Glenfarclas: Zwischen Familie, Historie, Deutschland und Malaysia
Einmal im Jahr sollte eins die Familie schon besuchen, oder? Nun, dann wird es Zeit, denn die Tage werden kürzer. Mit Familie meine natürlich die familiengeführte Brennerei mit ihren Family Casks. Was es mit den restlichen Andeutungen im Titel auf sich hat. Lest selbst.
Glenfarclas 2004 – The Famliy Casks Special Release
Jetzt ist so ein Family Cask ja an sich schon was Spezielles. Special Release meint hier: Außerhalb des normalen Zyklus Sommer und Winter. Konkret war es eine Sonderedition für den deutschen Markt aus dem Jahr 2018. Ein Refill Hogshead mit 275 Flaschen und 57,4%. Link zur Whiskybase
Nase: Meine allererste Assoziation war Nougatcreme. Vor allem, wenn ich das Glas etwas weiter weg halte. Gehe ich näher ran, dann sind es Kaffeebohnen, Marzipan und ein paar getrocknete Früchte. Außerdem ein paar Kräuter und auch jede Menge Süße und Sirup. Der Alkohol versteckt sich allerdings auch nicht. Das trübt am Anfang den Spaß ein wenig, wird aber besser mit der Zeit.
Mund: Erst eine schöne Süße, dann eine leichte Säure. Anfangs dachte ich diese müsste ich einer Fruchtnote zuordnen. Sie ist aber anders. Mit der Zeit war eher bei milden Tabak-, Leder und Kaffeenoten, die Mit Säure daherkommen. Es ist eher die Süße, die ich nun zu den Früchten zähle. Kirsche zum Beispiel.
Abgang: Milchschokolade zu einem Milchkaffee. Dann herbe Kräuternoten und Eichenwürze. Dazu etwas Kirschmarmelade und Pflaumensaft. Die Länge ist sehr angenehm. Die Bitterstoffe kleben auf der Zunge, sind aber nicht
Fazit: Das Fass fühlt sich fast schon eher wie ein frisches Sherry Fass an. Refill ist da wenig. Daher kommt dann natürlich auch eine deutliche Dominanz. Gleichzeitig ist er aber doch irgendwie gut gereift. Tolles Bottling und kein „deutsches Fass“, also kein Schwefel. Wasser nimmt viel von der süßen Seite raus. Das kann man machen, hat für mich hier aber nichts verbessert. 89/100
Glenfarclas 1997 – The Family Casks Winter 2018
Direkt ein Family Cask aus 2018 hinterher. Diesmal ein reguläres Bottling aus dem Winterbatch. 21 Jahre im Fass. Das Refill Sherry Butt ergab 603 Flaschen mit 57,1%. Link zur Whiskybase
Nase: Westliche Würzsaucen treffen auf getrocknete Beeren und dunkle Früchte in einem Lederbeutel. Dazwischen liegen ein paar Scheiben an unreifen gelben Früchten. Z.B. Pfirsiche, die noch recht hart sind. Dazu kommt etwas Minze bzw. Menthol.
Mund: Erstaunlich mild für 57,1%. Eine fast seidige Textur schmiegt sich um die Zunge. Erst nach ein paar Sekunden zwickt es ganz leicht in der Zunge. Espressonoten, Eichenwürze und eine Sirupsüße kommen auf. Dazu auch eine leichte Säure und etwas Pfeffer. Schokolade in Wachspapier.
Abgang: Dunkle Schokolade, getrockente Heidelbeeren, etwas Kuchenteig mit Vanille darin. Dann kommen auch die Würze, die Minze und der Pfeffer nochmal auf. Ohne je zu dominieren. Nach ein paar Minuten bleibt noch ein trockenes Mundgefühl mit einem leicht aschigen Eindruck.
Fazit: Fantastisch. Den könnte ich für immer im Mund behalten. In der Base findet man mehrere Notes, die darauf hinweisen dass er einen recht brutalen Antritt hat. Das fand ich tatsächlich nicht. Gerade der allererste Eindruck im Mund ist so schön weich. Nach und nach kommt dann der Alkohol raus zum Spielen. Wenn man immer genug Speichel dazu gibt, dann bleibt das alles in wunderbarer Balance. Man kann das auch vorweg nehmen, in dem man etwas Wasser dazu gibt. Aus meiner Sicht ist das nicht notwendig. 90/100
Glenfarclas 1988 – Edition N°22 Thomas Reid
Zurück auf den deutschen Markt. Jedes Jahr gibt es eines dieser Bottlings benannt nach einem Schotten. Das 22te davon ist nach dem schottischen Philosophen Thomas Reid benannt. Ihm zu Ehren wurden 3600 Flaschen mit 30 Jahre altem Whisky befüllt, der zumindest zuletzt in Sherry Casks weilte. Abgefüllt wurde mit 46%. Link zur Whiskybase
Nase: Trotz des relativ geringen Alkoholgehaltes muss man die Dämpfe erstmal aus dem Glas wirbeln. Dabei findet man Marzipan und herbe, kräutrige Anklänge. Danach kommt eine deutliche Süße, mit Trockenfrüchten, Fudge, Karamell, Honig, etwas Zitrusschale. Auch Vanille, Toffee und Biskuitteig. Mit der Zeit gesellen sich noch helle Früchte dazu. Mirabellen, gelbe Pflaumen, Birnen.
Mund: Weich, fast schon zu weich. Eine deutliche Süße. Purer Zuckerguss mit etwas Zitronenschale. Dass dann auf ein Vanillegebäckstück träufeln. Ein paar Bitterstoffe hier und da. Aber wirklich nur sehr verhalten.
Abgang: Fruchtschalen, eine überreife Süße und etwas Malz. Dazu ein leichter Holzunterton. Das war es dann auch. Von einer nennenswerten Länge kann man nicht sprechen.
Fazit: Die Nase fand ich schon ziemlich toll. Der Rest kommt mir so vor als wäre er sehr stark auf Massenmarkttauglichkeit abgestimmt. Irgendwie muss man die dreieinhalb tausend Flachen ja auch loswerden, nicht wahr? Fast ein wenig schade – und dennoch ist das ein absolut trinkiger Glenfarclas. Er wird nur eine Enttäuschung sein, für alle die vielleicht 30 Jahre gereifte Family Casks im Kopf haben. 86/100
Glenfarclas 1983 – The Family Casks
Jetzt wieder ein Family Cask. Diesmal aus 2007 und da gab es scheinbar noch keine Unterscheidung zwischen Winter und Sommer. Zumindest hab ich nichts dazu gefunden. Auf jeden Fall kommt es aus einem Refill Sherry Hogshead. Es hab 302 Flaschen und abgefüllt wurde mit 56%. Link zur Whiskybase
Nase: Es beginnt mit Rosinen und Vanille, geht dann aber schnell in eine deutlich herbere Variante über. Das Holz ist sehr präsent, außerdem kommen Kräuter und Gräser. Das wird immer intensiver und geht bis hin zu Pachouli und einem Gewürzladen.
Mund: Erstaunlich anders als in der Nase. Süß, mit Ananas, Orange und Malz. Immer noch würzig aber jetzt eine sehr milde Würze. Das ist fast ein komplett anderer Whisky.
Abgang: Und die Transformation war noch nicht ganz vorbei. Im Abgang sind dann wirklich Früchte ohne Ende. Das ist quasi eine ganze Packung Nimm2 auf einmal im Mund. Dazu wieder die Rosinen vom Anfang. Es lohnt sich den auch ein wenig stehen zu lassen. Sauerstoff gibt dem Abgang Tiefe.
Fazit: Wirklich faszinierend. Und unglaublich lecker. Davon würde ich noch Schlückchen oder zwei nehmen. 91/100
Glenfarclas 1979 – Eiling Lim
Das ist sowas ähnliches wie ein private Cask. Abgefüllt für Eiling Lim, einer malayischen Whiskyliebhaberin, die mittlerweile selbst unabhängige Abfüllerin ist. Das Fass ist ein Plain Oak Cask, ein Refill/Rebuildt Bourbon Hogshead. Eine Seltenheit für Glenfarclas. 188 Flaschen mit 46,9% gab es von diesem 37 Jahre alten Single Malt. Link zur Whiskybase
Nase: Erstmal pures und reifes Destillat, das ist wirklich schön. Dann Äpfel in einem Fass. Dazu kommt Vanille, aber nicht zu viel. Genauso wie die Kräuter im Hintergrund. Alles reif und distinguiert.
Mund: Leicht würzig, mit Zitrone und Ingwer. Dazu buttrige Säure. Ein Apfel ohne Zucker. Birne und Mandarine. Später Gebäck und Zuckerwatte. Poliertes Holz. Das sieht man quasi vor dem inneren Auge glänzen.
Abgang: Wunderbar schön fruchtig. Brandteig, ein paar Rosinen, ein Minzblatt. Gewachstes Holz. Trotz der geringen Stärke und der wenig aufdringlichen Aromen schafft er es lange zu bleiben.
Fazit: Ein tolles Fass und ich liebe es, dass eben nicht noch ein Sherry Cask zum Finish verwendet wurde. Gerne mehr davon. In meinem Whisky-Herz hätten viele weitere Abfüllungen dieser Art platz. 90/100
Glenfarclas 1959 – Historic Reserve
Ein Bottling aus der historischen Reserve von Glenfarclas. Im ersten Moment fragt man sich was das wohl heißen mag. Wie weit zurück kann eine Destillerie überhaupt gehen? Für viele sind das vielleicht 30, in wenigen Ausnahmen mal 40 Jahre. Bei Glenfarclas kommt man da auch noch drüber hinaus. Zwar waren die vier verwendeten Fässer in diesem Fall „nur“ 42 Jahre alt, als 2002 abgefüllt wurde. Allerdings ist 1959 dann doch ziemlich beeindruckend. 240 Flaschen mit 465 hat man aus den Sherry Hogsheads abgefüllt und in eine opulente Verpackung gebracht. Link zur Whiskybase
Nase: Ein staubiges Antiquariat, in dem jemand einen leicht gebräunten Toast mit Orangenmarmelade isst. Dahinter kommen fein nuancierte Trockenfrüchte, Leder, Tabak, Möbelpolitur und vor allem Wachs. Mit der Zeit kommt eine fruchtige Note, die schon fast in Richtung Südfrüchte tendiert.
Mund: Tolle Sherry-Struktur. Old sherry, wie man sagt. Mit Leder, Tabak und wieder Politur. Zimt, Trockenfrüchte auch Nüsse. Schon relativ früh auch Bitterstoffe aus Schokolade, Kaffeebohnen und Kernen. Die Struktur ist sehr komplex und tief. Dennoch wünsche ich mir ein paar Prozent mehr, um ihm die Fragilität zu nehmen. Immer wieder hab ich Sorge das er gleich „wegrutscht“ und das Kartenhaus zusammenfällt.
Abgang: Viele Bitter- und Gerbstoffe, das geht fast schon bis hin zu Tinte. Auch Oliven, Kaffeemehl und geröstete Nüsse. Walnusskerne, aber auch grüne Walnussschalen. Immer wieder dazwischen etwas Süße und ein Hauch Frucht, der ingesamt verhindert das es „drüber“ geht. Die Länge ist trotz 46% großartig. Wahrscheinlich unvorstellbar wie der bei 50+% wäre.
Fazit: Exzeptionell. Könnte kaum komplexer sein. Fordert, manchmal bis an die Grenze der Überforderung. Gleichzeitig steht er auf wackeligen Beinen, aber er fällt nicht zusammen. Toll! 92/100
Gefestigte Meinung
Nicht dass ich in diesem Flight angetreten wäre um meine Meinung über Glenfarclas zu ändern. Wäre ja auch schade, ich mochte viele die ich vorher hatte. Eher muss man sagen es ist noch mehr meine Überzeugung hier wird toller Whisky abgefüllt. Meine Überraschung war das Bourbon Hogshead. Sowas hat man selten und es hat mir sehr viel Spaß gemacht. Danke Eiling Lim!
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Bilder: Eigene Anfertigung und freundliche Überlassung der Whiskybase
Samples: Eigene Flasche und privat gekauft
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