aus den Jahren 1976 und/oder 1977 verwendet. Würde bedeuten, die letzten Ausgaben enthalten um die dreißig Jahre alten Whisky.

Eine Flasche Ardbeg 'Lord of the Isles' nebst Umverpackung und effektheischender Schriftrolle.

Ardbeg Lord of the Isles L5 347

Eichenfässer 25 Jahre bis 13.12.2005 / 46,0%Vol. / Link zur Whiskybase

Laut ‚Bottlecode‘ L5 347 am 347sten Tag im Jahr 2005 abgefüllt.

Nose: Ölig bis buttrig, auf den ersten Metern eher sauber und erst später leicht rußig. Dünne Räucherspeckstreifen wickeln sich um fleischiges BBQ, welches in klebriger Honig-Marinade cross gegrillt wurde. Hinweise auf Salz und Iod. In der zweiten Runde wesentlich runder und gefälliger, der Pflaumensirup hilft zweifelsohne. (87)

Taste: Deutlich fruchtiger, zwar immer noch dezent, aber Sherry ist beteiligt. Honig und BBQ ebnen den Weg für pfeffrige Holzkohle, Aschepartikel und Maschinenöl. Salzige Algen und Iod helfen einigen Zitrustönen auf die Sprünge. Eher wie 18 Jahre… (86)

Finish: Es bleibt fleischig, der Grill ist nie weit weg. Das Eichenholz ist erstmalig so richtig ausgeprägt, versorgt mit Gewürzen und versteht sich gut mit dem ganzen Salz. Gehackte Haselnüsse und Zündhölzer befeuern die trockenen Eindrücke. (85)

Fazit: Irgendwie steif, aber wie ein 25-Jähriger (Lord) kommt der jetzt trotzdem nicht rüber. Gewiss ein guter Begleiter bei einem lauen Grillabend, aber mehr auch nicht.

Die Flasche aus Batch L2

Ardbeg Lord of the Isles L2 036

Eichenfässer 25 Jahre bis 05.02.2002 / 46,0%Vol. / Link zur Whiskybase

Da geht doch hoffentlich mehr. Zweiter Versuch:

Nose: Schwankt irgendwo zwischen rußigen Ascheflocken und verstaubten Holzregalen in der hintersten Bibliotheksecke, wirkt jedenfalls sehr alt und gediegen. Rosinen und halbgetrocknete Kirschen sind in Salzbutter und cremiger Vanille eingebettet. Filigranes Eichenholz blitzt auf, bevor sich emsige Bienenwaben der Nase bemächtigen. (90)

Taste: Angenehme Trinkstärke, aschige Gewürze und ein dick bestrichenes Honigbrot geben sich die Klinke in die Hand. Staubige Holzkohle steigt aus dem Hintergrund auf und reißt eine Prise Salz mit empor. Butter und Tabak setzen sich fest. Hier fehlen leider die Früchte und die Balance. (86)

Finish: Die ganze Palette an Glut, Asche und Holzkohle – sehr wärmend und würzig. Man beißt auf zweidrei alte Zündhölzer. Salz und Honig geben den Weg frei zu einigen Sherrytönen und gelben Fruchtelementen. (87)

Fazit: Nach 25 Reifejahren im Fass ein guter Mittelweg zwischen Alter und Kraft. Von der Komplexität her eher moderat, da bleibt er doch ziemlich hinter dem Kultstatus und den Erwartungen.

Eine Flasche aus der 2001er Ausgabe, samt Flaschensarg, äh Designerschutzschachtel.

Ardbeg Lord of the Isles L1 299

Eichenfässer 25 Jahre bis 25.10.2001 / 46,0%Vol. / Link zur Whiskybase

Und nun das allererste Batch. Ausgabepreis war damals wohl so 80 bis 90 britische Pfund.

Nose: Maritimer Rauch mit rußigen Elementen, Salz und Speck breiten sich sanft aus. Die Zitrusnoten sind ein wenig präsenter als bei den anderen beiden Lords. Dann wird es farmig, was mir weniger gefällt, gefolgt von Bienenwachs, was mir wiederum schon gefällt. Nach einer halben Stunde Entwicklungszeit ist er am rundesten. (86)

Taste: Ein zahmer Antritt, von Rauch und Asche ist nicht mehr viel übrig. Umso mehr von Gerstenmalz und gelben Früchten mit Tropenhauch. Glimmende Holzkohle und Honig gehen nochmal in die fleischige Richtung des L5er-Batches. Salz und Zitrus vereinen sich mit erdigen Akzenten. (87)

Finish: Wärmende Gewürze zeugen von solider Eichenholzqualität, doch auch das Lagerfeuer sorgt für wohlige Wärme. Eher trocken als süß. Die Aussagekraft fehlt, Salz macht trotzdem Durst auf mehr. (86)

Fazit: Und das ist jetzt ein Ardbeg aus den 70ern? So alt hätte ich den mangels Tiefe und Finesse nie eingeschätzt. Von der Trinkstärke weichgespült…

Solche Whiskys würde heutzutage keiner mehr kaufen; allein schon der Name – zu alt(-backen), weiß, männlich… War meine Erwartungshaltung überzogen? Der Ruf dieser Serie ist ja fast schon legendär, in der Base pendeln sich die Bewertungen bei um die 91 Punkte ein. Da bin ich knapp 5 Punkte drunter, auf Augenhöhe mit dem Uigeadail oder dem 18-jährigen Bunna. Andererseits fand ich den 25-jährigen Ardie aus 2020 überzeugender. Vielleicht waren die werten Lords einfach zu lange in der Flasche.

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Samples privat gekauft | Bilder mit freundlicher Genehmigung der Whiskybase