Wheat Field

Single Grain, Single Cask (Teil 2)

Eine Teilung, zwei Tastings und ein Sampletausch und plötzlich hatte ich sechs Single Grain Whisky vor mir stehen. Das schreit nach einem weiteren Teil der Single Grain Reihe, die ich vor kurzem angefangen habe.

Invergordon 1990 – Phil & Simon Thompson

Eine Flasche Invergordon 1990 von Phil & Simon Thompson

Eine der großen Vorteile von Grain: Auch über 30 Jahre alte Abfüllungen sind noch verfügbar. Dieser Invergordon von den Thompsons war 32 Jahre in einem Refill Hogshead, bevor er mit 51,1% in 507 Flaschen gebracht wurde. Link zur Whiskybase

Nase: Initial etwas Klebstoff und Gurke. Mit Dill. Dadurch entsteht eine deutliche alkoholische Schärfe. Lässt man ihn eine Zeit lang im Glas ruhen, dann legt sich das. Stattdessen kommen Müsli und Kekse mit ein paar frischen Früchten (vor allem Äpfel).

Mund: Wunderschön süß. Popcorn und süßer Brei. Kandierte Früchte und ultrasüße Fruchtbonbon. Etwas Getreide und Malz. Auch hier ändert sich einiges mit etwas Zeit im Glas. Ein Prickeln bringt noch eine würzige Seite dazu.

Abgang: Ein paar Röstaromen und Bitterstoffe gesellen sich zu den süßen Noten. Getreidekaffee und Milchschokolade zu einem Eimer angebranntem Popcorn.

Fazit: Wirklich schön, braucht allerdings wirklich Zeit im Glas. Ich würde sogar sagen dass könnte ein turn off sein, wenn man ihn sofort nach dem Einschenken nosed. Aber man würde was verpassen, wenn man ihn dann stehen lässt. 87/100

Invergordon 1987 – Phil & Simon Thompson

Eine Flasche Invergordon 1987 von Phil & Simon Thompson

Nochmal ein zwei Jahre länger im Fass war dieser Invergordon. Die Dornoch-Brüder haben das Refill Barrel mit 54,3% nach 34 Jahren in 230 Flaschen gebracht. Link zur Whiskybase

Nase: Minze und Sirup, Puderzucker, Abbeize, Zitronen. Zeit und etwas Wasser machen ihn etwas angenehmer. Aber ganz über den Berg schafft er es im Gegensatz zum „jüngeren Bruder“ nicht.

Mund: Süß, mit kräutrigen Fruchtnoten. Einmal quer durch den Kräutergarten mit Abstechern zu den Obstbäumen würde ich sagen. Dazwischen eine deutliche Eichenwürze, gemischt mit Politur.

Abgang: Trocken, bis sehr trocken geht es zu Ende. Als neues Aroma finde ich kandierter Ingwer. Außerdem ist er wärmend, fast schon leicht betäubend.

Fazit: Die Nase ist mir ein wenig zu anstrengend, ansonsten wäre er sehr schön. Im Gegensatz zum 1990er hilft auch lange Zeit im Glas nur bedingt. Komplexität ist höher als man es vielleicht von einem Grain erwartet. 85/100

Invergordon 1972 – The Whisky Agency

Eine Flasche Invergordon 1972 für die Pangalaktischen Whiskygurgler

Stolze 44 Jahre hatte dieser Invergordon auf dem Buckel als in der unabhängige Abfüller The Whisky Agency für die Pangalaktischen Whiskygurgler abgefüllt hat. 49,4% hatte er dabei und es sind nur 42 Flaschen abgefüllt worden. Link zur Whiskybase

Nase: Ganz kurz ist er deutlich alkoholisch. Das lägt sich aber schnell. Dann kommen Haferkekse und Rosinen. Es wird nussig. Später dann auch Kräuter und Ledernoten.

Mund: Rum, Traube, Nuss und Kokos gehen über in Vanille und alte Bücher. Dann kommen Pfeffer und Kräuter dazu.

Abgang: Weiterhin viel Rumnoten, aber auch wieder Kräuter und Pfefferminz. Früchte und Trockenfrüchte. Das Alter kommt jetzt stärker zum Tragen. Die Eichenwürze wird mehr.

Fazit: Das ist wirklich fantastisch gereiftes Zeug. Das stimmt alles! Die knappen Notes lassen das vielleicht nicht vermuten aber das ist alles so sehr auf den Punkt: Meinen Glückwunsch zu dieser Abfüllung an alle Beteiligten. 91/100

Invergordon 1965 – Duncan Taylor

Eine Flasche Invergordon 1965 von Duncan Taylor

Und noch weiter zurück in der Zeit. Duncan Taylor hat diesen 42 Jahre alten Invergordon schon 2008 abgefüllt. Das Fass wurde bereits 1965 befüllt. Das ist verrückt lang her. Wenn man dann noch bedenkt dass die 217 Flaschen auch noch 52,9% haben. Gutes Fassmanagement nennt man das glaube ich. Ich hatte übrigens ein Originalsample. Link zur Whiskybase

Nase: Nüsse, vor allem Haselnuss und auch Nougat. Dazu noch Marzipan und Kekse mit Vanille. Und auch helle Trauben auf einem Papierstapel. Das geht schonmal gut los.

Mund: Rosinen in Keksen eingebacken. Bitterstoffe kommen dazu, vor allem Kaffee. Dazu auch noch Ingwer, eine wohlige und wärmende Schärfe.

Abgang: Süßes Gebäck in einem Bücherladen. Dazu alter Calvados. Spannend finde ich dass die Bitterstoffe im Vergleich zum Taste sogar eher weniger werden. Das ist dann eher Zitruszeste.

Fazit: Auch hier ist wieder viel los. Toll gereift und sicherlich zum richtigen Zeitpunkt abgefüllt. Wenn man es nur immer vorher wüsste 😉 90/100

Girvan 1993 – Meadowside Blending

Eine Flasche Girvan 1993 von Meadowside Blending

Nach vier Invergordon würde ich sagen ist es Zeit für einen Wechsel. Von Meadowside Blending in der Serie The Grainman abgefüllt wurden hier 2019 498 Flaschen mit 25 Jahren und 55,5%. Das Fass stammt angeblich von der Küfferei Radoux. Auf dem Label steht „Vosges and Allier“ (danke für die Vergrösserung @fundramental), wenn ich das richtig sehe. So ganz kann ich die Info also nicht nachvollziehen. Das Finish war auf jeden Fall im Port Cask. Link zur Whiskybase

Nase: Relativ leise geht es los. Ich muss tief ins Glas riechen um Kekse, Getreide, Kokosraspeln, Vanille und Haferflocken zu entlocken. Auch ein Garten mit entfernt stehenden Rosen ist zu erahnen. Wenn man das Glas im richtigen Winkel zur Nase hält, dann kriegt man kurz einen Schwung Kirschen ab.

Mund: Rote Früchte in Kombination mit Getreide, Kokos, Vanillegebäck und auch einer kühlenden Kräuternote. Danach etwas Tabak und eine deutliche Süße.

Abgang: Die trägt ihn auch in den Abgang. Wo für mich Kräuter und Tabak dominieren. Es mischt sich noch etwas Milchkaffee in den Ausklang.

Fazit: Erstmal ist das irgendwo zwischen grundsolide und lecker. Der Girvanfunk, den ich bei meinen wenigen Ausflügen dorthin verspürt habe, ist irgendwie auch da. 85/100 Außerdem finde ich es sehr faszinierend, dass in der Base viel von Klebstoffnoten gesprochen wird. Ich kenne das zu gut und kann diese hier wirklich nicht finden.

Cameronbridge 1982 – Whiskybroker

Eine Flasche Cameronbridge 1982 von Whiskybroker

Ein Whisky aus dem eigenen Geburtsjahr, am besten abgefüllt wenn man einen runden Geburtstag hat. Sowas wünschen sich die meisten Whiskynerds, das ist aber nicht ganz einfach zu bewerkstelligen. Durch einen schönen Zufall, oder weil der gute Fundramental einfach extrem aufmerksam und nett ist, habe ich bei einem Sampletausch sowas erhalten. Ein 40 Jahre alter Cameronbridge abgefüllt vom Whiskybroker. Aus einem Bourbon Barrel, abgefüllt mit 50,1% in 215 0,5l Flaschen. Link zur Whiskybase

Nase: Erstmal etwas Klebstoff. Ich lasse das Glas kurz stehen. Wird deutlich weniger, aber geht nicht ganz weg. Es zeigen sich helle Früchte, Kokos und Gebäck

Mund: Schön süß aber auch wieder fruchtig. Banane, Kokos, Pfirsich. Dazu noch Eichenwürze und dezente Vanille.

Abgang: Zu den Früchten kommt noch Thymian und ein leicht angebrannter Kuchenboden. Auch wieder Kokos. Der Pfirsich ist nun eindeutig beschwipst oder gar selbst gebrannt worden.

Fazit: Ich würde ihn gerne lieben, allein wegen der Rahmendaten, aber mit der Nase kann er mich nicht überzeugen. Der Abgang entschädigt dafür und macht deutlich mehr Spaß. 86/100

Über 200 Jahre im Fass!

Es ist schon beeindruckend, mit welchen Basisdaten die Grains aufweisen. Der Youngster ist 25 Jahre greift. Insgesamt sind sie über 200 Jahre gereift. Beeindruckend. Auch im Glas hab es eindeutig Highlights. Wobei man auch festhalten kann: Nur das Alter macht noch keinen 90-Punkte-Whisky. Aber alle hatten was.
Kleiner „Fun-Fact“ zum Schluß: Ich hab gelesen1, dass Girvan bis 1986 ausschließlich mit Mais gearbeitet hat. Mal schauen ob ich von sowas auch mal noch ein Sample erstehen kann.

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Bilder: Titel:  Polina Rytova on Unsplash | Flaschen: Eigene Anfertigung und freundliche Überlassung der Whiskybase
Samples: Eigene Flaschen, Originalsample und privat gekauft bzw. getauscht

1 Maclean C.: Charles Maclean’s Whiskypedia – A Gazetteer of Scotch Whisky (revised edition 2018), Great Britain 2009