Sieben Jahre keinehalbendrinks.de

Vor sieben Jahren habe ich an dieser Stelle geschrieben: “Das Leben ist zu kurz für schlechte Drinks”. Das galt damals und das gilt auch heute. Seitdem ist viel passiert hier im Blog. Von der Exploration der Barkultur ist der Fokus hart in Richtung Whisky geschwenkt. “Keine halben Drinks” ist mittlerweile eine der umfangreichsten, deutschsprachigen Quellen für schottischen Single Malt und den Kosmos drumherum. Das gilt vor allem für Tastingnotes und Reviews.

Natürlich wollen wir auch das siebte Jahr gebührend feiern. Diesmal haben Christian und ich es auch wieder live geschafft und Astrid kam virtuell dazu. Musste dadurch leider auf die Cocktails und Whiskys, die im Beitrag folgen, verzichten. Sie hat sich einfach selbst versorgt.

So, genug der Vorrede. Los gehts!

Happy Cocktail Hour!

Wir beginnen, wie beim fünften Geburtstag, mit einer Runde Cocktails. Ganz bewusst habe ich in der Überschrift den stehenden Begriff umgedreht. Denn wir suchen ja weiterhin nach Qualität und Erweiterung des Horizontes. Nicht nach billigem Rausch, für den die Cocktail Happy Hour eigentlich steht.
Tobias: Auch wenn ich persönlich nur noch selten Cocktails trinke, der Platz in meinem Herzen ist weiterhin dafür vorhanden. Was ich tatsächlich noch öfter mache, als Cocktails trinken, ist sie für andere zubereiten. Da versuche ich auch weiterhin besser zu werden und ich habe heute dahingehend auch wirklich was vor. Hoffentlich klappt das, denn es gab keine Generalprobe.

Tobias: Ich hab einen Cocktail abgewandelt aus dem Vermouth. Einem Buch dass mir eine tolle Person die viel reist mitgebracht hat. So, dass er gut in sein Profil passt. Süß und torfig. Außerdem was für die Show. Ich flambiere die Feigen am Glasrand.

Christian: Die tolle Person muss wohl ich sein. :-). Der ist sehr trinkig. Der Trouble oder den Peat merke ich jetzt eher nicht.

Tobias: Das sehe ich auch so. Das ist lecker. Den Aufwand, den ich so drum gezaubert hab, kann man sich aber glaube ich sparen. Sag mal Astrid was hast du eigentlich im Glas?

Astrid: Ich hatte mir von dem Rosebank Rare Malts den ich kürzlich verblogt habe (Link) etwas mehr besorgt. Der macht wirklich Spaß.

Christian: Bei uns geht es weiter mit meinem Cocktail. Wir trinken einen Smoke & Mirrors. Ein Grund ist der Whisky darin. Laphroaig 10 CS Batch 010. Bestes Batch ever. Also Peat. Dazu gekommen bin ich über den Penicillin, den ich sehr mag. Das hier ist eine schöne, modernere Variante davon.

Tobias: Oh ja. Schön fruchtig und minzig. Lecker. Gefällt mir gut. Ist gut im Zaum obwohl da “krasse” Komponenten drin sind.

Christian: Ja, den kann man gut trinken. Schöne Variante. Man muss nur aufpassen mit dem Absinth. Wenn einem der auskommt, dann hat man nur noch Absinth.

Hier biegen wir im Gespräch schon direkt Richtung Whisky ab. Lieblingsdestillen und Stile. Man merkt wir sind alle drei mit einem unterschiedlichen “Auftrag” unterwegs. Sehr schön.

Zahlen Daten Fakten

Ich will niemanden mit langweiligen Zahlenkolonnen nerven, aber ein paar Punkte möchte ich doch festhalten. Im siebten Jahr gab es:

  • über 450 neue Reviews. Davon über 50 Bruichladdich. Die Wachstumsrate ist fast schon verrückt. Jede Woche erscheint mindestens ein Beitrag. Durchschnittlich mehr als ein Review pro Tag.
  • den Sprung über die 1000der-Marke (Link).
  • eine weiterhin wachsende Leserschaft. Schon letztes “Geschäftsjahr” waren es durchschnittlich über 100 sog. “Unique Visits” pro Tag. Diese Besucherzahl steigt weiterhin langsam aber kontinuierlich.
  • eine breite Range an Bewertungen. Die beste Bewertung: 93 (St. Magdalene 1982 – Gordon & MacPhail, Strathisla 1969 – Jack Wiebers, Banff 1975 Gordon & MacPhail). Die schlechteste Bewertung: 40 (Glenfiddich Orchard Experiment).

Darauf können wir doch anstoßen, oder?

Banff 1980 – Milroy’s of Soho

Eine Flasche Banff 1980 von Milroy's of Soho

Ein Fass aus den Auswahl der bekannten Milroy Brüder. Abgefüllt mit 50% und nach 18 Jahren aus einem Oak Cask. Die Anzahl der Flaschen ist nicht bekannt. Link zur Whiskybase

Nase: Von Anfang an ist er wunderbar grasig und wachsig. Das ist so prägnant, da fangen gleich wieder Bilder im Kopf an. Die Wiese und die Bienenwaben sind klar vor dem geistigen Auge. Dazu kommt eine ganze Menge Erde und ein kleines Stück Vanillegebäck.

Mund: Der Antritt hat viel Salz und Zitrone. Es dauert einen Moment bis die Wiese zurück ist. Später dann geht es in Richtung Zitrusschalen und saure Kaffeebohnen.

Abgang: Nach dem Schlucken ist auch wieder Zitrus dominant. Bringt aber jetzt auch das Wachs wieder mit. Dann kommt noch Ingwer, Erde und Gras. Das gibt ihm die Tiefe die man vielleicht vorher schon erhofft hatte.

Fazit: Christian sagt lecker, haut ihn aber nicht um. 87/100 Tobias ist ein klein wenig seeliger. Das grasige Profil ist einfach schön. 88/100 Insgesamt könnte er etwas mehr Tiefe vertragen.

Banff 1975 – Jack Wiebers Whisky World

Eine Flasche Banff 1975 von Jack Wiebers

Ein gleich noch ein Banff hinterher. Diesmal etwas älter. In fassstarken 48,3% von Jack Wiebers nach fast 30 Jahren in die 256 Flaschen gebracht. Zum Fass weiß man nix. Erschienen ist das Bottling in der Kreuzberg-Reihe “The Cross Hill”. Link zur Whiskybase

Christian: Der hat mehr. Mehr von allem. Würziger, verbranntes Gras. Nussig. Gebundene Grassuppe.
Wir machen einen kurzen Exkurs zum Thema gebundene Suppen. Keine versteht warum man klare Kartoffelsuppen macht.

Nase: Riecht schon schmelzig und cremig. Milchcreme. Bei tiefem Nosing kommt das Gras wieder durch. Auch etwas Metall. Er ist auch leicht nussig, dem kann ich mich anschließen.

Mund: Auch wieder sehr schmelzig. Tolles Mundgefühl. Dann kommen einige Bitterstoffe und natürlich wieder das Gras. Eine leicht rauchige Fruchtigkeit ist auch noch da.

Abgang: Lange mit vielen Bitterstoffen. Fruchtige Bitterstoffe. Vielleicht auch eine Idee von Rauch. Ich bin mir aber nicht wirklich sicher. Es ist eher eine Ahnung.

Fazit: Finden wir beide einen Tick besser als den Milroy. Das Destillerienprofil ist wieder klar erkennbar und das macht mir sehr viel Spaß. Lovely. 89 von Christian und 90 von mir.

Tobias: Ich mag die grasigen Profile. Das finde ich bei St. Magdalene gut.

Astrid: Mein Rosebank hier hat einiges in diese Richtung. Schön.

Das war wichtig im siebten Jahr

  • Ein Rekord! Die meisten Port Charlotte Reviews der Welt? Ich freue mich über sachdienliche Hinweise, bisher habe ich kein Blog gefunden, das mehr als 100 Port Charlotte in der Verkostung hatte. Und auch wenn das nur eine Zahl ist und ich wirklich nicht überheblich sein will: Das macht mich schon ein wenig stolz. Vielen Dank lieber Christian, denn den Stoff dafür hat keinehalbendrinks.de vor allem dir zu verdanken!
  • Das erste Interview. Der liebe Whisky-Baron aus Johannis in Nürnberg durfte sich von mir befragen lassen (Link). Das fand ich ziemlich cool und Interviews sind meiner Meinung nach eine schöne Ergänzung. Nur machen sie ziemlich viel Aufwand, deswegen wird es nur selten und sehr ausgewählte Interviews geben.
  • Erweiterung des Autorenteams. Herzlich willkommen Daniel. Ich bin schon gespannt was du an frischem Wind in keinehalbendrinks.de bringst.

Auch das wollen wir gebührend feiern!

Glenfarclas 1956

Eine Flasche Glenfarclas 1956

Und was habt ihr so zu eurem 50ten Geburtstag vor oder gemacht, falls er in der Vergangenheit liegt? Ein Glenfarclas Fass abgefüllt? Mit 50 Jahren Reife? Hans Georg Wursching hat das getan. Respekt! 96 Flaschen mit 50% kamen dabei raus. Link zur Whiskybase

Nase: Leichter Gummigeruch, milde Beeren, ranzige Butter. Ich fühle mich ein wenig an junge Port Charlotte aus dem Sherryfass erinnert. Dann kommt ein Antiquariat, ein wenig Schokoladenraspel und einiges an kräutrigen Noten.

Mund: heller Kuchen, dazu ein Espresso, dann Blaubeeren, Kaffee, etwas Lack, leicht würzig, pfeffrig,

Abgang: das ist auch der erste Eindruck im Abgang, danach wird es trocken, leicht säuerlich. Kaffeemehl, direkt in den Mund. Dann kommen wieder Beeren.

Fazit: Extrem komplex. Allerdings wäre meine Erwartung was Stimmigkeit und dergleichen angeht höher gewesen. Das wirkt unrund für mich. Schwierig den zu beurteilen. Ich einige mich mit mir selbst auf 89/100, Christian ist da auch dabei.

Bowmore 1965

Eine Flasche Bowmore 1965

Grande Finale. Eine Bowmore Abfüllung aus den 1980er. In die Sherryfässer ging es bereits 1965. Abgefüllt wurde mit 50%. Was witzigerweise mit einem Aufkleber als “full strength” bezeichnet. Was ich kaum glauben kann, dass man hier zufällig genau 50% erreicht hat. Link zur Whiskybase

Nase: Sehr stoffige, intensive Nase. Extreme Tiefe, Cranberry-Gelee, zerriebene Traubenkerne, leicht buttrig, leicht nussig. Etwas Zitrone und Zitronenabrieb. Ein Tintenfässchen. Und dann kommen Südfrüchte, mit einer starken Betonung auf Passionsfrucht.

Mund: Es geht weiter mit einer Unendlichkeit an Südfrüchten. Vor allem auch Fruchtschalen. Dazu intensive Eichenwürze und die Sherryfässer melden sich mit Leder und Tabak.

Abgang: Die wunderschöne Tiefe setzt sich fort. Alle Bitterstoffe die man sich so wünschen kann, sehr nuanciert. Und schwer zu beschreiben. Dazu auch wieder Tabak, Früchte, Leder, Salz. Wirklich sehr schön.

Fazit: Einfach großartig. Was soll man da noch sagen. Das ist an Komplexität wirklich kaum zu übertreffen. 91 von Christian und 92/100 von mir. Ich hab allerdings die rauchige oder torfige Seite nicht gefunden. Vielleicht auch nicht vermisst, sie ist an der Stelle auch nicht wirklich relevant.

Danke!

Auch dieses Jahr möchte ich wieder danke sagen. Wie immer für euer Interesse und die Unterstützung, das Feedback, den Austausch. Explizit diesmal auch für die vielen, tollen neuen Kontakte. Auf das nächste Jahr bei “Keine halben Drinks” und ein Hobby, dass man am besten teilt: Slàinte!

Mehr zu: Banff, Bowmore, Glenfarclas
Bilder: Eigene Anfertigung, freundliche Überlassung der Whiskybase, Whisky Shop Singapur (ungeklärte Bildrechte)
Samples: Eigene Flaschen und privat gekauft