Evolution of… Tomatin

Offiziell gegründet in 1897, also eine dieser Brennereien, die während des Whiskybooms vor der Jahrhundertwende so richtig durchstarten wollten und dann vom Pattinson-Crash kalt erwischt worden sind. Für Tomatin kam 1906 der Bankrott, doch ein Besitzerwechsel brachte frisches Geld und die Wiederaufnahme der Produktion in 1909. In den 50er bis 70er Jahren wurde die Destillerie sukzessive erweitert, die Anzahl der Stills erhöhte sich auf ganze 23, mehr als irgendwo anders in Schottland. Doch Mitte der 80er die nächste Zäsur, der nächste Crash, der nächste Bankrott. Ein Konsortium aus Japan kaufte Tomatin in 1986, infolgedessen wurden große Mengen der Produktion in Tanks nach Japan verschifft und dort mit japanischem Whisky verschnitten. Der auf Masse ausgelegten Whisky fand lange Zeit wenig Beachtung in der Szene. Erst ein Kurswechsel Ende der 90er lenkte den Fokus um auf Qualität und Single Malt.

Eine Miniatur des 12-jährigen Tomatin im alten Design (um 2012)

Tomatin 12 Jahre

Finish in spanischen Sherryfässern / 40,0%Vol. / Link zur Whiskybase (große Version)

Den Start macht ein Miniaturen-Triple mit verschiedenen Altersstufen. Diese Whiskys wurden den Bottlecodes nach alle entweder 2011 oder 2012 abgefüllt. Der 12-Jährige erhielt ein Finish, die Erstreifung war wohl nicht so erfolgreich.

Nose: Puh, das waren aber nasse Sherryfässer! Dunkler Rosinensaft trieft aus dem Glas, Backpflaumen springen in die Nasenlöcher. Die Süße ist nicht allzu intensiv, aber so ziemlich das Einzige, was im Angebot ist. Nach langer Suche finde ich etwas Eichenholz, schokoladiges Malz und Apfel. (75)

Taste: Gerstenmalz nimmt den Platz des Sherrys ein. Gewürze, Stroh, Malz, Eiche… vom Sherry bleibt lediglich eine säuerliche Note. (69)

Finish: Etwas sprittig. Hat aber den Vorteil, dass er wärmt. Bitteres Gerstenmalz und stumpfes Eichenholz verbreiten nicht gerade Freude. (64)

Fazit: Der missglückte Versuch, das Resultat inaktiver Fässer mit minderwertigen Sherryfässern zu retten. Mehr gibt es nicht zu sagen.

Eine Miniatur des 15-jährigen Tomatin.

Tomatin 15 Jahre

Eichenfässer / 43,0%Vol. / Link zur Whiskybase (große Version)

Der 15-Jährige kommt mit 3 Volumenprozenten mehr im Gepäck. Auf die Art der Fässer wird nicht näher eingegangen.

Nose: Eine gemächliche Bourbonnase mit Honig, Eiche und Zuckerwatte. Einige gelbe Früchte, wie Apfel, Zitrone und Quitte beteiligen sich. Manchmal auch Rhabarber, zumindest ist da eine spritzig-frische Note. (77)

Taste: Prickelnd, der Alkohol ist nicht gut eingebunden. Simple Aromen von Zuckerwatte, Vanille und Gerstenmalz entfalten sich vor dem Hintergrund würzigen, bitteren Eichenholzes. (74)

Finish: Das Eichenholz kann nicht wirklich begeistern, es wirkt eher alt und müde. Die Gewürze aus 15 Jahren versuchen trotzdem ihr bestes, sogar einige Nüsse sind mit im Spiel. Insgesamt trocken, nur ein wenig Vanille und Honig sorgen für Abwechslung. (75)

Fazit: Die zusätzlichen drei Jahre im Fass führen zu merklich mehr Reife und Balance, allerdings immer noch auf einem sehr niedrigen Niveau.

Eine Miniatur des 18-jährigen Tomatin.

Tomatin 18 Jahre

Finish in Oloroso Sherryfässern / 46,0%Vol. / Link zur Whiskybase (große Version)

Den Abschluss der Reihe bildet dieser 18-Jährige mit immerhin 46%. Auch hier wurde „nachgeholfen“, wobei Oloroso für meinen Geschmack immer noch die vielversprechendste Sherrysorte ist.

Nose: Der gefällt mir schon besser, sehr rund und harmonisch. Bei weitem nicht so süß, trotz Datteln und Nüsse, die der Oloroso beisteuert. Die Eiche kann mit feiner Würzigkeit punkten. Reife Äpfel und Bienenwaben sorgen schließlich für den Aha-Moment. (85)

Taste: Der Alkohol ist etwas besser integriert, Eichenholz und Nüsse überzeugen jedoch mit sanfter Würze. Das Alter macht sich bemerkbar, auch hier waren die Bienen fleißig. Weiße Trauben verweisen auf den Sherry. (84)

Finish: Eiche und Sherry vertragen sich gut, das ergibt eine süffige Mischung. Die Tannine vom Fassholz werden gekonnt in Szene gesetzt, alles ohne Fehlaromen. (85)

Fazit: Ein Beispiel für eine gelungene Nachreifung, Spuren von Tiefe inklusive. Beileibe kein Überflieger, aber im Anschluss an die beiden jüngeren Vertreter eine echte Wohltat.

Eine Flasche 10-jähriger Tomatin, abgefüllt in den 1960ern.

Tomatin 10 Jahre Pure Highland Malt

Eichenfässer / 43,0%Vol. / Link zur Whiskybase

Die alten Standards waren ja nicht so der Hit, zum Vergleich eine ganz alte Originalabfüllung. Diese Flasche war für den Export nach Italien bestimmt, wahrscheinlich in den 60ern.

Nose: Halleluja, ist der ansprechend! Legt gleich los, die Aromenstruktur ist sehr offen und reich. Sanfte Vanille und schmelzende Bienenwaben auf warmen Brot machen den Anfang. Das Eichenholz ist à point und wird von Rauchspuren und Anklängen von Old Bottle Flavour umschmeichelt. Old school-Sherry bereichert mit fruchtigen und feinen Akzenten. (90)

Taste: Geschmeidig und lieblich. Die nur 43% fordern ihren Tribut, aber er wirkt noch nicht dünn. Honig vermengt sich mit Gerstenmalz, während die Eiche ihren Charme in Form von Gewürzen und schokoladigen Tanninen ausspielt. Hinter Vanille verbergen sich einige Nuancen von Kirschen und OBF. Mit Marzipan verfeinertes Frühstücksgebäck. (89)

Finish: Es wird trockener. Gerstenmalz und Eichenholzwürze legen nochmal eins drauf, aber es bleibt alles sehr ausgewogen. Zum Ende hin verbreiten Haselnüsse, Leder und Politur die Aura von Längstvergangenem. (88)

Fazit: Der benötigt keine Zeit, um sich zu entfalten, der ist sofort da. Bleibt dafür aber auch nicht so lange. Trotzdem – ein Malt, der der in seiner Qualität von jeder Brennerei als Maßstab für eine 10-jährige Standardabfüllung verwendet werden sollte 😉 Man wird ja noch träumen dürfen (und dazu lädt dieser Dram definitiv ein).

Die Umverpackung des 1994er Tomatin von Edition Spirits.
Eine Flasche Tomatin, abgefüllt von Edition Spirits. Der Inhalt stammt aus dem Fass Nummer HL18213.

Tomatin 1994 ED Cask HL18213

Sherry Butt 25 Jahre bis 2020 / 47,9%Vol. / Link zur Whiskybase

Schauen wir mal, was unabhängige Abfüller so mit dem Spirit von Tomatin anstellen. Dieser wurde in ein einzelnes Sherry Butt gepackt, Edition Spirits hat nach 25 Jahren noch 402 Flaschen in Fassstärke herausgeholt.

Nose: Es beginnt mit einem vitalem Gleichgewicht zwischen Sherry und Eichenholz; ein paar Rosinen, ein paar Gewürze. Bald wandelt sich die Frucht und ich bekomme hauptsächlich Apfel und Cassis, während staubige Honigwaben und Bananenmilch den Gegenpol bilden. Kaffeeschokolade mit Salz und Nüssen bilden die dritte Welle. (88)

Taste: So kräftig und malzig hatte ich den nicht erwartet, viele Gewürze verbreiten sich im Mund. Außerdem kommen da noch einige gemäßigte Tannine vom Holz, mittels Nelke und Zimt wirkt der Dram tatsächlich wie 25 Jahre. Grundsätzlich eher trocken, der Sherry ist präsent, aber vorerst dezent mit vielen Nüssen und einigen roten Beeren. Dann, nach über einer Minute wird er mega – Wachs und gelbe Tropenfrüchte und Tabak und unendlich viel mehr! (89)

Finish: Fassholz und Sherry bleiben bei ihrem ausgeklügelten Tanz aus trockenem Gewürzpulver und genial dosierten Beeren. Herrliche Nussschokolade und gesalzenes Wachs knüpfen die Brücke zum Old school-Style des 10-Jährigen. Es verbleibt eine ölig-kupferne Textur. (89)

Fazit: Eine Reise! In der Nase plätschert noch alles vor sich hin, entwickelt sich gemächlich und verspricht einen überdurchschnittlichen, grazilen Wohlfühlwhisky ohne große Highlights. Im Mund dann der übermotivierte, holprige Antritt, bevor der Dram auf einmal wie ausgewechselt wirkt und förmlich zu explodieren scheint, so vergleichsweise komplex ist er. Auf der letzten Etappe mäandert er dann gediegen aus.

Ein dekorativer Dekanter mit 30-jährigem Tomatin.

Tomatin 30 Jahre Centenary

Eichenfässer bis 1997 / 43,0%Vol. / Link zur Whiskybase

Zu 100-Jahr-Feier der Brennerei wurden einige wenige Fässer ausgewählt, alles spätestens in 1967 destilliert. Von diesem Jubiläums-Batch gab es 800 in der 0,7-Liter-Einheit und 200 weitere, größere Dekanter.

Nose: Sieht aus wie eine Sherryfassreifung, ist auch eine. Getrocknete Kirschen in Karamell gepaart mit beschwippsten Rosinen werden von Leder und Möbelpolitur untermalt. Schwer und ölig steigen die Aromen in die Nase, gehaltvoll und harmonisch. Neben Eichenholz kann auch Tannenharz entdeckt werden, welches in Wabenhonig übergeht. (91)

Taste: Sehr rund und samtig. Einzig die Gewürze des Eichenholzes bizzeln leicht auf der Zunge, Tabak inklusive. Von Zartbitterschokolade bis Trüffelschokolade ist alles dabei, die Tannine sind bemerkenswert gefällig. Der Sherryeinfluss ist superb und versorgt mit Pflaumen und Orangen. (90)

Finish: Das würzige Eichenholz strahlt eine angenehme Trockenheit aus, Tabak unterstützt. Kakao und Schokolade leiten über zu Nüssen und fruchtigen Sherrynoten. Sehr sanft, dieser Nachklang, und leider so schnell vorbei. (89)

Fazit: Von vorne bis hinten ein sehr stimmiges Aromenspektrum. Wie so oft bei diesen alten Malts vertragen sich Sherryeinfluss und Fassholz ganz wunderbar. Lediglich die geringe Alkoholstärke macht ein bisschen Kummer, da hätte mehr drin sein können.

Tomatin wird im Übrigens den Highlands zugeordnet, liegt aber gar nicht weit weg von der Speyside. Geschmacklich nimmt man den Abfüllungen beide Regionen ab, nicht umsonst bezeichnet sich der Grenzgänger als „The softer side of the Highlands“. Dem Zeitgeist folgend wird seit 2005 in der letzten Woche eines jeden Jahres die rauchige Modeerscheinung Cù Bòcan produziert. Einige dieser Editionen werde ich mir voraussichtlich Ende August zu Gemüte führen, wenn alles nach Plan läuft, bin ich dann vor Ort. Übersetzt bedeutet Tomatin „Hügel des Wacholderbusches“, bin gespannt ob der Name zutrifft.

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Samples privat gekauft | Bilder eigenangefertigt bzw. mit freundlicher Genehmigung der Whiskybase