It’s not a Scotch, it’s a Gerstler
Seit 1999 wird auch in Oberbayern Whisky gebrannt: SLYRS (gesprochen ‚Schliers‘). Dieser Name ist eine alte Bezeichnung gälischer Herkunft für die Region um den Schliersee, wo die Brennerei auch zu finden ist. Eingeführt wurde er von fünf Mönchen aus Irland und Schottland, welche sich im 8. Jahrhundert hier niederließen und ein gleichnamiges Kloster erbauten.
Mutterkonzern ist die Lantenhammer Destillerie, die seit einigen Jahren dem Zeitgeist folgend auch Rum, Gin und Wodka produziert, ursprünglich aber als Hersteller von typischen bayrischen Edelbränden groß geworden ist. Und hier liegt meines Erachtens das Problem mit den Whiskys von Slyrs, denn gebrannt wird zwar im zweifachen Pot Still-Verfahren, jedoch mit Brennblasen, deren Form von Kupferkesseln inspiriert worden ist, wie sie normalerweise für Obstbrände verwendet werden. Geschmacklich schlägt sich das in einer deutlichen Obstlernote nieder. Standardmäßig lagert Slyrs sein Destillat in neuen, 225l großen Fässern aus amerikanischer Weißeiche, welche von der World Cooperage bezogen werden. Virgin Oak alleine wird aber schnell langweilig, darum wird auch viel Finishing betrieben:
Slyrs Marsala Cask Finish
American Virgin White Oak, Marsala Superiore DOC Cask Finish / 46,0%Vol. / Link zur Whiskybase
Nach drei Jahren im frischen Eichenholzfass erfolgt für bis zu 17 Monate ein Finish mit ehemaligen Marsalafässern. Wie viele andere Likörweine auch, wird der nach der sizilianischen Hafenstadt benannte Marsala traditionell ebenfalls während der Traubengärung aufgespritet, eine Methode aus alten Tagen, um den Wein für Transportzwecke haltbar zu machen. ‚Superiore‘ bedeutet, dass der vormals im Fass enthaltene Marsala mindestens zwei Jahre alt war.
Nose: Helles Eichenholz mit der Süße von Karamell und Trockenfrüchten. Orange, Dattel und Birne in gesalzenem Honig ergeben ein weiches Bild und doch, der Alkohol funkt manchmal scharf dazwischen. (79)
Taste: Puh, Obstler und Gerstler in einem. Das Eichenholz ist schokoladig und würzig, mit Ingwer und Lakritz. Die Fruchtigkeit des Marsalas zeigt sich auch. (72)
Finish: Gerstenmalz und Eichenholz haben einen bitteren und grasigen Touch. Lang ist er nicht, aber wachsig. Mit herben Zitrusnoten und flacher Würze zieht er weiter. (74)
Fazit: Gute Ansätze abgesehen von dem grausigen Antritt.
Slyrs Port Cask Finish
American Virgin White Oak, Port Cask Finish / 46,0%Vol. / Link zur Whiskybase
Auch hier fand die Reifung in den ersten drei Jahren in den üblichen amerikanischen Eichenfässern statt, bevor für bis zu neun Monate gefinisht wurde. Diesmal in ehemaligen Portweinfässern.
Nose: Fruchtiger und runder als die Marsala-Edition, kein störender Alkohol. Ein schöner Samstagmorgen mit Orangen, Kirschen und Pflaumen. Mit Karamell und Schokolade überzogene Frühstückswaffeln gibt’s dazu. (80)
Taste: Seidigweiches Karamell mit einigen Gewürzen und roten Früchten vom Port, das Ganze fast ohne Obstler. Jung ist er trotzdem, mit Schokolade und Tabak hat er dennoch einige Aromen mit „Reife“ abbekommen. (77)
Finish: Der Port nimmt nochmal Fahrt auf: Gewürze, Blutorangen und rote Früchte, da kommt fast Glühweinstimmung auf. Anklänge von Malz und zartbittere Nussschokolade verbreiten zusätzliche Wärme. (80)
Fazit: Stimmiger und mehr wie ein Whisky als der Marsala, aber immer noch keiner, von dem ich einen zweiten Schluck nehmen möchte.
Slyrs Pedro Ximénez Cask Finish
American Virgin White Oak, Pedro Ximénez Cask Finish / 46,0%Vol. / Link zur Whiskybase
Auch auf Sherryfässer hat Slyrs Zugriff, es bestehen nämlich geschäftliche Beziehungen zur Bodegas Tradición, welche ihre Fässer unter anderem mit süßem PX Sherry belegen. Dieser Slyrs wurde nach seiner dreijährigen Standardreife noch für neun weitere Monate in einem solchen Fass gelagert.
Nose: Außer Nussschokolade ist wenig zu entdecken, die Trockenfrüchte des Sherrys sind gut integriert und ziemlich dezent. Genauso ist es mit dem Honig. (77)
Taste: Klebrigsüß, Karamell ist überall. Der Sherry ist nicht nur süß, sondern transportiert tatsächlich auch etwas Frucht. Kaffeeschokolade verleiht dem Malt immerhin eine interessante Note, kann aber nicht vom Obstler ablenken. (73)
Finish: Hinweise auf würziges Eichenholz bringen ein wenig Abwechslung, die Nüsse ebenfalls. Ansonsten die üblichen schokoladigen Noten von Sherry. (75)
Fazit: Spannend geht anders. Der hat einfach zu wenig Fass gesehen.
Slyrs Fifty One
American Virgin White Oak, Sherry, Port & Sauternes Casks / 51,0%Vol. / Link zur Whiskybase
Der Fifty One kommt mit einer höheren Alkoholstärke daher und es wird ein Sammelsurium an Fassarten verwendet, teilweise in Vollreifung, teilweise als Finish.
Nose: Recht ausbalanciert zwischen fruchtig und malzig. Die Likörweine verschaffen sich in jedem Fall Aufmerksamkeit, aber auch mit vereinten Kräften schaffen sie es nicht, die Idee von Vielseitigkeit zu vermitteln. Unlecker ist er jedoch nicht. (78)
Taste: Der höhere Alkoholgehalt bereichert nicht, er zerstört. Die Jugend und der Obstler kommen dadurch deutlich kräftiger rüber. Würzig ist er und leider etwas bitter. Viel Karamell und Nussschokolade ist wieder vorhanden, erfreulicherweise auch die Kaffeenote. (72)
Finish: Das Eichenholz ist ganz ok, pfeffrige Gewürze begleiten es. Sahniges Karamell gesellt sich dazu, bald darauf wird es grasig mit einem Hauch Kaffee. (76)
Fazit: Der 51er ist von allen hier probierten Slyrs im Charakter am wenigsten eigenständig. Den hätte es jetzt nicht unbedingt im Portfolio gebraucht. Wahrscheinlich gibt es aber Gründe für seine Existenz.
Ich bin wahrlich kein Fan von Obstler, aber wer damit zurecht kommt, wird Slyrs besser schätzen können. Aus vergangenen Tastings hatte ich dieses Aroma allerdings als noch stärker in Erinnerung. Das waren allesamt sehr junge Malts, vielleicht sieht es beim 12-jährigen Flaggschiff von Slyrs anders aus?
Samples privat gekauft | Bilder eigenangefertigt bzw. mit freundlicher Genehmigung der Whiskybase
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