Hommage an Gordon & MacPhail

Als Ende Juli (2023) die Nachricht kam, dass Gordon & MacPhail nach 128 Jahren sein Geschäft als unabhängiger Abfüller mit Beginn 2024 aufgeben wird, war ich erstmal schockiert. Doch bei Betrachtung der Gründe, die G&M hierfür angab, ist dieser Schritt völlig nachvollziehbar. Wenn über 60 Brennereien die Langzeitverträge nicht verlängern, weil sie bei der aktuellen Marktlage das Zeug selbst verkauft bekommen, wenn die Destillerien den unabhängigen Abfüller das Kerngeschäft – die Abfüllung von Einzelfässern und kleiner Batches – wegnehmen, wenn es eigentlich sowieso mehr als genügend unabhängige Abfüller gibt, wenn man mit den beiden Brennereien Benromach und The Cairn inzwischen ein stabiles zweites Standbein im Portfolio hat, dann kann und sollte man sich verändern. (hier der Link zum Bericht von Whiskyexperts inkl. Statement von G&M)

Zeit, für einen Ausschnitt dessen, was Gordon & MacPhail uns im Laufe der Jahrzehnte für Perlen beschert hat:

Ein Mini-Kinclaith. Den hätte ich gerne in groß bei mir daheim rumstehen.

Kinclaith 1966 GM – Old Map Label

Eichenfässer bis 1989 / 40%Vol. / Link zur Whiskybase

Kinclaith zum Beispiel. Aktiv von 1957 bis 1975 innerhalb des Strathclyde-Komplexes in Glasgow, hat es als Single Malt nur über eine Handvoll unabhängiger Abfüller in die Flasche geschafft. Einer davon: Gordon & MacPhail natürlich. Vermutlich hatte niemand eine derart reichhaltige und vielfältige Fassauswahl, was geschlossene Brennereien betrifft, wie der Abfüller aus Elgin. Der Füllstand meiner Miniatur war passabel (Schultermitte) und wurde dem aufgedruckten Code (HI = der 8. und 9. Buchstabe im Alphabet) nach in 1989 abgefüllt.

Nose: Aromatisches Bienenwachs und edle Gewürze umschmeicheln die Nüstern. Der flüssige Honig und das klebrige Karamell haben eine ausgesprochen ölige, watteartige Viskosität. Ein malziger Hefezopf hat warmes Apfelkompott und liebliche Orangenmarmelade abbekommen. Auf lange Sicht stößt nussige Zartbitterschokolade dazu. (88)

Taste: Bienenwachs und gemahlene Gewürze finden noch enger zueinander, ein geniales Duo! Gerstenmalz, Eichenholz und Suppengrün werden mit Koriander verfeinert. Anklänge von Lavendel und gehackten Haselnüssen melden sich. Dann Auftritt der Früchte: Banane, Limette, Kiwi und Aprikose werden flankiert von Salzkaramell und erdigem Gebäck. (89)

Finish: Wachsig und teigig, moderate Gewürze sorgen für tendenziell trockene Impressionen. Salz und dumpfe Nüsse trumpfen auf, es wird zudem leicht grasig. Karamell und ein Hauch von Maracuja blitzen am Ende hell auf. (89)

Fazit: Wie ein Lowlander sein muss: Delikat, floral und samtig rund. Trotzdem stabil und sehr komplex, vor allem wenn man auch die Verdünnung auf 40% bedenkt! Ein durchaus eigenständiges Profil in der weiten Welt des Scotch. Mit dem zweiten Durchgang wird er sogar noch voluminöser und leckerererererer.

Bereits in den frühen 80er Jahre wurde dieser hoch aufgeschossene Dekanter, welcher Glen Grant aus den 40ern enthält, von G&M in den Umlauf gebracht.

Glen Grant 1949 GM Crystal Decanter

33 Jahre in Eichenfässer / 40%Vol. / Link zur Whiskybase

Sogar andere Abfüller konnten von G&M’s enormen Fassbeständen profitieren. Dieser Glen Grant aus der Nachkriegszeit wurde für Sestante Import und dem italienischen Markt gebottled. Zum Brennerei-Gelände von Glen Grant gehört übrigens ein schick hergerichteter Park, der sich wunderbar für einen entspannten Spaziergang eignet.

Nose: Verstaubtes Bienenwachs und beschwipste Rosinen werden von Old Bottle Flavour flankiert. Das könnte genauso gut ein uralter Cognac sein. Noten von altem Karton machen auf sich aufmerksam – die 50 Jahre Flaschenlagerung sind nicht ganz spurlos an diesem Malt vorübergegangen. Tabak und abgegriffene Schachfiguren aus Holz werden um zahlreiche gelbe Früchte ergänzt. (88)

Taste: Die Aromendecke ist etwas dünn geraten, auch wieder ein Hinweis darauf, dass der zu lange gelagert war. Das Bienenwachs geht in flüssigen Honig über, die polierten Schachfiguren treiben darin herum. Ein öliger Likör aus Trockenfrüchten und Trüffelschokolade hält den Malt zusammen. Gewürze und Tabak betonen die trockenen Aspekte. (88)

Finish: Das Eichenholz wird würziger. Außerdem ist er unglaublich ölig und dick, ein Likör aus Halbbitterschokolade und Rosinen, in dem noch dazu Tabak eingebettet ist. (87)

Fazit: Bei diesen alten 40%er von Gordon & MacPhail kann man einfach kein Aromenfeuerwerk erwarten. Vielmehr hat auch dieser sorgfältig gereifte Glen Grant ein eher simples, aber wahnsinnig süffiges Profil im Old-School-Format. Somewhat sophisticated.

1982 ist das letzte aktive Jahr der Brennerei St. Magdalene. Aus diesem Jahr stammt diese Abfüllung.

St. Magdalene 1982 GM – Cask 2094

Refill American Hogshead 01.07.1982 bis 20.12.2021 / 54,8%Vol. / Link zur Whiskybase

Der zweitälteste St. Magdalene, der jemals abgefüllt wurde, und bislang auch das vorletzte abgefüllte Fass aus dieser Brennerei. 2023 hat G&M (wer sonst?) nochmal mit einem 40-jährigen Magda nachgelegt. Dieser hier ist stolze 39 Jahre alt, Tobias hat freundlicherweise eine von 165 Flaschen geteilt.

Nose: Warme Bienenwaben türmen sich auf, dick und gelb. Ein Vanillekeks und leicht gesalzene Nüsse verstärken die recht gelbe Stimmung, aber es dauert lange bis auch gelbe Früchte auf den Plan treten. Ein paar kandierte Zitronenscheiben und Birnen finden sich dann doch ein. Eichenholzstaub und samtiger Zimtstaub setzen sich ab. (89)

Taste: Beginnt mit mineralischer Säure und leicht herbem Holz. Also gesalzener Zitronensaft und nussige Gewürze. Von den Honigwaben ist erstaunlich wenig übriggeblieben. Als Ausgleich bekommt man eine gute Dosis an Vanille, Pfeffer und Gras. Nach einer Weile wird ein in Motoröl getauchtes Tau durch’s Bild gezogen. (89)

Finish: Wow, ist der fettig! Die würzigen Fassdauben ertrinken förmlich in diesem wachsigen Grease. Jetzt spür ich auch wieder diesen metallischen Diesel, wie ich ihn von einigen Magdas kenne. Auch die blanchierten Nüsse können überzeugen. (88)

Fazit: Für seine 39 Jahre hat er das Eichenholz richtig gut weggesteckt, keine übertriebenen Tannine und die StM-DNA ist erhalten geblieben. Manchmal zeigt er sein Alter, allerdings hatte ich mir schon mehr Komplexität erhofft.

Dieser Speymalt aka Macallan durfte standesgemäß in einem einzelnen Sherryfass reifen.

Macallan 2000 GM – Cask 1760

Sherryfass bis 08.12.2020 / 56,7%Vol. / Link zur Whiskybase

Nicht jeder kann einen Macallan als Macallan abfüllen, die Namensrechte geben die nicht so einfach her. Doch Uralt-Verträge machen’s möglich für G&M. Macallan kauft tatsächlich auch immer wieder Fässer von G&M zurück, den 81-jährigen ‘The Reach’ zum Beispiel. So alt ist der hier verkostete nicht: 20 Jahre und 278 Flaschen.

Nose: Alter Sherry und Honig liegen in dieser Nase sehr dicht beieinander. Konkrete tauchen intensive Zimtschnecken mit saftigen Rosinen, Vanillepudding und Bienenwachs vor meinem inneren Auge auf. Karamell, Mango und Pflaumenmarmelade halten den Malt im süßen Milieu fest, während Nuss und Eiche würzige Komponenten beisteuern. (88)

Taste: Der Holzeinfluss ist deutlich höher, denn Zimt, Nelke, Kakao und auch Nüsse dominieren. Eine große Portion Möbelpolitur ist von Leder und Tabak umrahmt. Doch zwischen den ganzen holzig-schokoladigen Noten stecken auch Mango und die vom Sherry eingebrachten Trockenfrüchte und Honig. (86)

Finish: Die Trockenheit des Eichenholzes überwiegt minimal. Gewürze, Kakao und Tabak halten eine Prise Schwefel in Schach. Von der Konsistenz her fleischig bis metallisch. Diverse, mit Karamell und Honig überzogene Nüsse schließen diese Sache rund ab. (87)

Fazit: Ohne Wasser recht mühsam zu trinken. Das verwendete Sherryfass scheint von solider Qualität gewesen zu sein, doch das ziemlich schwere Destillat von Macallan hat sich darauf nicht wirklich eingelassen und versprüht stellenweise eine künstliche Aura. Keine eindimensionale Sherrybombe, aber ein Glas davon am Abend ist ausreichend.

Eine Flasche Longmorn aus 2008. Der Inhalt ist aus 1969.

Longmorn 1969 GM – Cask 3724

Refill Sherry Hogshead 30.06.1969 bis 03.03.2008 / 54,6%Vol. / Link zur Whiskybase

Dieser 38-jährige Longmorn wurde für die Whisky Fair-Messe 2008 herausgegeben. In Limburg kennt man sich aus und sollte daher ein gutes Händchen bei der Auswahl gehabt haben.

Nose: Nussiger Sherry, reich an Trockenfrüchten und Wachs. Hanuta zwängt sich zwischen den Rosinen und Aprikosen hindurch. Brauner Rohrzucker in Espressoschaum als Zwischengang, bevor sich Mangowürfel, Bananencreme und Maracujasamen ausbreiten. Und das sind nur einige der vielen Früchte, von Pflaumenmus bis Sternfrucht steckt da alles drin. Kokos, Zimt und Kakaopulver serviert auf Eiche. (94)

Taste: Maracuja explodiert, immer und immer wieder. Edelstes Eichenholz mit Zimt-, Kardamom und Nelkeneinlage. Die Frucht geht vom Gelben ins Grünliche, dann wird es ledrig und vor allem auch schokoladig. Öliger Sherry und Nüsse entfalten sich sanft und mit einem Hauch von Tabak. (93)

Finish: Leder und Eichenholz schicken Umaminoten und Gewürze auf die Reise. Nüsse kündigen den öligen Sherry an. In einem Bett aus Kakao können Maracuja und Sternfrucht richtig glänzen. (94)

Fazit: Grenzt schon an Reizüberflutung. Da geht’s drunter und drüber, stets gesittet natürlich, und zu Weihnachten wünsche ich mir zusätzliche Geschmacks- und Geruchsnerven, um diese Art von Malts noch intensiver erfahren zu können. Ein Paradebeispiel für einen alt gereiften, jung gebliebenen Whisky.

Uralt und zum Verlieben lecker: Ein 47-jähriger Coleburn aus dem Hause Gordon & MacPhail.

Coleburn 1972 GM – Cask 3511

Refill Sherry Puncheon 06.10.1972 bis 17.03.2020 / 62,4%Vol. / Link zur Whiskybase

Das 125-jährige Firmenjubiläum von G&M ist noch nicht so lange her. Man ließ sich nicht lumpen und hat zu diesem feierlichen Anlass unter anderem einen 47 Jahre alten Coleburn abgefüllt. Laut Whiskybase der mit Abstand älteste Coleburn und es ist zu vermuten, dass es sich um das allerletzte je abgefüllte Fass Coleburn handelt. Aber G&M ist immer für eine Überraschung gut. Genug Flüssigkeit, um 363 Flaschen zu füllen, haben die Zeit überdauert. Der Alkoholgehalt ist Wahnsinn.

Nose: Lieblicher Blütenhonig inklusive zahlreicher dünner Bienenwachsplättchen eröffnen den Reigen. Verstaubtes Sandelholz entwickelt Facetten von samtiger Eiche, Nelke und geschälten Mandelkernen. Nach zwanzig Minuten legen die Früchte los, tropisch, gelb, orange, grün, rot, blau, weiß, egal, fruchtig halt und ölig mit Anklängen von Salz und Sherry. (93)

Taste: Der Alkohol drückt die Aromen sanft nach vorne. Trockene Gewürze und Hölzer winken mit dezenten Tanninen, unterstützt von ledrigem Tabak, Harz und Nüssen. Zeit, um einige der fruchtigen Teilnehmer beim Namen zu nennen: Mango, Orange, Melone, Banane, Quitte, Limette. Eine überaus frische und lebendige Präsentation. Selbstverständlich kommen darin auch Wachs und öliger Honig vor. (92)

Finish: Jetzt drängen sich die Nüsse in den Vordergrund und mit ihm das trockene Eichenholz. Neben Kakao kommen vor allem die Gewürze ganz groß raus. Nelke, Zimt, Kardamom, Muskat, Anis ist alles in petto. Fruchtiger Honig wandelt sich mit der Zeit in Wachs und Motoröl um. (92)

Fazit: Ein würdiges Fass, um eine Brennerei zu verabschieden. Mega komplex, dabei stets ausgewogen und immer auf ganz hohem Niveau. Das Refill Puncheon war eine vorzügliche Wahl für eine so lange Reifung, aber bei G&M verstehen sie eben ihr Handwerk.

Ein Brownie im Sherry-Gewand: Dieser Ardbeg erreicht in der Whiskybase eine Durchschnittsbewertung von über 93 Punkten.

Ardbeg 1972 GM – Brown Label

14 Jahre in Eichenfässern / 40%Vol. / Link zur Whiskybase

Die Connoisseurs Choice-Reihe gibt es jetzt auch schon über 50 Jahre und in dieser Zeit hat die Serie zahlreiche Spitzenwhiskies hervorgebracht. Exemplarisch sei hier mal dieser Ardbeg aufgeführt.

Nose: Einladende, kalte Asche trifft auf Honig, gelbe Äpfel und Mango. Salzkaramell und Haselnussnougat münden in Sherry. Kohlestaub haftet an kristallinem Bienenwachs. Ölige Strukturen werden von Banane und feinwürzigem Eichenholz ergänzt. Gipsumhüllte Aprikose an edlem Ziegenkäse und Dattelfasern, kombiniert mit Maracuja und Sardellen. (93)

Taste: Erneut Asche und gelbe Tropenfrüchten, diesmal auch mit dezentem Gerstenmalz. Etwas salziger als in der Nase, auch der Kohlestaub legt nochmal zu. Die Öligkeit geht in Richtung Diesel, Gips und Asphalt. Der Sherry hält sich ein klein wenig zurück, dennoch finden sich immer noch Pflaumen, Orangen und Bienenwaben. Mancherorts wird’s sogar grasig bis nusscremig. (91)

Finish: Trockenes, würziges Eichenholz bleibt in der erdigen Lagerfeuerasche zurück. Die Lippen und Zungenränder werden mit Salz bestreut. Bienenwachs verbindet sich mit tropischen Früchten, hauptsächlich gelbe, aber auch ein paar grüne. Mit weichen Ansätzen von Nüssen und Kakao klingt es aus. (91)

Fazit: Je länger man sich mit ihm beschäftigt, desto mehr betört er einen. Man kommt sich vor wie in einem Sternerestaurant, sehr detailverliebt. Einzig die vierzig Prozente stellen einen Wermutstropfen dar.

So bald werden wir Genießer von G&M’s Neuausrichtung nichts zu spüren bekommen (außer wahrscheinlich preislich). In den Warehouses bei Elgin lagern sicher einige zehntausend Fässer, in den nächsten zwei, drei Jahrzehnten kann Gordon & MacPhail also noch als unabhängiger Abfüller aktiv bleiben. Und wer weiß, was in dieser langen Zeit passieren mag. Vielleicht kommt der nächste Whiskysee und wie in den 80er Jahren sind dann die gebeutelten Destillerien froh, wenn ein langfristig denkendes und handelndes Unternehmen wie Gordon & MacPhail an der Tür klopft und einige Fässer New Make abnimmt. Aber das ist Zukunftsmusik.

Mehr zu: Ardbeg, Coleburn, Glen Grant, Kinclaith, Longmorn, Macallan, St. Magdalene

Samples privat gekauft | Bilder eigenangefertigt bzw. mit freundlicher Genehmigung von Islay007 (Glen Grant), Knopfler99 (Macallan) und der Whiskybase