Drei Whisky in Blindtastinggläsern

Neun Jahre keinehalbendrinks.de – Zwei wunderbare Abende

Neun Jahre sind ins Land gegangen, seit die ersten Wörter hier veröffentlicht wurden. Eine gute und schöne Gelegenheit zu feiern. Diesmal gleich in zwei Akten. Beginnen möchte ich mit einer Brennereibesichtigung der besonderen Art.

Saillt Mór in Bad Dürkheim

Im Dezember 2023 habe ich schon mal von dieser Destillerie berichtet (Link). Damals hatte ich dem lieben Jens eine Flasche aus meinem Fassanteil überlassen. Ich hatte noch gescherzt, er könne sie ja mal beim Herrn Hauer, dem Mann hinter Saillt Mór, vorbeibringen. Der freut sich bestimmt sehr. Jens wohnt in Bad Dürkheim und ist mit seiner Familie einer meiner Ankerpunkte in der schönen Pfalz. Nun, etwas über ein Jahr später, hat es mich beruflich in die Gegend verschlagen. Das hat Jens zum Anlass genommen uns bei Herrn Hauer zum Besuch anzumelden.

Was soll ich sagen, daraus sollte ein wunderschöner Abend erwachsen, mit Fachsimpelei und Nerdtum vom Feinsten. Wir haben uns über alles unterhalten. Vom Weinbau, der natürlich die Region prägt, über Brennrechte, bis hin zum privilegierten Bau und Nachfolgeregelungen in der Landwirtschaft.

Nicht zu vergessen aber natürlich auch über Whisky. Wir durften vieles verkosten. Als ein Highlight möchte ich dabei die Pfälzer Eiche festhalten. Sie repräsentiert was Saillt Mór für mich ist: ein eigenständiges Destillat, keine schlechte Kopie des Originals aus Schottland. Auch die anderen Abfüllungen, fast alles Single Casks, haben alle ihren eigenen Charme, meistens eine Geschichte aber immer eine extrem hohe Qualität im Grundprodukt.

Wie selbstverständlich waren wir dann auch noch im Fasslager und in der Brennerei. Dabei ging es noch tiefer in die Materie und mit wachsender Faszination haben Jens und ich den Mut, das Handwerk und die Kreativität von Ralf Hauer erleben dürfen. Als Auszug: Wir haben eine Fino Sherry Vollreifung von 12 Jahren probiert, auf deren Abfüllung wir uns jetzt schon freuen. Wir durften von einem Fass probieren, dass ausschließlich aus Vorlauf destilliert wurde. Und wir konnten ein Fass sehen, dass so viel Eigenleben entwickelt hat, dass man es mit Leinen abdichten musste um es dann noch schnell abzufüllen. Nur um dann zu einer sehr gut bewerteten Single Port Cask Abfüllung zu werden.

Ihr seht: wir hatten Spaß. Und zwar alle drei. Herr Hauer genauso wie wir. Nicht nur, weil er die schöne Flasche von den Casqueteers in den Händen halten durfte (er hatte sie gelabelt noch gar nicht gesehen), sondern auch weil wir mit ihm so wunderbar tief in die Materie abgetaucht sind. Über vier Stunden hat er sich Zeit genommen und sie auch selbst sichtlich genießen können.

Wenn ihr also mal in der Gegend seid: Große Empfehlung. Schaut rein und erlebt die familiäre, offene Atmosphäre und großes Handwerk. Und wenn ihr auf einer Messe (z.B. alsbald in Limburg), bei Saillt Mór vorbei kommt: probiert und überprüft selbst, was da in den Flaschen ist. Ich bin mir fast sicher ihr seid positiv überrascht.

Die „offizielle“ Jubiläumsfeier

Wie seit ein paar Jahren üblich: Ich habe die Menschen, die mit dem Blog zu tun haben oder es mir ermöglichen, zur Jubiläumsfeier eingeladen. Es gibt natürlich guten Whisky, aber immer auch Cocktails. Damit wollen wir ein wenig an den Ursprung von keinehalbendrinks.de erinnern.
Saillt Mór ist dann auch das verbindende Element in den zweiten Abend. Priscilla, Christian und Tobias sitzen zusammen und haben als ersten Whisky den Saillt Mór Double Wood im Glas. Blind verkostet, siehe Titelbild, um keine Voreingenommenheit gegenüber deutschem Whisky aufkommen zu lassen.

Saillt Mór Double Wood

Eine Flasche Saillt Mór Double Wood

Am besten kann zu einem guten Bottling noch eine schöne Geschichte erzählen. In diesem Fall gilt der alte Spruch „Tragödie + Zeit = Komödie“. Heute kann man darüber lachen, in dem Moment in dem das PX-Fass leckt und man es umfüllen muss, nun da war sicher wenig Spaß dabei. Heraus kommt dann ein Bottling mit einer 3-monatigen Reifung im PX und anschließend fast 6 Jahre im Bourbon Cask. Abgefüllt wurde mit 57,6%. Link zur Whiskybase

Nase: Erdbeeren und Erdnusscreme, leicht speckig. Aprikosenmarmelade. Dahinter kommen ein wenig Rosinen und wir biegen in Richtung Kaiserschmarren ab.

Mund: „Die Oma hat irgendwas im Keller gefunden.“ schallt es von links. Ich finde eine schöne Bourbonsüße, die den anpackenden Pfeffer gut kontert. Auch kommt wieder eine schöne Fruchtigkeit durch.

Abgang: Würzig, wieder die Bourbonsüße, etwas Sahne dazu. Ingwersirup, kandierte Zitronen. Eine tolle Länge für das junge Alter.

Fazit: Priscilla: „Nachspeisenwhisky, sehr lecker ich gebe 87.“ Christian: „Zahnarztwhisky, mit Lakritze. Das ist doch kein Nachspeisenwhisky, das ist ein Amuse. Kann man gut trinken, 85+.“ Und hier muss man anmerken, die beiden dachten sie haben Scotch im Glas. Ich selbst komme auf 86 Punkte und gerne auch mehr, wenn man mich nach der emotionalen Wertung fragt. Was ich aber erneut betonen muss: Das ist ein komplett eigenständiges Produkt, basierend auf einem Spirit in extrem hoher Qualität. Das ist kein Scotch Single Malt Imitat. Und so rockt er für mich!

Glen Garry Finest Scotch Whisky „and St. Magdalene“

Ein Sample Glen Garry St. Magdalene

Glen Garry hatte ich ja schon einige hier im Blog und auch erzählt wie man den Hauptanteil erkennt. In klein ist aufgedruckt aus welcher Destille dieser stammt. Hier haben wir die 40% Variante mit St. Magdalene drin. Link zur Whiskybase zu genau diesem Sample gibt es noch nicht. Ich kümmere mich demnächst darum.

Nase: Einiges an Tankstelle, Phenole, entfernte Dieselnoten, Getreidefeld irgendwo dazwischen, gute würzige Struktur.

Mund: Honig, aber mit sehr wenig Süße. Sonnenblumenöl, gemähtes Gras. Etwas Kaffeepulver, eine Prise Pfeffer.

Abgang: Trocken, etwas laktische Noten, schöne Süße und ordentliche Würze noch. Wird dann doch etwas dünner. Metall

Fazit: Das ist sehr schön. Ein Blend, den ich so jederzeit wieder kaufen würde. Warum gibt es sowas heute nicht mehr? Also mal ganz unabhängig davon dass StM nicht mehr existiert. Christian stimmt zu. Er ist überrascht wie das mit 40% möglich ist. 88/100

St. Magdalene 1964 – Gordon & MacPhail

Was ist noch besser als ein Lost Distillery Bottling? Eines aus einer ikonische Abfüllserie. Der 18-jährige StM aus der Brown Label Reihe von Gordon & MacPhail ist eine Hausnummer. Wie bekannt ist hier nichts weiter bekannt, außer dass es nur 40% sind. Link zur Whiskybase

Nase: Kandierte Orange, eine Öllampe, Schwarztee und eine kräutrige Note bis hin zum Kräuterbitter, Zitronengras, Milchkaffee. Das ganze ist eingefasst in eine metallische Note. Man könnte sagen die Zutaten liegen in einer metallenen Kiste.

Mund: Frische Zitrusnote, die metallische Noten dazu, vor allem Kupfer, Low-Level Phenole, Salz und auch wieder kandierte Orangen. Irgendwann kommen auch die Kräuter und der Tee wieder.

Abgang: Gebäckstücke auf dem Parkplatz vor der Tankstelle. Es rust, es raucht und doch ist es vanillig, malzig und fruchtig. Metall und Kräuter bleiben. Mit der Zeit wird es dann etwas leiser und nach mittlerer Länge kann man nachfassen.

Fazit: Christian ist nicht sold, ihm ist das zu wenig Alkohol. 88/100 Tobias findet das ist eine unglaublich komplexe Abfüllung mit hoher Intensität, trotz Trinkstärke. 91/100

Bridgend – Eine rauchige Hommage an den Brooklyn

Weiter geht es mit Christians Cocktailkreation. Hier sein Pitch dazu: „Für mich eines der jährlichen Highlights und wir kommen mittlerweile ja viel zu selten dazu uns mit Cocktails zu beschäftigen. Müssen wir irgendwie wieder öfter tun. Als Liebhaber klassischer Whisky-Cocktails war für mich von vornherein klar, die Basis sollte ein Vintage-Drink sein. Idealerweise eine Variante eines meiner All-Time-Favorites, dem Manhattan. Dabei stieß ich auf den Brooklyn – ein unterschätzter Klassiker, der mit Rye, trockenem Wermut, Maraschino und Amer Picon genau die Zutaten vereint, die ich liebe.

Besonders angetan hat es mir dabei der Schladerer Maraschino, der für mich geschmacklich weit über den italienischen Varianten liegt, sowie der herbbittere Amer Picon bei dem wir in der Vergangenheit schon ganze Tastings gemacht haben. Somit wurde für den heutigen Abend auch wieder eine vintage Flasche geöffnet. Aber irgendetwas muss ich ja noch verändern … und was liegt näher als den Borubon/Rye zu ersetzen? Was macht jeden Drink besser? Richtig – Rauch. Also habe ich den Rye durch meinen Lieblingswhisky ersetzt : Port Charlotte, und zwar nicht irgendeinen, sondern den sherryfassgereiften 18 Jahre alten Friends of Mark, passend zum besonderen Anlass.

So entstand eine tiefgründige, aromatische Abwandlung des Brooklyn. Das Original nach dem Stadtteil aus New York benannt mit der markanten Brücke. Entsprechend haben ich ihn einem Ort auf dem Weg zur Bruichladdich Brennerei benannt der auch eine, wenn auch kleinere Brücke hat: Bridgend – ein Cocktail, der Islay und die Cocktailkultur auf elegante Weise verbindet.“

Während wir den Cocktail mit großer Freude vernaschen, mal wieder sowas wie ein Sherry-PC als Cocktail, das kann ja gar nicht schlecht sein, kommen wir nochmal auch Laddie zurück. Mark Rennier ist quasi unser Held, weil er Laddie revived hat. Aber Tobias findet immer noch schwierig, dass er sich von Rudolf Steiners Rassentheorie nicht distanziert. Vielleicht hat sich hier das Karma gerächt, denn seine biodynamische, irische Destillerie hat es leider nicht geschafft und ist insolvent.

Das tut unserem Spaß aber an diesem Abend keinerlei Abbruch. Was aber einen Abbruch hatte war der Korken von Christians Vintage Zutat. Hier auch im Bild festgehalten. Er hat das Problem fachmännisch gelöst. Als guter Gastgeber hat er sich selbst sogar das einzige Glas gegeben, dass noch mikroskopische Korkenbrösel hatte. Chapeau.

Scapa 8-Years-old – Gordon & MacPhail

Ein Sample Scapa 8 von Gordon & MacPhail

Eines der Bottlings, die man mal probiert haben sollte. Ein 8-jähriger Scapa von Gordon & MacPhail. Ich hatte schon mal die Großflasche. Auch das Sample ist abgefüllt mit 57%, aber ob es davon Batches gab und ob man die identifizieren kann – keine Ahnung. Link zur Whiskybase für die 75cl Bottle.

Nase: Da ist irgendwas falsch. Irgendwas Vergorenes. Unglaublich intensiv aber sehr fordernd und auch keine Aromen, die man immer präsent hat. Ich versuche es mal: Getrocknete Wildblumen mit einer Salzkruste überzogen. Beschwipste gelbe Früchte mit einer mineralischen Kruste. Ein Stück Pappkartonn karamellisiert in Vanillezucker.

Mund: Sonnenblumenöl, Heidekraut, Kiesweg und als Kontrapunkt beissender Pfeffer. Eine leichte Rauchfahne und ein wenig Vanille.

Abgang: Sehr viel Honig, Heidekraut, Muschelsuppe, relativ viel Bitterstoffe. Amaro, angebrannte Gewürze, Zitrusschalen. Die Länge ist dementsprechend sehr solide.

Fazit: Zielsicher hab ich hier mit „Highland Park“ daneben gelegen. Na gut, so weit ist der Weg auf Orkney nicht. Näherungsweise also in Ordnung. Nach der Auflösung haben wir festgestellt: Der ist noch intensiver als die Großflasche. Sehr lecker! Aber da muss man schon stabil im Tag stehen, um das zu „ertragen“. 88-89/100 Mit einer zweiten Chance (danke für den Samplerest Christian!) bin ich dann doch bei 90. Aber das ist sicher eine Frage der Tagesform.

Port Charlotte 1982 – The Bottlers

Eine Flasche Port Charlotte 1982 von The Bottlers

Ein berühmtes PE Bottling. Generell sind die Preise für Port Ellen natürlich über die Zeit gestiegen, bei manchen aber deutlich mehr. Und jene sind scheinbar die richtig guten. So auch dieses 1982er Bottling von The Bottlers. Natürlich wusste ich noch nicht was ich da im Glas habe, aber euch kann ich es ja vorab verraten. 19 Jahre im Refill Sherry und abgefüllt mit 61,7%. Link zur Whiskybase

Nase: Altes Holz, Politur, Orange Zitrus, brutal viel Vanille, auch diverse weihnachtliche Noten. Wenn ich tief tief tief einatme, dann kommt der Kuhstall.

Mund: Beerentrester in Butter geschwenkt, Dazu spicy chilli Lachsrolle. Mit der Zeit kommt eine schöne BBQ und Lagerfeuernote. Lecker.

Abgang: Viele Bitterstoffe, vor allem durch die Kerne vom Trester von eben. Vanille ist auch wieder da. Etwas Metall dazu.

Fazit: Großartiger Stoff. Am geilsten fand ich, wie es gedauert hat bis der Torf sich aufgebaut hat. Bis dahin würde ich auch Bruichladdich Bloodtubs und dergleichen vermuten. Ab dann ist es der absolute Knaller. 91 Punkte von Tobias, 92 Punkte von Christian.

JAR-NOBYL

Einer der ersten Sätze des Abends war „mein Cocktail kommt als letztes, ich will nicht dass ihr euch die Sensorik am Anfang schon zerhagelt“. So haben wir es dann auch gemacht. Mein Cocktail hatte auch eher Eventcharakter. Ich habe mir überlegt mit der Infusion im Glasbehälter, dem JAR, weiter zu experimentieren. Wir erinnern uns: Letztes Jahr hatte ich schon eine Chai-Tee-Infusion gemacht und damit einen etwas anderen Blood & Sand gemixt.

Diesmal habe ich als Ausgangslage Absinth mit Chili infusiert (5 Stunden reichen locker!) und dann zum Mixen an den Tresen gebeten. Denn nicht ich habe das Getränkt gemixt, jeder musste selbst an Glas und Zutaten. Ich habe nur das Szenario bereitet. Und das ging so:

Vor den Gästen steht ein Old Fashioned Glas, gut runtergekühlt und mit Octomore parfümiert. Ich bitte die beiden es an die Nase zu führen und sich vorzustellen: „Ihr seid Kernkrafttechniker und gemeinsam auf einer Konferenz und Besichtigung in einem anderen Kraftwerk. Es riecht alles so wie ihr es gewohnt seid nach Maschinenraum. Doch plötzlich entdeckt ihr, dass an einer Stelle grün leuchtende Flüssigkeit austritt. Wie es sich für eure Professionalität gehört macht ihr natürlich sofort einen Geschmackstest.“ Großes Lachen und ich gieße jedem 1cl von der Absinthinfusion ins Glas. Wir probieren gemeinsam und der gewünschte Effekt tritt sofort ein. „Oh Gott was ist denn das?“ Die gesamte Sensorik ist im Alarmzustand. „Das ist radioaktives Material, schnell Kühlflüssigkeit (eisgekühltes Wasser) drauf.“ Wir probieren erneut, stellen aber nur geringe Linderung fest. Jetzt müssen Spezialflüssigkeiten ran! Ab hier dürfen die Gäste aus den bereitgestellten Zutaten, die selbst wieder zum Blood & Sand gehören solange experimentieren, bis sie mit dem Cocktail zufrieden sind. Christian glaubte drei oder vier mal „jetzt passt es“, nur um dann Sekunden später „ne das geht gar nicht“ zu sagen. Priscilla hingegen war sehr zurückhaltend, um es „nicht noch schlimmer zu machen“ und hat sich einfach durchgebissen.

Wir hatten wirklich großen Spaß und haben diese Dekonstruktion hin zur Rekonstruktion wirklich gefeiert. Ob das ein besonders toller Cocktail ist? Eher nein (auch nicht fürchterlich, wir mögen ja die Zutaten). Aber der Spaßfaktor war ganz sicher bei 9 von 10.

Danke!

Es ist selbstverständlich auch wieder Zeit danke zu sagen. Euch den Lesern sowieso. Danke für die Treue und die netten Kontakte, die Inspiration, es ist einfach eine Freude. Danke an Priscilla, Christian, Jens und Ralf Hauer für diese beiden wunderschönen Abende. Das hat erneut bewiesen, dass die Whiskygemeinde mehr sowas wie eine Familie ist, wenn man die richtigen Leute trifft. Da geht einem das Herz auf.

Mehr zu: Blends, Deutschland, Port Ellen, Scapa, St. Magdalene
Bilder: Eigene Anfertigung und freundliche Überlassung der Whiskybase
Samples: Eigene Flaschen, privat und von Simple Sample gekauft