Old & Rare Flight 022 – You are not prepared. Again.
Schon wieder alte und seltene Dinge? Nun, manchmal ist eben die richtige Zeit dafür, dann darf das schon mal sein. Wie jedes Jahr habe ich für Christian ein kleines Geburtstagstasting zusammengestellt. Wie immer aus Dingen, von denen ich hoffe ihn damit überraschen zu können. Als er die Einladung in der Hand hielt, auf der stand er sei mal wieder nicht vorbereitet, hat er noch gelacht. Ihm war nicht klar, dass es nach dem obligatorischen Kaffee und Kuchen gleich losgeht. Er war wirklich nicht vorbereitet. Und ihr dürft gerne teilhaben an unserem kleinen Spaß. Und plötzlich standen dann zwei eingeschenkte Drams vor uns beiden und Christian hat große Augen gemacht. Juhu, Überraschung gelungen.
Glen Grant 1948 & 1961 – Gordon & MacPhail
Wie steigt man nun so ein Tasting ein? Ein Stück flüssige Geschichte gleich zum Start kam mir wie eine gute Idee vor. 1981 haben Charles und Diana geheiratet. Dazu hat G&M dieses Vatting raugebracht mit einem Fass jeweils aus den Geburtsjahren der Eheleute. Es wurde mit 40% in eine unbekannte Anzahl Flaschen gefüllt. Der Farbe nach vermute ich ein wenig Sherry im Spiel. Link zur Whiskybase
Nase: Antiquariat, Sherry, etwas Maleratelier, Rosenblätter, Wachs, Lavendel, Eichenwürze. Das ist ein guter Start. Ein wirklich guter Start.
Mund: Hups, so geht es aber leider nicht weiter. Da ist erstmal fast gar nichts. Dann kommt etwas Honig. Eine Holzlatte und auch noch Harz.
Abgang: Asche, viele Bitterstoffe. „Anstrengend“ kommt von gegenüber. Und Kaffeemehl.
Fazit: Am Ende ist er schwierig das zu bewerten. Die Nase ist der Hammer. Aber der Rest? 87/100 – und ganz ehrlich 2 Punkte davon für historische Relevanz. Deutlichere 82/100 von Christian. Und das, wie er extra anmerkt, obwohl er den Royals gegenüber nicht negativ eingestellt ist.
Macduff 1973 – Finest Whisky
Zum dritten Geburtstag der Finest Whisky in Berlin hat man sich einen 1973 Macduff abgefüllt. Nur 58 Flaschen, 38 Jahre, angeblich ein Bourbon Cask und 47,9% stark. Link zur Whiskybase
Nase: Tropifrutti auf allen Ebenen. Das ist sogar leicht prickelnd. Dazu old style Sherry. War das wirklich ein Borubon Cask? Später dann Käsekuchen mit Bratapfel. Dazu ist er dazwischen auch noch leicht blumig. Auch hier ist die Nase wieder ein ziemlicher Brecher.
Mund: Es beginnt leicht metallisch. Dann kommt wieder der Apfel. Es sind viele Bitterstoffe am Start. Das gibt ihm direkt eine tolle Tiefe.
Abgang: Kaffee, Pfeffer, Leder, Gerbstoffe. Und die das Ganze ist in allen Nuancen dazwischen. Die Fruchtigkeit lässt jetzt deutlich nach, aber das was bleibt ist dennoch beeindruckend.
Fazit: Christian macht eine aufsteigende Handbewegung. „Rakete. Also im Vergleich zum Glen Grant.“ 90 Punkte auch von mir. Aber eher für die Komplexität, als das es meinen persönlichen Geschmack genau trifft
Tomatin 1976 – Whisky Doris
Ich muss Christian ja immer wieder aus seiner Komfortzone holen. Das heißt Destillerien auswählen die vielleicht nicht auf seiner Liste stehen. Oder ganz sicher, wie z.B. Tomatin. 34 Jahre alt, aus einem Sherry Hogshead und mit 49,5% von Whisky Doris in 139 Flaschen gebracht. Link zur Whiskybase
Nase: Leicht scharf und alkoholisch, aber nicht unangenehm. Eher erwartungsvoll. Dann kommen Pfeffer, Kräuter, Blutorange und ein Tick Vanille.
Mund: Fruchtig, vor allem Gartenfrüchte. Mit der passenden Menge an Bitterstoffen dagegen. Leicht würzig mit Eiche, Pfeffer und erdigen Aromen.
Abgang: Sherry Cola. Ein Begriff den ich vor einiger Zeit mal für mich gefunden habe. Passt hier sehr gut. Dazu auch noch Orange. Dabei ist er sehr stark wärmend. Der letzte Eindruck geht in Richtung Brandteig.
Fazit: Fantastisch. Ein wirklich gelungenes Bottling. 91 von mir 90 von Christian. Auf meine Auflösung was im Glas ist reagierte er mit „ach, den hab ich sogar auf meiner Jahrgangsliste. Den kann ich dann wohl streichen, bei den aktuellen Preisen“.
Laphroaig 30-year-old
Nach einem Abendessen und einer Pause ging es dann weiter mit Teil 2. Jetzt kommen wir schon eher in Christians Komfortzone und wechseln nach Islay. Ein 30 Jahre alter Laphi, gebrannt in den 1970ern und 2006 abgefüllt. Über die Anzahl der Flaschen oder die Fässer ist nichts bekannt. Link zur Whiskybase
Nase: Süßlich, phenolisch, erdig. „Zu Hause“ kommt von der anderen Tischseite. Ich finde Schokokuchen mit Jod. Mit etwas Luft kommen dann noch Früchte.
Mund: „Unerwartet“ sagt Christian, ohne es näher zu spezifizieren. Ich finde grüne Haselnuss, Jod, Malzbonbon und Tabak. Insgesamt schön medizinisch, der Brennereicharakter ist klar erkennbar.
Abgang: Im Abgang ist das anders. Da gehen wir weg von den medizinischen Noten. Aber Kohle und Asche sind noch da. Außerdem Fruchtschalen. Das Geburtstagskind findet ihn „sehr bitter“.
Fazit: Superlecker aber ich hatte ganz sicher schon bessere Laphi. 90/100 „Schwierig“ sagt Christian. „Schon lecker, kann man trinken.“ Das ist aber zu wenig für so ein Bottling. 88/100
Bowmore 1998 Feis Ile 2017
Feis Ile Bottlings haben immer einen besonderen Touch. Dieser Bowmore aus 2017 umso mehr, da es ein Single Cask war. Ein Sherry Puncheon, 1st Fill. Wieviele Flaschen es gab ist mir nicht bekannt, ungefähr 700 bei der Fassgröße. Aber es waren wohl zu wenige, man hat die Chance verpasst nur eine Flasche pro Person zu verkaufen. Denn es gibt diverse Berichte, dass man sich schon um 6:00 morgens angestellt hat, um dann doch leer auszugehen. Der Inhalt ist 54,3% stark und 19 Jahre alt. Link zur Whiskybase
Nase: Sehr würzig, mit viel Pfeffer und Eichenwürze. Dazu getrocknete Datteln und Pflaumen. Aber auch frische europäische Gartenfrüchte und eingelegte Kirschen.
Mund: Süß und leicht rauchig. Ich sehe in ein glücklich grinsendes Gesicht. „hart Sherry“. Gewürznelken, Leder, Kräuter brechen durch. Das hat fast schon was von Amaro. Mit einem Schwubs Espresso.
Abgang: Schoglad, wie man hier in Franken sagt. Vor allem sehr dunkle Schokolade. So 90% ohne jegliche Süße. Dazu Blutorange, Teer, Pfeffer eine Salzkruste am Glasrand und genau ein Tropfen The Bitter Housewife Cocktailbitter. Am Ende bleiben weihnachtliche Gewürze.
Fazit: Sehr lecker, sehr Sherrydominant und ziemlich komplex. Insgesamt ein tolles Bottling, mit dem man glücklich vom Festival zurück reisen konnte. Ob ich mich im Sekundärmarkt dazu wirklich bedienen wollen würde… wahrscheinlich eher nicht. 90/100
Russenschnapps Vladi’s Finest – Regensburger Whisky- und Weinclub
Wenn es um die Bottlings des Regensburger Whisky- und Weinclub geht, dann ist klar: hier kommt was Besonderes. Dieses Bottling enthält diverse mittelalte Lagavulin aber auch jüngere und das Ganze vor allem aus dem Sherry. Die Bedeutung des Namens und die Anspielungen auf der Flasche, dazu kann ich nichts sagen. 294 Flaschen mit 52,3% wurden abgefüllt. Link zur Whiskybase
Nase: „Hohoho, geil“. Christian reißt die Augen auf. Da ist Frucht, Käsekuchen, fast schon Feta. Aber auch Kuhstall, Torf, Jod und BBQ-Sauce. Getopt mit eingelegten Rosinen. Nicht zu komplex, aber sehr einladend, wenn man torfige Whisky mag.
Mund: Seetang, Omas Marmelade, Salzwasser und Bleistift. Ein loderndes Lagerfeuer. Ein Schwung Bleistifte und ein „boah“ vom meinem Tastingpartner.
Abgang: Dicker Zigarrenrauch und Mandarinensaft. Gischt die über die Klippen bricht und oben salzige Erde und Wiese hinterlässt. Dabei gleichzeitig weich und wärmend.
Fazit: „Keine Ahnung was das ist, aber es ist geil. Ich befürchte das wird wieder ganz schlimm teuer sein. 92 Punkte“. Christian hat die Drams alle Blind verkostet, mit Auflösung direkt danach. Zumindest zum Ausgabepreis hätte er mit der Preisangst nicht recht gehabt. 91 von mir. Fantastisch. Könnte noch einen wenig komplexer sein.
Octomore Valinch 0.3 150.2 PPM Feis Ile 2024
Wie schließt man jetzt so ein Tasting würdig ab? Mit einem besonderen Whisky aus Christians Lieblingsdestillerie Bruichladdich. Dieses Jahr zu Feis Ile gab es wieder einen Octomore Valinch. 12 Jahre gereift im 2nd Fill Syrah Cask und abgefüllt mit 58,2% in 712 0,5l Flaschen. Link zur Whiskybase
Nase: „Woah alter ist die Nase geil“ – scheinbar liege ich richtig mit meiner Wahl. Karamell, aufgekochte Milch. Geruch von Kuhstall der durch die dampfende Milch auf dem Herd kommt: „der ist ganz hinten drin der Kuhstall“. Außerdem etwas Cassis, Stachelbeere und weiße Johannisbeeren.
Mund: Eine deutliche Süße, betäubend betörend. „Hmmmmm“, mehr krieg ich aus Christian nicht mehr raus. Wieder kommt die Kondensmilch, Peat ohne Ende, Himbeeren.
Abgang: Leichte Bitterstoffe kommen dazu, Brombeeren, auch auf den Kernen zerrieben. Ansonsten auch noch weiter der kuhstallige Torf.
Fazit: Ich finde das Syrahfass kommt gut durch, Christian nicht. Egal wie: Insgesamt sind wir beide sehr glücklich damit. Gutes Finale 91/100
Highlights des Tastingjahres
Tobias hat mir freundlicherweise das Fazit überlassen. Obwohl wir regelmäßig zusammen Whisky trinken, ist dieses Tastingformat jedes Mal ein echtes Highlight. Es beginnt mit der Überraschung: Wann findet es statt und welche Whiskys werden wir verkosten? Zu ersterem darf ich nichts verraten (First Rule of a Secret Society :-)), aber zu letzterem umso mehr. Es waren echte Highlights dabei, aber auch einige Whiskys, die den Hype für mich nicht ganz gerechtfertigt haben. Das Spannende an Blindtastings ist, dass man sich ganz bewusst von Erwartungen löst … obwohl das in diesem Fall nicht ganz zutrifft. Bei Tobias weiß ich, dass er sich vorher lange Gedanken macht und epische Sachen aussucht. Entsprechend hoch ist die Erwartungshaltung dann irgendwie doch 🙂 Tobias holt mich dabei gerne aus meiner Islay-Komfortzone – und das oft mit Erfolg. Es hat mich dennoch sehr gefreut, dass wir dieses Mal so lange dort verweilt sind. Erwartungsgemäß kamen meine beiden Highlights auch von dort: vermutlich der „Lagavulin“ aus Regensburg und der Octomore Valinch. Beide absolut großartig und ich werde versuchen, sie noch öfter trinken zu dürfen. Der Macduff und der Tomatin waren aber auch eine echte Überraschung. Vielen Dank, Tobias! Im August setzen wir das dann fort 🙂
Mehr zu: Bowmore, Bruichladdich, Glen Grant, Lagavulin, Laphroaig, Macduff, Octomore, Tomatin, undisclosed Islay, Old & Rare Flight 021
Bilder: Eigene Anfertigung und freundliche Überlassung von OliWer und der Whiskybase
Samples: Privat gekauft
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