Das Tal von Rothes
Im Tal von Rothes, am Rand der Stadt Rothes, da steht Glenrothes. Und Überraschung: Glenrothes heißt übersetzt Tal von Rothes. Neben diesen unglaublich spannenden Fakten kann ich heute auch noch sechs Reviews von unabhängigen Bottlings dieser Destilliere anbieten. Typischerweise werden diese in Sherryfässern ausgebaut und finden darüber auch großen Anklang. Vier dieser modernen Bottlings sind heute dabei. Aber auch zwei Besonderheiten sind am Start: Eine Reifung in einem Refill Hogshead und ein deutlich älteres Sherry Bottling. Das gibt hoffentlich Bandbreite und weitere Erkenntnisse.
Glenrothes 1997 – Phil & Simon Thompson
Ein 24 Jahre alter Glenrothes ist an sich schon besonders. Aus einem Refill Hogshead, ohne weiteres Finish noch mehr. Die Abfüllung der Thompson Brüder hat 48,9% und es gibt 269 Flaschen. Link zur Whiskybase
Nase: Ein sehr schönes Profil. Da sind Früchte. Vor allem sehr süße. Ich denke an Honigmelone, überreife Papaya. Auch Avocado. Dann kommt zum Ausgleich trockenes Holz, noch nicht ganz das alte Holz, die Eichenwürze. Aber auf dem Weg dorthin. Ein Hauch Vanille und ein wenig Röstaromen vom Grill.
Mund: Gummibärchen und Pfeffer. Ich wittere erneut eine Geschäftsidee. Reife Früchte und Fruchtschalen. Damit auch einiges an Bitterstoffen.
Abgang: Die dominieren dann auch den Abgang. Viel Kaffeenoten und auch etwas Holz. Abrieb von Zitrusfrüchten. Etwas Fruchtbrause.
Fazit: Ein wirklich schönes Bottling. Hinten raus ist noch ein wenig Luft nach oben, aber das ist mal wieder Jammern auf sehr, sehr hohem Niveau. 89/100
Glenrothes 2011 – Phil & Simon Thompson
Elf Jahre durfte dieser Glenrothes reifen. Davon die meiste Zeit in einem refill Butt aber auch acht volle Monate in 1st Fill Oloroso Sherry. 314 Flaschen haben die Thompsons mit 53,6% dann abgefüllt. Link zur Whiskybase
Nase: Nasser Tabak, saure rote Früchte in Butter geschwenkt, Schießpulver. Auch etwas vom Tier. Gekochtes Rindfleisch.
Mund: Erstmal relativ rund und weich. Wieder die Beeren, diesmal eher gekocht. Außerdem einiges an Schwefel. Für mich gut eingebunden. Kaffee und dunkle Schokolade.
Abgang: Leicht säuerlich, weiterhin deutlich vom Sulfur begleitet. Die Beerenaromen werden jetzt weniger. Werden eher durch eine allgemeine Süße ersetzt. Ein paar Kräuter, vielleicht kühlendes Menthol.
Fazit: Für Schwefel-Sherry-Liebhaber mit Sicherheit ein Highlight. Ich fand den Schwefel auch relativ gut integriert, deshalb diesmal kein Grund zu großer Beanstandung von mir. 85/100
Glenrothes 2011 – Phil & Simon Thompson
Ein direkter Vergleich. Mein Favorit für Reviews! Auch 11 Jahre im Fass. Erst in einem refill Butt und dann 13 Monate in einem Oloroso Sherry Quarter Cask. Abgefüllt haben die Thompsons 174 Flaschen mit 57,1% Link zur Whiskybase
Nase: Verschiedene gekochte Fleischstücke. Das ist wirklich wie in einer Fleischerei. Dazu auch die passende, würzige Brühe. Außerdem trockener Rauch, der mit der Zeit in etwas Schießpulver übergeht. Außerdem ist auch noch ein Gebäckstück mit roten Früchten irgendwo in der Nähe.
Mund: Erst weich, dann würzig. Leicht pfefferscharf sogar. Dazwischen dann Fleisch, dass in Zitronensaft und reichlich Salz mariniert wurde. Außerdem ist auch hier wieder der Schwefel präsent.
Abgang: Saure rote Früchte mit leicht ranziger Butter. Der Schwefel ist jetzt fast weg. Der Mundraum stattdessen betäubt. Tabak, Zitrone und Menthol lösen das dann wieder.
Fazit: Der reizt mich mehr als andere Bottling. Deutlich komplexer und der Schwefel ist noch deutlich besser eingebunden. Ich finde es wirklich ein spannendes Bottling, auch wenn das schon sehr fordernd ist. Mutig Abfüllung. Belohnter Mut. 87/100
Glenrothes 2006 – Douglas Laing
Aus der Reihe „The Chairman’s Choice“ der Old Particular Bottlings von Douglas Laing stammt dieser 12 jährige Glenrothes. Aus einem Sherry Butt wurden 278 Flaschen mit 63,4% für UK Emporium abgefüllt. Ich vermute auch hier ein geteiltes Fass, da hab ich aber leider den Rest nicht gefunden. Link zur Whiskybase
Nase: Viele staubige Dinge. Ein alter Buchladen, ein Antiquariat, aber auch staubige Schokolade. Auch eine Salzkruste ist da irgendwo. Dahinter ist eine lauernde Süße. Dicker Sirup, der Früchte übertüncht.
Mund: Sehr würzig, vor allem Salz und Pfeffer. Darunter warten schon eingelegte Früchte, mit dunkler Schokolade und Menthol.
Abgang: Umami, Salz, Holz, eingelegte dunkle Früchte, Kaffee. Der hohe Alkoholgehalt gibt ihm die Möglichkeit das in endlosen Wellen zu transportieren.
Fazit: Es ist ein modernes Sherrybottling mit hoher Intensität. Keine Fehlnoten, macht Spaß, lässt Raum zum Spielen, dank hoher Stärke. Sehr gut! 88/100
Glenrothes 1997 – Scotch Single Malt Circle
Ein Bottling der lieben Maggie Miller. 19 Jahre im Fass. Einem 1st Fill Sherry Butt. Ob was wohl wirklich eine Vollreifung ist? 300 Flaschen mit 55,3% gab es für den SSMC Link zur Whiskybase (und nochmal über 600 für Anam na h-Alba)
Nase: Kurz beisst es in der Nase. Etwas Beize, etwas Lack. Das geht dann sofort über in wunderbare umami Noten. Sojasauce, Balsamicoessig, auch etwas Sauerkraut. Dann kommen Rumrosinen, Pflaumen, Tabak und Leder. Zwei, drei Rosen- und auch Minzblätter. Dann kommt nochmal die dunkle Seite mit hochprozentiger Schokolade.
Mund: Viele Sherry Aromen fechten einen kleinen Kampf aus mit viel Eichenwürze. Das gibt ein Feuerwerk im Mund. Dazwischen dann immer wieder gemalener Pfeffer und Sauerkraut. Irgendwann gewinnen die Sherryaromen und dürfen sich mit dunklen Schokoladen, Trockenfrüchten und Tabak durchsetzen. Die Eichenwürze begnügt sich nun mit intensiven Bitterstoffen.
Abgang: Im Vergleich zu Nase und Taste ist das nun sehr zurückhaltend. Es bleiben ein paar saure Noten, viel umami und sehr viel bitter. Es wird trocken, die Zunge ist mit eine Infusion aus Balasmico, Kaffee und Espressobohnen belegt.
Fazit: Ziemlich lecker. Intensität ist wirklich sehr hoch. Die Komplexität auch. Und die verschiedenen Schichten sind dabei gut integriert. Das reicht bei mir für 90/100. Knapp, aber es reicht. Eine Anmerkung noch, weil das ja immer eine Kontroverse ist: Laut Base finde manche hier Schwefelnoten. Mein Sample hatte davon keine.
Glenrothes 1978 – Gordon & MacPhail
Ab in die Zeitmaschine. Eine Gordon & MacPhail Abfüllung aus den 1970ern. 29 Jahre im Fass, immer noch fast 60% stark. Abgefüllt wurde aus einem Refill Sherry Butt in 415 Flaschen. Link zur Whiskybase
Nase: Erster Eindruck: Gekochtes Fleisch, Rosenwasser, Apfelblüten. Dann geht es viel stärker in Richtung Sherry. Gewürze, Kaffee, Tabak und Leder. Auch Früchte sind am Start, Rosinen, Datteln, Erdbeeren. Vor allem in getrockneter Form.
Mund: Lebhaft und würzig. Extremer Einschlag in Richtung Tabak und Leder. Wenn er ein wenig im Mund gekreist ist, dann kommt viel Schokolade und auch schöne Früchte und Marmeladen. Bis hin zur Orangenmarmelade mit Schalenabrieb.
Abgang: Pflaumen, Schokolade, etwas Kräuter. Insgesamt gut wärmend, etwas Menthol. Dann kommt noch eine Kombination aus Kirsche und Erdbeere durch.
Fazit: Ein würdiger Abschluss für diese Session. Beeindruckend gut integrierter Alkohol. Intensive, komplexe Aromen. Das Alter ist erkennbar, aber nicht negativ dominierend. Ich bin mehr als zufrieden. 90/100
Längere Reifung macht es besser?
Die Frage hab ich ja schon öfter gestellt. So könnte man auch hier vermuten. Die drei länger gereiften Bottlings erhalten die ersten drei Plätze. Allerdings liegt das nicht nur an der Reifezeit. Meine persönliche Präferenz lag noch nie bei schwefeligen Abfüllungen. Ich kann dieses fast immer tolerieren, manchmal (wie auch hier durchaus), finde ich es gut integriert aber nur ganz selten ist das für mich das Highlight. Das geht anderen sicher anders und deshalb würde ich nicht wundern, wenn dann auch die Rangfolge anders ist. Die Qualität insgesamt war übrigens beeindruckend hoch.
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Bilder: Titel: Dall-E, Prompt: the glen of Rothes in the summer painted in the style of Guo Xi | Flaschen: Eigene Anfertigung sowie freundliche Überlassung von Wummy und der Whiskybase
Samples: Eigene Flaschen und privat gekauft
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