Around the World – die vierte Umrundung
Zum vierten Mal besteige ich die virtuelle Maschine um die Whiskywelt zu erkunden. Was gibt es diesmal außerhalb der schottischen Heimat zu erkunden? Es geht nicht sehr weit für die erste Station: England steht auf dem Programm. Von dort aus ist es ein kleiner Sprung in die Niederlande. Etwas weiter dann schon nach Israel und erst recht dann final nach Japan, wo ich etwas länger verweilen darf.
Bimber 2019 for LMDW
Also geht es erstmal nur kurz in den Süden der britischen Insel. Bimber hat in den wenigen Jahren in denen sie brennen bereits einen sehr guten Ruf aufgebaut. Darüber hinaus haben sie auch ein durchdachtes Marketing, passend zu den Releases. Außerdem haben sie im konkreten Fall hier mit La Maison du Whisky zusammengearbeitet. Die Abfüllung kam in deren Antipodes Reihe auf den Mark. Diese hat schon für Aufsehen gesorgt, denn die Abfüllungen gelten durchgehend als extrem gut. Dieser Bimber stammt aus einer Oloroso Vollreifung und wurde mit 59,1% in 285 Flaschen gefüllt. Link zur Whiskybase
Nase: Am Anfang noch recht verschloßen. Der Alkohol kann natürlich schonmal seinen Platz suchen, aber das suchen wir ja nicht. Deshalb erstmal stehen lassen. Fünf Minuten später: Aha. Oloroso Galore. Brühe, Maggie, gekochtes Fleisch, Rosinen, Pflaumen. Alles am Start.
Mund: Es geht so weiter. Unglaublich würzig. Mit tiefen Oloroso-Sherry-Aromen. Wieder Brühe, Würze, leicht fleischig. Saure Kaffeenoten. Rote Beeren, Tabak, Leder.
Abgang: Würzig, bitter und süß. Aromen von Fruchtschalen, Trester, zerriebenen Kernen. Dabei bleiben Süße und Früchtigkeit gut erhalten. Hinten raus wird es schön trocken.
Fazit: Ich habe keine Ahnung ob da noch irgendwo der Whisky vorhanden ist. Das ist ein vollkommen vom Fass überladenes Bottling. Das kann man quasi als ikonische Oloroso-Abfüllung bezeichnen. 88/100
Ganz anderes Thema, unabhängig vom Inhalt: Was sollen diese unüblich hohen Flaschen? Das ist wie bei den Octomore Bottlings. Die passen in keinen normalen Schrank. Aber Hauptsache von anderen abheben -.-
Millstone 1996 for The Whisky Exchange
Anlässlich des 50 jährigen Jubiläums der TWE Gründer im Bereich in der Getränke-Industire hat man diverse Specials abgefüllt. So auch diesen Millstone aus der niederländischen Zuidam Distillery. Er reifte 26 Jahre in einem Oloroso Sherry Cask. 233 Flaschen mit 42,4% wurden abgefüllt. Link zur Whiskybase
Nase: Den kann man schon riechen wenn das Glas nur irgendwo in der Nähe steht. Komplexe Noten von Blutorange, Tabak, Rosine, Dörrpflaumen, Balsamico, Sojasauce, Brühe und Kräuterextrakt. Da ist so viel los, das kann man gar nicht alles beschreiben. Sauerkirschen, Johannisbeeren, dunkle Schokolade. Eine gewissen Mineralität durchzieht das Ganze. Marzipan, Walnüsse, Erde, nasse Blätter. Es hört und hört nicht auf.
Mund: Eine schöne fruchtige Säure macht den Anfang. Zitronen, Orangen, Grapefruit und wieder die Sauerkirschen. Dann geht es über in milde Tabaknoten, Balsamico und Sojasauce. Moosbeeren in einem Ledersack. Kaffee und dazu dunkle Schokolade.
Abgang: In der Länge ist das, verglichen mit dem Rest, erstaunlich eindimensional. Wobei man dazu sagen muss, das man sich bei anderen Drams diese Komplexität erstmal wünschen würde. Was bleibt sind die Walnüsse, eine leicht prickelnde Säure und eine vielstimmige Partitur an Bitternoten.
Fazit: Hallelujah. Zu meinem 50ten möchte ich dann auch bitte sowas, danke. Die Nase ist unglaublich. Die kann man bis zum Morgengrauen analysieren. Ob das am langen Ende noch ein Whisky ist, das sei mal dahingestellt. Ob jede*r sowas mag auch. Ich finds ziemlich geil. 92/100 (und das liest man bitte 95 Nase, 92 Taste, 89 Abgang).
Milk & Honey 2019 – Phil & Simon Thompson
M&H hat in sehr kurzer Zeit eine wirklich gute Reputation erlangt. Unabhängige Abfüllungen gab es bisher aber noch wenige. Diese hier von den Thompson Brüdern ist drei Jahre jung und aus einem Bourbon Barrel. Abgefüllt wurden 285 Flaschen mit 57,1%. Link zur Whiskybase
Nase: Ich kriege hier nicht die typischen New Make Aromen, allerdings ist er schon sehr forsch in der Nase. Der Alkohol ist durchaus bemerkbar, aber nicht komplett unangenehm. Da sind Senfgurken und der passende Dill. Auch frisch gesägtes Holz. Früchte aus Dosen kommen zusammen mit frisch gestochenem Torf.
Mund: Sehr würzig. Der Alkohol ist da aber vollkommen im Rahmen. Auch hier wieder das Holz, etwas Erde, Honig. Dann kommen geröstete Nüsse und auch der Dill ist wieder da.
Abgang: Intensiver Honig die über den Nüssen ausgekippt wurde. Darüber werden trockene Kräuter gestreut. Durchs Fenster kommt der Geruch von heißer Straße im Sommer. Eine leichte Zitrus- und Wachsnote bleiben.
Fazit: Ein sehr schönes Bottling. Ich bin mir nicht ganz sicher ob ich die Aromen wirklich auf den Punkt treffe mit meinen Beschreibungen, denn das ist schon deutlich anders. Aber für das Alter wirklich beeindruckend! 86/100
Chichibu 2012
Ein Showcase Cask Sample für die Messe in Limburg 2022. Nein, da wurden keine 100te Flaschen davon verkauft. Es gab im Wesentlichen nur die Möglichkeit Samples aus ein paar wenigen Flaschen zu trinken/kaufen. Das Fass hier ist ein 2nd Fill Virgin Oak Barrel, er ist 10 Jahre alt und 62,7% stark Link zur Whiskybase
Nase: Es beginnt sehr malzig und vanillig. Dann gibt es. einsüßes Gebäck mit Salz bestreut. Etwas Metall kommt dazwischen. und macht aus dem Malt einen Bierbrand. Danach wird es fruchtig. Vergorene Gartenfrüchte, zusammen mit deren Blüten.
Mund: Erst sehr süß. Dann kurz trocken, bevor der Alkohol der Sensorik Schärfe vermittelt. Das lässt sich duch ein paar Runden im Mund schnell beheben. Dann wird er bourboncask-malzig, es kommt ein ganzer Schwung Vanille. Dann ist er zitronig frisch, mit etwas Menthol. Nur um gleich durch das Gebäckstück abgelöst zu werden. Das ist jetzt vom Vortag, leicht angebrannt und wird mit schwarzem Kaffee gereicht.
Abgang: Ein Wechselspiel von fruchtig über malzig bis bitter. Mit Salz, Kaffee, Wachs, Malzbonbon, angebackenem Kuchen, einem Tropfen Limoncello. Auch die vergorenen Früchte sind wieder da. In der Länge, und die hat er, ist er schön trocken.
Fazit: Fantastisch, obwohl noch relativ jung. Allerdings nicht für einen Chichibu, das muss man zugeben. Die können wirklich viel bei Chichibu. Auch smart ein 2nd Fill Virgin Oak (technisch ist das dann nicht mehr Virgin Oak, oder?) zu nehmen, so ist die Vanille nicht überbordend. 90/100
Chichibu 2013 for BAR BARNS
Was macht man als japanische Bar zum 20ten Jubiläum. Nun sich einen Chichibu abfüllen zu lassen ist sicher nicht die schlechteste aller Ideen. Konkret war dieser neun Jahre alt. Aus einem 2nd Fill Bourbon Barrel und wurde mit „schlanken“ 63% in 188 Flaschen gefüllt. Link zur Whiskybase
Nase: Zuerst mal ist da Malz oder vielleicht sogar Bier. Dann kommt Salz und auch Wachs. Es wird fruchtig. Mit Honigmelone, Kiwi, Birne. Außerdem ist da sowas wie Nussmehl. Fein gemahlene Nüsse zum Backen, wenn ihr wisst was ich meine.
Mund: Oh. Das ist mal würzig. Eher scharf. Der Alkoholgehalt spricht Bände. Ingwer, Chili, Pfeffer, alles was euch so an „scharf“ einfällt. Wasser hilft deutlich. Das bringt dann wieder viele Früchte raus.
Abgang: Konsequenterweise ist er dann im Abgang stark wärmend und leicht betäubend. Auch hier sind wieder viele Früchte dabei. Honigmelone, Lychee, Pfirsich. Auch ein paar Bitterstoffe aus den Schalen. Im Vergleich zu anderen Malts würde ich das aber auch als zurückhaltend bezeichnen. Auch hier ist Wasser fast schon Pflicht für den Genuss. Auch wenn die Fruchtigkeit schon vorher vorhanden war.
Fazit: Eigentlich hätte ich vielleicht immer nur das Label anstarren sollen, dann hätte ich schon die richtigen Aromen projiziert bekommen. So ganz daneben liegt das glaube ich auch nicht. Auch wenn ich ehrlich gesagt nichtmal alles erkenne was da drauf ist 😉 Ok, zurück zum Thema. Ist das ein guter Whisky: ja. Ist er für das Alter gut: Ja. Ist das ein richtig richtig guter Chichibu? Ich bin mir nicht sicher. Wenn man sich viel mit Pipette und Zeit daran setzt vielleicht, in meinen Möglichkeiten auf der Messe: 87/100
Kanosuke 2018 – Phil & Simon Thompson
Wenn man an japanischen Whisky denkt, dann hat man wahrscheinlich nicht sofort Kanosuke auf dem Schirm. Erst 2018 gegründet und bisher auch mit nur wenig Releases. Um genau zu sein in Europa erst vor kurzem überhaupt ein offizielles Release. Und hier im Glas habe ich das erste Single Cask das überhaupt nach Europa kam und generell das erste unabhängige Bottling. Well done Phil & Simon! Konkret ist der 4-jährige 58% stark und es gab 243 Flaschen. Link zur Whiskybase
Nase: Eine sehr vegetale, grüne Note. Zuckerschoten, Moos und Artischocken. Aber auch Erde und Blätter. Dazu kommen unreife Zitrusfrüchte mit etwas Honig. Wasser bringt Haselnusscreme oder Mandelmus.
Mund: Würzig und leicht sauer. Hier merkt man, dass es noch junges Destillat ist. Aber das ist bereits nach wenigen Umdrehungen weg. Dann kommt eine wunderbare Süße und Fruchtigkeit. Vanillecreme, Aprikose, Orange. Genauso wie die erdigeren Töne wieder da sind. Diesmal mit Nüssen und Ingwer. Ein paar Bitterstoffe sind auch schon da und bereiten dan Abgang vor.
Abgang: Leicht salzig, eine wächserne Schicht bedeckt die Zunge. Die Nussigkeit ist immer noch vorhanden. Dazu etwas Zitrus. Die Bitterstoffe halten sich sehr im Zaum. Vielleicht so wie wenn man auf Spelzen rumkaut. Hier macht sich auch die Jugend nochmal bemerkbar. Besonders lang bleibt er nicht.
Fazit: Für einen vier Jahre alten Malt: Wow. Das ist schon sehr lecker. Auch wieder deutlich anders als die bekannten Schotten. Der verträgt übrigens auch ganz gut Wasser. Wohlgemerkt: Verträgt, nicht braucht. 88/100
Big in Japan – bigger in the Netherlands
Heute gewinnt, überraschend oder auch nicht, die Niederlande. Und zwar mit etwas das vielleicht schon kein Whisky mehr war. Aber einfach ein beeindruckend gutes Destillat aus einem gigantischen Fass.
Der Rest muss ich aber keinesfalls verstecken. Weder die Japaner, bei denen die Erwartung vielleicht die höchste war, noch der Bimber und der M&H. Der virtuelle Flug durch die Whiskywelt hat sich gelohnt und mein Horizont ist erneut erweitert!
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Bilder: Titel: Weltkarte mit Punkten und Verbindungslinien, Screenshot von planyourtrip.travel | Flaschen: Eigene Anfertigung
Samples: Eigene Flaschen und auf der Messe gekauft
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