Die guten alten Standards

Normalerweise mache ich einen Bogen um die Standardabfüllungen der Brennereien. Ich gehöre einfach nicht zur Zielgruppe, also gehen wir uns gegenseitig aus dem Weg und gut ist. Zumindest trifft das auf die modernen Editionen der, sagen wir mal letzten zehn bis fünfzehn Jahre zu. Die Jahrzehnte davor, da fühle ich mich schon eher heimisch. Mal schauen, Samplefläschchen aufgeschraubt und los geht’s:

Ein alter Linkwood

Linkwood 12 Jahre

Eichenfässer / 40%Vol. / Link zur Whiskybase

In den 1980ern abgefüllt und für den Import nach Italien bestimmt, damals war der Malt noch ‚pure‘ und nicht ’single‘.

Nose: Ölig, cremig, sämig, wachsig wie alter Honig, der mit Vanille und Früchten verfeinert worden ist und in einem Holzgefäß lagern durfte. Apfel, Grapefruit und Aprikose führen die Obstschar an, in der auch Datteln und Orangeat enthalten sind. Harmoniert wahnsinnig gut mit gemahlenen Gewürzen. (87)

Taste: Leicht staubig und mit gutem Volumen trotz der niedrigen Alkoholstärke. Ein aromatischer Antritt aus wachsigem Honig und Gerstenmalz trifft die Zunge. Gemahlene Haselnüsse und Eiche tragen würzige Bitterstoffe und Vanille heran. Früchte sind auch da, aber außer etwas Orangeat sticht nichts im Speziellen heraus. (85)

Finish: Ziemlich repetitiv. Gerstenmalz und Honig, Eichenholz und Nüsse. Funktioniert aber ganz gut, bleibt auch lange präsent. Erdig. Dazu der grasige Touch blanchierter Mandeln und Metall. (86)

Fazit: Nicht herausragend, aber solide und in Teilen gewiss länger im Fass gewesen als die aufgedruckten zwölf Jahre. Am Gaumen leider nicht ganz so rund und stimmig wie in der Nase, die Flasche war vielleicht bisschen übern Zenit. Der Honig trägt definitiv die Handschrift der 80er Jahre.

Ein überraschend guter Dalmore, damals hat Whyte & Mackay sich noch richtig ins Zeug gelegt.

Dalmore 12 Jahre

Eichenfässer / 75°Proof / Link zur Whiskybase

Mit einem nominellen Alter von 12 Jahren stammt dieser Dalmore aus den späten 70ern, der Stoff reicht also mindestens in die 60er zurück. Der Proofgrad verortet den Highlander bei knapp 43 Volumenprozenten.

Nose: Ein ansprechendes Profil bestehend aus Heidehonig, verstaubtem Bienenwachs und dezentem Sherry mit Nüssen. Auch Karamell und ein wenig Malz kommen unter. Zwischendrin werden grasige Noten emittiert, welche verschiedene Zitrusfrüchte auf einer saftigen Blumenwiese miteinander verbinden. Die Mango wächst heute mal an der Eiche. (90)

Taste: Noch mehr von dem Honig. Einerseits mit vielen süßen und fruchtigen Elementen, doch rauchiges Eichenholz und Haselnüsse legen im Vergleich zur Nase nochmal eine Schippe obendrauf. Alles ist in Gewürze eingelegt oder wahlweise in Wachs konserviert. Wirkt richtig alt, auch erdig-schokoladige Tannine kommen durch. (90)

Finish: Die Tendenz geht zum Eichenholz und zu den Nüssen. Letzteres auch in Form von Haselnusscreme. Legt sich erdig, metallisch, fast schon fleischig an den Gaumen. Sowohl der wachsige Honig, als auch der dezente und fruchtige Sherry entfalten sich erst nach einer Minute so richtig. (91)

Fazit: So hab ich Dalmore noch nicht erlebt, das ist ja ein Malt mit Tiefgang! Im Ernst, da ist ständig was los, alles harmoniert und zwicken tut gar nix. Dagegen möchte man den heutigen 12er mit der Beißzange nimmer anfassen.

Ein alter Blair Athol

Blair Athol 12 Jahre

Eichenfässer / 46 G.L. / Link zur Whiskybase

Auch, wenn der Alkoholgehalt bei diesem Blair Athol in einer französischen Maßeinheit angegeben ist, so war diese Flasche doch für den italienischen Markt bestimmt, um zwar irgendwann in den 70ern.

Nose: Liebliche Vanille und verstaubtes Bienenwachs eröffnen den Reigen. Apfelstrudel und Mandeln steigen mit ein. Ziemlich ölig im Auftreten, auch leicht würzig. Dill und Ruß mischen sich sanft unter. Zeit fügt Orangeat und Zartbitterschokolade hinzu. (84)

Taste: Extrem ölig und smooth. Vanille, Wabenhonig und Gerstenmalz haben das erste Wort, doch bald darauf stimmen blumige Noten von Apfel und Mandeln mit ein. Gewürze und Bitterstoffe halten sich an der Basis auf, während Wachs und Dill höhere Gefilde aufsuchen. (84)

Finish: Das Eichenholz gibt sich firm und erdig, ebenso die Gewürze und das trockene Gerstenmalz. Mandeln und Haselnüsse schweben darüber. Heublumen verfangen sich am Gaumen. Relativ grasig, tatsächlich. (84)

Fazit: Ganz okay, das Profil ist konsistent und Fehlnoten sind nicht vorhanden. Dennoch vermute ich, dass die lange Flaschenlagerung etwas Tribut gezollt hat, gerade die Frucht baut durchaus schnell ab, wenn sie dem Sauerstoff ausgesetzt ist. Insgesamt trinkbar und nicht langweilig.

Ein alter Bowmore in einer braunen 1-Liter-Flasche

Bowmore 12 Jahre „Dumpy Brown Bottle“

Eichenfässer / 40%Vol. / Link zur Whiskybase

Einen 12er Bowmore aus den 1980ern hab ich gern im Glas, denn der Inhalt wurde somit frühestens in den 70ern destilliert und damals hat Bowmore richtig gute Sachen produziert.

Nose: Von Beginn an sehr fruchtig, Pfirsich, Mango, Guave, verschiedene Apfelsorten und viele, viele andere. Eine gute Balance zwischen Säure und Süße. Doch auch rostige Nägel, Kohlenstaub und sehr sanfte Asche finden rasch ihren Weg. Reichlich Wabenhonig und Lederpolitur gestalten den Malt cremig und ölig. Haselnüsse und Zimt steuern etwas Würze bei. (89)

Taste: Die Kombination aus Kohlestaub, dem großteils gelben Obst und Honig funktioniert wirklich gut. Kupfer harmoniert wunderbar mit den tropischen Früchten. Und dann stoßen die Nüsse hinzu, fein schokoladig und würzig. In den öligen Strukturen sind Kreidestaub, gemahlener Felsen und salzige Asche eingearbeitet. (88)

Finish: Erstmals macht sich das Eichenholz so richtig bemerkbar. Schön alt, nussig, würzig… einiges an Salz und Kupfer ist ebenfalls vorhanden. Eine leichte Süße kündigt noch einmal zarte Früchte an, bevor Leder und Nüsse das Ruder übernehmen. (88)

Fazit: An solche 12-jährigen Malts könnte ich mich gewöhnen. Komplex, tiefgründig, immer im Gleichgewicht mit dem Fass… nur der Alkoholgehalt lässt zu wünschen übrig. Durch die größtmögliche Verdünnung wirkt der Bowmore doch etwas schwächlich und dünn. Vielleicht sind die 43%-Versionen in der Hinsicht stabiler. Aber insgesamt ein tolles Old school-Ding!

Eine vielgesuchte Rarität: Ein Lagavulin vom weißen Pferd.

Lagavulin 12 Jahre – White Horse – Pure Islay Malt

Eichenfässer / Gradi 43° / Link zur Whiskybase

Tobias hat hier in der Vergangenheit mal einen recht ähnlichen Lagavulin verbloggt, aber wenigstens einen feinen Unterschied gibt es auf dem Etikett: Den Hinweis auf den Import nach Italien. Ein schickes Bottling aus den 70ern.

Nose: Asche und Kohlestaub sind fein vermischt. Belebendes Salz, dezente Austern und spritzige Zitrone katapultieren die Nase an die Südküste von Islay. Mango, Maracuja und Mirabelle treten in dreierlei Ausführungen auf: Frisch geschnitten, kandiert und mit Bienenwachs überzogen. Ölig mit alten Eisenbahnschienen darin. Der Eiche folgen gemahlene Gewürze und Nougat. Ein bisschen Kipper und Süßholz noch. (92)

Taste: Wow, geschmeidig wie flüssiger Heidehonig. Dazu Nougat mit reichlich Asche- und Rußpartikeln. Die gelben Früchte rücken langsam in den Mittelpunkt, während Rost, Kupfer und Motoröl eine Gegenbewegung starten. Die Textur ist leicht speckig und ein bisschen wie Salzlake. Durch Holzkohle wird es noch ein Stücken dreckiger. (91)

Finish: Die metallische, gelbfruchtige Stimmung türmt sich nochmal auf. Diese salzige Welle brandet an ein Klipp aus Asche, Kohle und Vulkanerde. Extrem ölig nochmal, Bitumenstyle. (91)

Fazit: Sollte die Blaupause für jeden Lagavulin sein. Ich finde es immer schön, wenn ein rauchiger Malt Platz für (nicht Sherry-stämmige) Fruchtnoten lässt, was hier ganz klar der Fall ist. Eindruck durch Eleganz, nicht durch Kraft. Der Style der 70er überzeugt mich wie immer.

Dieser Ardbeg wurde vermutlich in den 70ern gebrannt.

Ardbeg 10 Jahre

Eichenfässer / 40%Vol. / Link zur Whiskybase

Zu guter Letzt der Jungspund aus der Reihe, ein 10-jähriger Ardbeg aus den 80ern.

Nose: Relativ simples Raucharoma, leicht rußig und von Iod durchsetzt. Reife Früchte stecken in Wachs und Cheesecake: Mandarine, Limette und Mango. Im Hintergrund und gut eingebunden finden sich Zartbitterschokolade, trockene Waffeln und Eichenholz, ebenfalls trocken. (87)

Taste: Kraftvoller und druckvoller als erwartet. Ruß, Rauch und Asche teilen sich den Antritt mit Gerstenmalz, Salz und Eiche. Tannine bringen Zartbitterschokolade, Gummi und zähen Teer mit ins Geschehen. Das Iod ist etwas over the top. Kaum Früchte. (85)

Finish: Trocken und aschig. Kompaktes Eichenholz wird von Ruß, Salz und Iod flankiert. Anklänge von herber Zitrone können sich am Asphalt und am Blauschimmelkäse vorbeiarbeiten. (86)

Fazit: Könnte man als quirky bezeichnen. Immer wieder tauchen schräge Aromenkombinationen auf, bei denen man sich fragt, wo die denn jetzt auf einmal herkommen. Der Ten in den 2000ern war deutlich süßer, speckiger und dank der zusätzlichen 6% auch kräftiger. Ein herrlich unmoderner Ardbeg!

Wenn sie die Jahrzehnte in der Flasche gut überstehen, performen diese Malt richtig stark. Auffällig ist außerdem, dass sie voluminöser wirken, also ein alter 40-Prozentiger kommt eher wie ein 43- oder 46-Prozenter aus der heutigen Zeit rüber, mehr Aromen und weniger wässrig. Es kann sich durchaus lohnen, nach diesen verstaubten Dingern Ausschau zu halten.

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Samples privat gekauft | Titelbild eigenangefertigt, Flaschenbilder mit freundlicher Genehmigung der Whiskybase