Andere Insel, anderer Whisky?

Kurze Spinnerei: Angenommen, die Brennerei Ardmore verwendet Gerste aus Polen, um damit Whisky herzustellen, dann darf das Ergebnis als schottischer Single Malt vermarktet werden. Angenommen jedoch, Ardmore-Besitzer Suntory entscheidet sich dazu, diesen Whisky nach Japan zu verschiffen und dort in Flaschen zu füllen, dann darf deren Inhalt als japanischer Whisky verkauft werden. Ist der Whisky nun japanisch, schottisch oder polnisch? Je nachdem, wen man fragt. Beziehungsweise, welche Regularien angesetzt werden. Und das japanischen Regelwerk betreffend Whisky war bislang ziemlich locker (nicht, dass in Schottland immer alles Friede, Freude, Eierkuchen wäre). Weshalb ich japanischem Whisky auch immer ein wenig aus dem Weg gegangen bin, viele Millionen Liter Bulk Whisky passen schließlich nicht so ins romantische Bild von meiner kleinen, ursprünglich-authentischen Whiskywelt, wenn sie um die halbe Welt transportiert werden.

Andererseits trinke ich auch GlenDronach, der am Flughafen Edinburgh gereift worden ist. Am Ende des Tages ist Whisky ein global gehandeltes Produkt, bei dem die Wirtschaft die Grenzen der Effizienz und Gesetzgebung auslotet, um möglichst großen Gewinn zu erzielen. Aber ich schweife ab. Ab ins Glas mit ihm:

Eine Flasche mit Ichiro's Malt, Edition Mizunara Wood Reserve.

Ichiro’s Malt – Mizunara Wood Reserve

Finish in Mizunara Oak Casks / 46%Vol. / Link zur Whiskybase

Auf dem Etikett steht: „This Pure Malt Whisky is matured, vatted and bottled at the Chichibu Distillery“ – gebrannt wurde er also woanders, denn sonst würde das auch draufstehen. Tatsächlich soll diese Abfüllung ein Blend aus Malt Whiskys unbekannter Herkunft sein, mit Hanyu aber auch richtigen japanischen Whisky enthalten. Mizunara ist die in Japan heimische Unterart der mongolischen Eiche. Geschmacklich soll sich das im Vergleich zu den „üblicherweise“ verwendeten Eichenarten unterscheiden. Mal probieren, ob sich das bei einem Finish schon bemerkbar macht.

Nose: Warmes Malz mit brotigen Akzenten. Deutlich auf der süßen Seite, dank Honig und Karamell. Auch Haselnusscreme und drei Cocktailkirschen kleben im Glas. Dazu Vanille mit einem Hauch von Kokos und einem Klecks von Butter. Ausgesprochen kantenlos und brav, trotzdem lecker. (83)

Taste: Eine Menge Malz, außerdem das Honigtoast vom Frühstück. Wesentlich mehr Eichenholz und Gewürze als in der Nase, wobei die Eiche schon irgendwie anders ist. Samtiger. Karamell und Haselnüsse verbreiten Cremigkeit. Abgesehen davon recht stumpf. Milder Ingwer und Kamille wirken etwas Fehl am Platz. (80)

Finish: An dieser Stelle bekommt der Honig einen wachsigen Touch. Insgesamt sorgen würziges Eichenholz und Gerstenmalz aber dafür, dass der Abschluss eher trocken als süß ist. Eine Nussmischung und Schießpulver werden aus der Ferne von Tabak unterstützt. (83)

Fazit: Ziemlich langweilig und konstruiert, ein Whisky der schmeicheln und gefallen soll. Ganz geklappt hat das allerdings nicht, im Geschmack bekomme ich viele müde und flache Impressionen präsentiert. Das Eichenholz mal außen vor, das hat es mir angetan.

Eine Flasche Kurayoshi 12 Jahre.

The Kurayoshi 12 Jahre

Eichenfässer bis 2016 / 43%Vol. / Link zur Whiskybase

Hier soll das Flaschenetikett suggerieren, dass es sich um einen 12-jährigen Whisky der Kurayoshi Distillery handelt. Weit gefehlt! Hinter Kurayoshi steht die Brennerei Matsui Shuzo, welche allerdings erst seit 2017 selbst Whisky herstellt. Es ist also davon auszugehen, dass hauptsächlich schottischer Malt enthalten ist. Bei japanischen Whiskykennern genießt Matsui Shuzo offenbar einen ziemlich schlechten Ruf.

Nose: Beginnt ziemlich harmlos und bleibt es auch. Hat eine ähnliche Karamell-Honig-Kombi, wie der Malt von Ichiro, cremig und leicht nussig. Ergänzt von Apfel mit Vanillesauce. Anklänge von Wachs schaffen es, dem Tropfen ein wenig Gewicht zu verleihen. Zeit bringt höchstens noch Malz und Schokolade. (79)

Taste: Honig bildet das Fundament. Darauf zeigt das Malz seine Facetten, brotig und geröstet geht es über in Karamell und Schokolade. Die Eiche kann noch mit einigen Gewürzen punkten. Leider etwas dünn. (79)

Finish: Erneut Karamell, Honig und würziges Malz, schön langsam wirkt das Ganze relativ uninspiriert. Das macht aber nix, denn grasige, nussige und salzige Elemente bringen etwas Abwechslung. Immerhin auch mit einer guten Länge. (80)

Fazit: Wirklich absolut nichts besonderes ohne jeglichen Wiedererkennungswert. Im Umkehrschluss aber auch keinerlei negative Vibes. Außer vielleicht, dass der Honig stellenweise wie ein günstiges Massenprodukt rüberkommt.

Eine Flasche Hakushu 12 Jahre.

Hakushu 12 Jahre

Eichenfässer bis 2018 / 43%Vol. / Link zur Whiskybase

Endlich! Ein japanischer Single Malt, der auch wirklich in Japan destilliert worden ist. Um zwar in der Brennerei Hakushu, welche zu Suntory gehört.

Nose: Vanille, Salz und feiner Rauch formen ein ansprechendes Profil. Zitrone hält den Malt frisch, Ruß steuert dagegen. Toffee, Honig und blumige Anklänge wechseln sich ab. Bei kandierten Südfrüchten und samtigen Gewürzen pendelt es sich ein. (87)

Taste: Überaus gelb mit Banane, Maracuja und Ananas. Das Salz passt sehr gut dazu, das viele Malz weniger. Der Rauch ist vergleichsweise aschig und bitter bis holzig, das wirkt unrund. Karamell und Gewürze befinden sich da mehr in der Spur. (84)

Finish: Gelbe Frucht und Salz finden sich auch an dieser Stelle, wie gewohnt lecker. Die Asche ist ebenfalls eine Konstante, leicht rußig. Die Holzkomponente bringt’s überhaupt nicht, ist zum Glück auch nicht lange da. Generell leicht süß. (85)

Fazit: Da bin ich gedanklich nach Islay abgedriftet, blind wär ich da auf jeden Fall gelandet. Für einen 12-jährigen Standard besitzt er eine gute Reife und Vielschichtigkeit. Gelegentlich hat er einen schlechten Moment, aber die kann er in der Regel kompensieren.

Eine Flasche 12-jährigen Yamazakis.

Yamazaki 12 Jahre

amerikanische, spanische & japanische Eichenfässer bis 2018 / 43%Vol. / Link zur Whiskybase

Ebenfalls im Portfolio von Suntory: Die Brennerei Yamazaki. Und auch hier wird waschechter japanischer Whisky produziert.

Nose: Fängt mit Karamell und Nüssen recht simpel, aber gefällig an. Hat was von Trüffelschokolade. Dezente Aromen von Pflaumenmarmelade, Orange sowie alten, polierten Ledermöbeln versetzen ansatzweise in Old School-Stimmung. (83)

Taste: Guter Start mit Orangenlikör und würzigem Eichenholz, dann jedoch funkt der Sherry mit künstlichen Anklängen dazwischen. Der Karamell marschiert schon verdächtig in Richtung Nussnougat. Malz, Tabak und Lederpolitur bestimmen den weiteren Verlauf. Tendenziell zu säuerlich und bitter, um wirklich ausgewogen zu erscheinen. (83)

Finish: Zuerst stellt sich das Eichenholz ausladend in den Raum hinein. Kurzzeitige Schwefelassoziationen inklusive. Hinter den Gewürzen verstecken sich Nüsse und erneut diese ölige Politur. (83)

Fazit: Mit der schokoladigen Mischung aus Nuss und Orange bereitet er ganz klar auf den 18-jährigen Yamazaki vor. Er hat zwar nicht dessen Eleganz, dennoch lässt er sich trotz einiger Schönheitsfehler wunderbar trinken.

Eine Flasche Yamazakura Sherry Wood Finish.

Yamazakura 10 Jahre – Sherry Wood Finish

Sherry Wood Finish bis 2018 / 58%Vol. / Link zur Whiskybase

Die 1946 gegründete Firma Sasanokawa Shuzo war dafür bekannt, große Mengen an Whisky aus Schottland zu importieren. Zwar hatte man mit Yamazakura eine eigene Destillerie, brannte aber nur halbherzig. Wenn ich das Flaschenlabel richtig verstehe, so sind in dieser Abfüllung schottische Single Malt Whiskys enthalten, welche 10 Jahre oder älter sind und mit 16-jährigem Yamazakura geblendet wurden.

Nose: Sherry? Erstmal einige Äpfel und Bienenwachs. Auch Biskuit und Eichenholz lassen mich tendenziell an eine Bourbonfassreifung denken. Nach einigen Minuten dann endlich klebrige Trockenfrucht und Nüsse. (83)

Taste: Lebendiger als in der Nase, es prasseln Äpfel, rauchige Gewürze und Wachs auf einen ein. Am Eichenholz hängen einige Nüsse und auch Streichhölzer. In der Ferne warten klebrig-süße Sherryaromen und Tannine. (82)

Finish: Ich habe das Gefühl, Sherry und Eiche finden nicht zueinander. Flache, erdige Gewürze wirbeln planlos durch eindimensionalen Sherry, welcher im Prinzip nur süß ist mit einem Hauch von Nuss. (80)

Fazit: Ernüchternd. Fängt passabel an, wandelt sich dann aber in einen uninspirierten Jungspund. Als hätte das Sherryfinish den Whisky retten, was überdecken müssen. Hat leidlich funktioniert, für mich nicht. Wenigstens stört der hohe Alkoholgehalt nicht.

Eine Flasche Yamazakura, der Inhalt ist mindestens 10 Jahre alt und hat ein Finish in Mizunara-Holzfässern verpasst bekommen.

Yamazakura 10 Jahre – Mizunara Wood Finish

Mizunara Wood Finish bis 2018 / 59%Vol. / Link zur Whiskybase

Ebenfalls ein „World Blend“, wirklich transparent ist das Ganze nicht. Sasanokawa Shuzo hat sich im Übrigen dazu entschlossen, wieder ernsthaft als Whiskyproduzent aktiv zu werden, denn 2016 eröffneten sie die Asaka Distillery.

Nose: Mizunara? Erstmal öliger Sherry. Erinnert an die eine oder andere brauchbare Sherrylagerung von GlenDronach. Backpflaume, Kirsche, Blutorange… auch schön karamellig bis schokoladiges Nougat mit einem Touch von Butter. Dann, langsam, entfaltet sich die Eiche und fantastische rauchig-samtige Würze bereichert den Malt. (86)

Taste: Dem Sherry fehlt hier ein wenig die schmeichelnde Fruchtigkeit, stattdessen ist er säuerlich und nussig. Erst in Verbindung mit der würzigen Eiche und der Trüffelschokolade wird ein Schuh draus. Da ist die Lederpolitur nicht weit. Mit etwas Ausdauer zeigen sich Pflaumen, aber auch erdige Bitterkeit sowie Ingwer. (84)

Finish: Das Gefühl von Volumen bleibt eine Zeit lang. Das Holz verbreitet eine trockene Würze, dazu blöderweise auch Schwefel und erdige Bitterkeit. Das wird abgelöst von Nüssen und Spuren von klebrigem Sherry. Ein alter Ledersessel. (83)

Fazit: Ich hoffe, der freundliche Flaschenteiler hat die Etiketten auf den beiden Yamazakura-Samples nicht verwechselt. Könnte mir vorstellen, dass der Yamazaki ähnlich schmeckt, bevor er auf Trinkstärke herunterverdünnt wird. Vor dem Trinken unbedingt Wasser zugeben, das nimmt die Schärfe ein wenig raus. Sowohl Fassholz, als auch Sherry zeigen zwei Gesichter.

Nicht nur die Praktiken, auch die Preise schrecken mich ab. Der Yamazaki ist zwar solide, so gut aber auch wieder nicht, als dass ich das Preisschild ignorieren könnte. Der Hakushu immerhin war eine Wohltat im Vergleich mit den Pseudo-Japan-Whiskys. Aber die Lage könnte sich verbessern, denn die Japan Spirits & Liqueurs Producers Makers Association legte neue, ab 01.04.2021 verbindliche Regeln fest, die den Begriff „japanischer Whisky“ neu definieren. Demnach muss unter anderem der vollständige Herstellungsprozess, vom Maischen bis Brennen, von der Lagerung bis hin zur Abfüllung, in Japan erfolgen muss. Andernfalls darf bei der Vermarktung des Whiskys nicht deklariert oder auch nur angedeutet werden, dass er in Japan hergestellt worden wäre. Für bereits produzierte Whiskys gilt eine Übergangszeit bis zum 31.03.2024.

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Samples privat gekauft | Bilder mit freundlicher Genehmigung der Whiskybase