Der Veranstaltungsort in Paris

WhiskyLive Paris 2024 – Alt, älter, noch älter

Ich habe dieses Jahr die WhiskyLive Paris besucht, so im Rahmen des 20. Geburtstags der Messe dachte ich mir ist das sicher eine gute Gelegenheit.
Und die ausgeschenkten Drams dort waren es auch wert! In mehreren Beiträgen geht es querbeet durch Spirituosen, Altersstufen, Länder und Abfüller. Legen wir mal mit den altehrwürdigen Spirituosen los, wobei älter nicht besser sein muss.

Glen Grant 65yo 1958/2023 „Mr George Legacy“

Der Mr George Legacy ist, fast ein Understatement, in der Flasche die auch sonst für die Connoisseurs Choice Upper Range vorgesehen ist abgefüllt, und nicht in einem prunkvollen Decanter.

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Nase: Eine außergewöhnlich vielschichtige Nase. Leder, dunkle Früchte (Rosinen, Feigen, Brombeeren, Pflaumenmus), leicht erdige Töne, Schwarztee, es drängt sich der Vergleich zu langgereiften Armagnac auf. Zigarrenstummel, Möbelpolitur, uralte Eichenmöbel, etwas ätherische Noten von Weihrauch.
Mund: Im Antritt sehr adstringierend, würzig, der Mundraum zieht sich zusammen. Dann wieder angenehmer: dunkle Beeren, Brombeeren und Cassis, Feigen, Datteln, aber hier mit einem Einschlag von Säure. Edelbitterschokolade. Mit Verweilzeit im Mundraum wird es immer bitterer, ein Espresso aus verbrannten Bohnen, (zu) kräftige Eichennoten.
Finish: Hier die volle Schrankwand. Bitterer Espresso, bleibt lang im Mund.

Eine wirklich fabelhafte Nase, im Mund überdurchschnittlich und dann im Abgang stark abfallend. Vom Destillat merke ich hier überhaupt nichts, da ist nur Fass.
90/100 (Nase 97, Mund 89, Finish 85)

„Bonnington“ Blended Scotch Whisky 1969/2023 Spirits Shop Selection

Der Bonnington 1969 Blended Scotch ist in einer Standard Liquor Bottle abgefüllt. Das Label ist mit einem chinesischen Drachen verziert.

Nicht in der Whiskybase.
Nase: Viel Aceton/Nagellackentferner beim ersten Riechen, fast wie bei manch einem Rhum. Etwas Kokos, und viel Holztöne – ein Töpfchen Kokosöl wird in einer Schreinerei erhitzt. Das wars.
Mund: Im Mund zuerst die volle Ladung Kokos und ein wenig Vanillekipferl. Das entwickelt sich mit Zeit im Mund dann aber von Vanille zu Tonkabohne und schließlich zu reiner Bitterkeit und Holznoten.
Finish: Kurz. Holzig und bitter

Ich nehme an ein sehr hoher Grain-Anteil. Hier ist bis auf die Klebernote vom Grain fast gar nichts mehr von Whisky zu merken. Das könnte auch 50 Jahre fassgelagerter Vodka sein. Nicht mein Fall, Alter ist eben nicht alles.
84/100

Glenburgie 1964/2023 Gordon & MacPhail Private Collection

Der Glenburgie von 1964 ist in einem Dekanter abgefüllt, welcher auch für weitere Flaschen der Private Collection Reihe des Abfüllers Gordon & MacPhail verwendet wird. Das Label ist schlicht mit dunklem Hintergrund und goldenen Lettern.

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Nase: In der Nase Bienenwachs, Blütenhonig, eine Obstwiese in voller Blüte. Pfirsich, Nektarine, Apfel, Orangenschale. Ein Bratapfel mit Zimt. Möbelwachs.
Mund: Kräftig im Antritt mit viel Frucht, vor allem gebackene Äpfel mit Zimt und warmer Vanillesauce. Zimt, Muskat, Honig, Bienenwachs. Die wachsigen Noten sind ebenfalls sehr, sehr kräftig. Mit Honig glasierte heimische Früchte. Birnen, Pfirsiche, Nektarinen, Quitten. Die lange Reifezeit macht sich nicht wirklich in Holznoten bemerkbar, lediglich eine leichte untermalende Würze. Etwas Mandarinen und Orangenschale.
Finish: Lang, fruchtig, wieder Wachs, Vanille.

Wow. Was für eine schöne Fruchtbombe, und diese Wachsnoten lassen sogar Clynelishs alt aussehen. Die Fruchtnoten sind intensiv, vielschichtig, kaum spürbare Holznoten. Ein fabelhaft gereifter Whisky!
94/100

Cragganmore 37yo 1986/2024 Whiskysponge

Die Flasche des Cragganmore sieht etwas älter aus und könnte mundgeblasen sein. Das Label ist old-school in cremefarben.

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Nase: Eine staubige Bibliothek. Frisch gebrannte Mandeln, Walnuss, ein Hauch Menthol, etwas Brombeere, dunkle Fruchtnoten, Kirschen.
Mund: Mundfüllend, rote heimische Frucht, Pflaume und Kirsche, Beeren mit einem Anflug Vanille. Lebhafter als die Nase es mit der leichten Staubigkeit vermuten lässt. Dezente Tabakaromen.
Finish: Mittellang, gute Süße-Würze Balance, leichte Wachsnoten im Abgang.

Ein spannender Whisky. Die Geschichte des Fasses von 30 Jahren refill Hogshead, 5 Jahre 1st fill Port Barrique und dann nochmals Umtopfen in ein Barrel wirkte etwas wild, aber keine Aromen haben gegeneinander gearbeitet, so dass das Bild stimmig war. Spannend ist der leicht staubige Eindruck in der Nase, und dass diese trockener und herber wirkte als der Whisky dann im Mund war.
92/100

Grosperrin No 35/41 Cognac Grande Champagne

Der Cognac ist tiefgolden, das Hauptetikett cremefarben. Der Text ist vollständig auf französisch.

Eine Assemblage aus Cognac von 1935 und 1941. Die Jahreszahl darf nur so verklausuliert genannt werden, da der organisatorische Aufwand für eine Nennung des Vintage sehr hoch ist. Die Lot No ist 778.

Sowohl in der Nase als auch im Mund ist der Cognac recht dunkel in der Aromatik, mit Pflaumenmus, dunklen Früchten und Beeren. Tabak, mit etwas Zeit im Glas auch etwas hellere Früchte wie Pfirsich.
Im Mund aber doch recht trocken, deutlich Pflaumen, Tabak und Holznoten.
Finish: Mittellang, eher trocken, Edelbitterschokolade mit Marmelade von sauren Kirschen.

Ein Cognac der aromatisch eher rustikaler ist, den würde ich blind wohl für einen Armagnac halten.
89/100

Grosperrin No 25 Cognac Grande Champagne

Der Cognac von 1925 ist recht dunkel, Flasche und Etikett sind gleich wie beim vorherigen Cognac

Weiter geht es mit Cognac von 1925, Lot No 685…

… und was für einem!
Nase: Tropische Früchte ohne Ende. Maracuja, Passionsfrucht, etwas Granatapfel, Banane, Guave. Leicht frische Noten von Pfefferminz und Menthol im Hintergrund.
Mund: Im Mund führt sich die Tropen-Fruchtbombe fort. Ganz dezent Tannine, aber sie untermalen nur und treten nicht in den Vordergrund. Minimal leicht säuerlich-süße Noten wie von einem langgereiften Balsamico.
Finish: Mittellang, die Frucht gibt auch hier zunächst den Ton an um in würzige Noten auszuklingen.

Ganz großes-Cognac-Kino voll tropischer Frucht und einer herausragenden Harmonie zwischen üppiger Frucht und unterstützenden Tanninen.
93/100

Grosperrin No 24 Cognac Grande Champagne

Auch der Cognac von 1924 ist in einer schlanken Standardflasche ohne Schnörkel, das Etikett ist ebenfalls designed wie bei den vorherigen beiden Cognac.

Aus welchem Jahr dieser Cognac stammt ist dann wohl offensichtlich 😉 Lot No 1001.
Nase: In der Nase wirkt er wie eine Mischung aus 2/3 des 1935/41 und 1/3 des 1925. Eher dunkle, würzige Noten dominieren etwas, aber Tropenfrüchte untermalen die würzig-dunkle Seite.
Mund: Deutlich würziger und mit stärkerem Tannin-Einschlag als der 1925er, aber nicht so herb wie der 1935/41. Dunkle Früchte wie Pflaumenmus, schwarze Johannisbeere. Tabak, leicht ruppige Holznoten. Untermalt von tropischer Frucht, welche aber nicht so opulent wie bei der Tropenfruchtbombe aus 1925. Leicht mentholig.
Finish: Mittellang, hier deutlich würzig-holzig.

Ein sehr schöner Cognac. Persönlich sprechen mich die Tropenfrucht-Bomben etwas mehr an, aber wer hierzu als Gegenpart eine ruppig-tanninige, dunkelfruchtige Seite mag, der ist hier genau richtig.
91/100

Wenn man es mal trocken finanziell sieht, wäre das 2-Tages-VIP Ticket mit diesen tollen Spirituosen im Glas schon locker amortisiert. Über die Geschmackserlebnisse und die tollen Gespräche mit anderen Liebhabern toller Tropfen gar nicht zu reden.
In den weiteren Beiträgen schauen wir uns die Benromachs der Artist Collection von La Maison du Whisky an, die neue Serie „Collection Foundations“, ebenfalls von LMdW, ein paar Whisky außerhalb Schottlands, ein paar weitere Kracher von Gordon & Macphail und anderen unabhängigen Abfüllern. Auch der neue 30-jährige von Laphroaig war im Ausschank. Ja, es war ein aromenreiches Wochenende 😉