Ein Stand mit alten und raren Whiskyflaschen auf einer Whiskymesse

Old & Rare Flight 014 – Super Secret Soirée

Eine geheime Abendgesellschaft. Das hätte doch was. Man trifft sich an geheimem Ort, Türen öffnen sich nur mit entsprechenden Klopfzeichen und Codewörtern und es gibt nur die besten, exklusivsten und seltensten Genüsse. Ja nun, zumindest letzteres stimmte, als Christian mich zur Soirée begrüßte und damit meinte er unsere jährliche, gegenseitige Einladung zum Geburtstagstasting. Das ist allein deshalb ein Fest, weil wir uns immer das ganze Jahr anstrengen Dinge auszugraben, mit denen der andere nicht rechnet und die dennoch große Freude bereiten. Um noch eins drauf zu legen erfolgte das Tasting – für mich – blind. Whisky-Nerds in ihrem Element.

Glenfarclas 08-year-old All Malt

Gibt wenig Infos zu dieser Abfüllung. Ich weiß es ist ein “All Malt”, damit dürfte er zwischen 1960 und 1975 abgefüllt worden sein. Link zur Whiskybase gibt es damit auch nicht wirklich.

Nase: Honig süß, helle Früchte. Wie eine klassische Bourbon-Reifung. Der Geruch eines old-style Single Malt. Dazu Zimt, Bücherladen und Leder.

Mund: Relativ fragil, kein Wunder bei 40-43%. Aber dennoch ist er komplex. Mit Apfelputzen, Wachs, Vanille, Honig, Pfeffer und auch wieder dem Bücherladen.

Abgang: Milchschokolade, Rosinen, Honig, helle Früchte, Zitrusfrüchte. Genauer Orangennoten und Zitronenstäbchen.

Fazit: Da ich ihn blind probiert habe war ich auch blind. Ein Glenfarclas, wirklich? Muss der Urvater der heute berühmten 4th fill sein 90/100

Glenfarclas 15-year-old All Malt

Eine Flasche Glenfarclas 15-year-old All Malt

Nochmal ein All Malt, diesmal 15 Jahre. Er kam in einer Vierkantflasche und wurde für Sir Alfred J. Newton Bt. LTD. mit 80 Proof also 40% Alkohol abgefüllt. Über Fässer und Flaschenanzahl weiß man nichts, das war damals auch typisch. Link zur Whiskybase

Nase: Staubig, leicht rauchig, Erdbeermarmelade, etwas Tabak und Leder, Orangenschalen. Eine schöne Komposition. Erinnert mich an alte Bruichladdlich Abfüllungen aus den 1960ern.

Mund: Leicht rauchig, auch wieder Erdbeeren, Old Bookstore, Ingwer und weißer Pfeffer, Tabak, bitter-fruchtig, nasser Kaffeefilter mit -satz, Kakaonibs. Das war ungefähr der Zeitpunkt zu dem ich mir sicher war hier einen Laddie im Glas zu haben. Denkste.

Abgang: Tempranillo, Orangen, Leder, trocken, relativ bitter, etwas Salz. Wir bewegen uns vom Verdachtsprofil weg. Der Abgang könnte auch von einer sehr guten, eher würzigen als süßen, Weinbowle stammen.

Fazit: Schönes Bottling. Eines von denen, bei dem man geneigt ist zu sagen: So etwas gibt es heute nicht mehr. Zwar hat Glenfarclas sicherlich gute Standards im Programm, aber das gibt es auch dort heute nicht mehr. Würde mich auch nicht wundern, wenn hier deutlich ältere Fässer mit dabei waren. 89/100 (Christian 88/100)

Oban 1962 – Gordon & MacPhail

Eine Flasche Oban 1962 von Gordon & Macphail

Ein Oban. Ein unabhängiger Oban! Davon gibt es nur extrem wenige, heute schon gar nicht mehr. In vergangenen Zeiten hat es Gordon & MacPhail geschafft ein paar Fässer zu sichern. Davon haben sie unter anderem eine Auflage in ihrer Connoisseurs Choice Reihe mit dem braunen Label gemacht. Beides ist damit sehr speziell. Die Kombination umso mehr. Die Abfüllung ist 20 Jahre alt und kam mit 40% in die Flasche. Mehr ist nicht bekannt. Link zur Whiskybase

Nase: Eine sehr spezieller erster Eindruck. Walnüsse, Lacke und Orangen. Das ist unglaublich dicht und kompakt. Auch einige Zeit an der Luft lassen da keine Entfaltung zu.

Mund: Es geht ähnlich weiter. Verbrannte Kräuter, Leder, auch wieder Lack. Dazu auch Apfel und Gewürze. Etwas mehr Schichten aber immer noch extrem dicht gepackt.

Abgang: Wie bleiben im Malereibedarf. Die Lacke sind immer noch da. Dazu kommen jetzt Rosinen und Wachs. Auch Honig. Dabei wird er ziemlich trocken. Der Eindruck ist jetzt “geil alt”.

Fazit: Ich hatte keine Chance den Oban zu erraten. Da fehlt mir ganz sicher die Erfahrung und ich weiß auch nicht ob das hier typisch Oban ist. Typisch für ein Brown Label vielleicht dann schon eher. Diese gnaden- und kompromisslose Bereitschaft auch Kompositionen für Fortgeschrittene abzufüllen. Das ist typisch für diese Reihe. Ich bin beeindruckt, aber das trifft dennoch nicht genau mein Profil. 87/100 (Christian 88/100)

Clynelish 12-year-old for Ainsle & Heilbron

Eine Flasche Clynelish 12-year-old für Ainsle & Heilbrin

Diese Flasche ist quasi eine Legende. Der 12 Jahre alte Clynelish für Ainslie & Heilbron taucht immer wieder in Auktionen auf, bringt große Summen und ist wohl auch mit eine der bekannteren Flaschen für die meisten Enthusiasten. Es gibt diverse Batches. Hier haben wir die Variante mit 70 Proof aus der Mitte der 1960er. Wenn das so stimmt, dann handelt es sich um einen Whisky aus der Destillerie Brora, denn diese wurde erst 1967 so benannt. Vorher hieß sie Clynelish. Link zur Whiskybase

Nase: Eine Kugel mit Haushaltsgummis, Honig auch einem Kuchenboden verstrichen, ein Hauch Heidekraut, Puderzucker, Bienenwachs.

Mund: Wachs, Salz, Zitrone, Parafine und Melisse. Alles relativ kompakt und mit wenig Pomp. Aber in seiner Klarheit dann auch wieder schön.

Abgang: Eingelegter Ingwer, Pfeffer, Zitrus, trocken, Wachs, mundfüllend, Honig, viele, zeitweise zu viele Bitterstoffe.

Fazit: Könnte sein dass die Flasche zu lange offen war oder der Füllstand schlecht war. Zumindest hatte mein Kopf bei dieser Flasche etwas extrem episches erwartet. Fragt mich nicht warum. Es ist aber wirklich leckerer Clynelish. 87/100 (Christian 86/100)

Longmorn 1971 – Gordon & MacPhail

Eine Flasche Longmorn 1971 von Gordon & MacPhail

Wie kommt man an Longmorn mit deutlich über 30 Jahren auf dem Buckel ohne vierstellige Beträge hinzulegen? Man geht am besten zu Gordon & MacPhail. Denn die haben in ihren Licensed Bottlings auch Longmorn im Programm. Wie üblich wurde auch dieser aus 1971 mit 43% abgefüllt. Link zur Whiskybase

Nase: Cassis, Leder, Sherrynoten. Mit etwas Abstand und im zweiten Versuch sind da auch noch etwas Wachs, eine dezente Kräuternote und eine deutliche Süße. Diese wechselt zwischen Puderzucker und Honig.

Mund: Cassis, Kaffeemehl, Blaubeeren, Datteln, Leder, Tabak, Pfirsich in Rotwein, Eukalyptus. Da geht schon mehr als in der Nase. Allerdings fehlt ihm ein wenig Volumen, das Mundgefühl ist etwas dünn.

Abgang: Cassis, Weinbergpfirsich, Espresso, Tabak, Leder, Schokolade, trocken. Im zweiten Versuch dann auch noch etwas Zitrusabrieb dazwischen.

Fazit: Beim ersten Versuch war ich etwas enttäuscht. Lecker Sherry. Und sonst irgendwie nix. Aber das stimmt so nicht ganz. Der ist schon ziemlich komplex. Allerdings muss man das, wahrscheinlich der Trinkstärke geschuldet, etwas rauskitzeln und sehr geduldig sein. Dann ist er ziemlich gut. 89/100 (Christian 89/100)

Bunnahabhain 1968 Auld Aquaintance

Eine Flasche Bunnahabhain 1968 Auld Aquaintance

Grande Finale. Eines der berühmtesten Bunna Bottlings ever. Gebrannt an Silvester 1968, 34 Jahre in Sherry Fässern gelagert und dann 2002 mit 43,8% abgefüllt. Über die Anzahl der Flaschen habe ich nichts gefunden, es scheinen aber schon ein paar gewesen zu sein. Die Abfüllung ist auch heute noch gut erhältlich. Natürlich mit einem kleinen Aufpreis 😉 Link zur Whiskybase

Nase: Kirschcola und Vanillecola, halb und halb über Kaffeemehl. Dazu gibt es einen Pfirsicheistee. Das klingt vielleicht etwas komisch, ist aber eine wunderschöne und komplexe Aromenvielfalt.

Mund: Sofort packen Bitterstoffe den ganzen Mundraum. Kräuter oder besser gesagt Chartreuse Verte. Dazu trockene Sherrynoten. Tabak, Zigarre, Trockenpflaume. Ziemlich intensiv, aber gut.

Abgang: Der Kaffee bleibt. Die Trockenheit auch. Es kommt old style Wachs dazu. Dann nochmal etwas Vanille, bevor er im Reigen der Bitterstoffe für immer bleibt.

Fazit: Sehr lecker. Die Sterne, die andere hier sehen, kann ich nicht ganz nachvollziehen. Allerdings habe ich mich auch schon vor der Auflösung auf 90/100 (Christian 91/100) festgelegt. Vielleicht hätte ich etwas ehrfürchtiger bepunktet, wenn ich gewusst hätte was im Glas ist. Finde es aber fast besser so. Ich weiß der ist wirklich gut, muss mich aber nicht mehr fragen ob ich 3000€ dafür ausgeben sollte.

Es gibt schlechtere Abendgestaltungen

Und zwar ziemlich viele. Das war ein episches Lineup. Vielen Dank Christian!
Was die Whisky angeht fällt mir auf, dass ich erneut durchgehend unter dem Durchschnitt der Whiskybase bleibe. Werde ich langsam der Whiskygrantler? Oder ist es einfach normal, weil ich alle Drams blind im Glas hatte? Ich weiß es nicht. Man kann verschiedene Aspekte anführen, einer davon mag sein, dass wir nur Samples zur Verfügung haben. Aus einer frisch geöffneten Großflasche mag sich ein anderes Bild abzeichnen. Deswegen werde ich sicher auf einer Messe mal noch versuchen z.B. von dem Clynelish (oder einem vergleichbaren, denn da gibt es einige) einen Dram zu kriegen.

Kleine Ergänzung von Christian: Ich bin als Amateur bekennendes Opfer von Bottle Bias – dem Effekt, dass man eigene Flaschen oder Flaschen die man kennt höher bewertet als blind. Darüber kann man philosophieren, ich finde daran nichts schlimmes, da es ja immer um den eigenen Geschmack und Emotionen geht. Der Auld Aquaintance Bunnahabhain ist bei mir z.B. auch direkt aus dem Glas “nur” eine 91. Ich bin mir aber sicher wenn ich davon eine Flasche hätte wäre ich sehr happy und er wäre direkt bei +1 Punkt. Gleiches gilt wenn ich ihn vor Ort in Islay verkostet hätte, und und und. Insofern kann ich die 92-93 Punkte gut verstehen 🙂

Mehr zu: Bunnahabhain, Clynelish, Glenfarclas, Longmorn, Oban
Bilder: Freundliche Überlassung der Whiskybase
Samples: Privat gekauft