Alle Port Charlotte (Teil 12)
Es wird mal wieder Zeit der Sisyphusaufgabe einen Schritt näher zu kommen: Alle Port Charlotte zu probieren. Heute mal wieder in einer in unspezifischen Auswahl verschiedener Abfüllungen und Abfüller. Mit einer Gemeinsamkeit: Alle wurden in „verrückten“ Casks gelagert. Herzlich willkommen zu Christians alljährlichem Port Charlotte Tasting.
Kleiner Disclaimer: Beim Tasting wurden die Fässer erst im Nachgang preisgegeben. Meine Notes sind also ohne Wissen über das Fass entstanden. Ich hab allerdings immer wieder mal Interpretationen nacherfasst, wo ich das Fass zu finden glaube.
Port Charlotte 2002 – Helen Arthur
Der unabhängige Abfüller Helen Arthur war mir bis dato glaube ich nicht bekannt. Ich hab auch spontan wenig weitere Infos dazu gefunden. Dafür wissen wir was in der Flasche ist: PC, 11 Jahre alt, gereift in einem Demerara Rum Fass und als Finish in einem Bourbon Cask. Also quasi ein inverses Finish. Abgefüllt wurden die 220 Flaschen mit 50%. Link zur Whiskybase
Nase: Es geht gleich los mit dem Kuhstall. Direkt ins Gesicht. Dazu vergorene Früchte, Asche, Vanille und Melasse. Weder Whisky noch das Rumfass verstecken sich hier.
Mund: Etwas überraschen geht es weiter mit Kräutern und Leder. Dazu saure Früchte. Er ist im Taste nur noch zurückhaltend rauchig,
Abgang: Kokosshavings und süße exotische Früchte sagt das Rumfass, irgendwas mit Wurzeln der Port Charlotte. Fraglich ob die Zuordnung stimmt. Das ist auf jeden Fall der Eindruck der bleibt.
Fazit: Easy drinking Port Charlotte, wenn man das so sagen kann. Ein klassischer PC ist da für mich auf jeden Fall eher nicht erkennbar. Das könnte auch der Grund sein, warum man ihn in ein Bourbon Cask transferiert hat, weil das Rum Fass einfach anfing zu stark zu dominieren. 86/100
Port Charlotte 2001 – Friends of Malt
Bei der nächsten Flasche von einem unabhängigen Abfüller zu sprechen ist vielleicht ein wenig übertrieben. Die Friends of Malt sind ein eingetragener Verein und sie haben bisher zwei Clubabfüllungen raus gebracht, einer davon ein schottischer Single Malt. Dieser PC hat acht Jahre in einem frischen Rum Fass verbracht, bevor er mit 62,5% auf 214 Flaschen verteilt wurde. Link zur Whiskybase
Nase: Ordentlich Alkohol, kein Wunder bei über 62%. Dann Banane, diese wird zu Geleebanane ohne Schokolade. Dann wird es torfig.
Mund: Auch hier kein Wunder: Der Zwickt in der Zunge, ein paar Kräuter, Torf, in Richtung Kuhstall. Außerdem ist da Metall und Ingwerwürze
Abgang: Ausgelassener Speck, Banane, Torf, Erde, mineralisch metallisch, das bleibt auch recht lange. Es wird trocken.
Fazit: Findet nicht wirklich eine Balance. Ist mitunter ein Gewaltritt aber auf sehr hohem Niveau. 85/100 Mit Wasser wird er etwas gefälliger, das Rum Fass hat weniger Einfluss. Metall bleibt und stört für mich leider.
Port Charlotte 2001 – Wm.de
Whiskymania.de war mal ein deutscher Abfüller, mittlerweile ist dieser nicht mehr aktiv. Auch hier würde ich wahrscheinlich eher von einer Interessengemeinschaft sprechen. Das Interesse lag dabei im Wesentlichen auf Port Charlotte. In diesem konkreten Fall gereift in einem Fresh Madeira Butt und nach 10 Jahren mit 64,6% (!) abgefüllt. Link zur Whiskybase
Nase: Ein schöner fetter Kirschplunder. Triefend von Zuckerguss. Dazu Asche, Zigarren, Rauch, Torf und Kuhstall. Da geht was!
Mund: Würzig mit Ingwer und auch fruchtig vielen verschiedenen roten Beeren. Genauso wie in der Nase dann auch wieder Torf, Kuhstall und Rauch
Abgang: Nach dem Schlucken erhält die torfige Seite das Übergewicht. Immer und immer mehr Rauch kommt auf. Und dann noch mehr. Zwischendrin sind aber weiterhin ein paar rote Beeren erkennbar.
Fazit: Fantastische Melange aus Madeira und brutalem Port Charlotte. Das ganze in voller Ausgewogenheit. So funktioniert das für mich. Gefällt mir! 90/100
Port Charlotte 2004 – Sansibar
Ab in den Norden Deutschlands zum Abfüller Sansibar, der natürlich eine Verbindung zur berühmten Bar aus Sylt hat. Der PC hat dagegen eher eine Verbindung nach Frankreich, nämlich zum Weingut d’Yquem. In deren Süßweinfass wurde er gelagert. 305 Flaschen mit 53,7% kamen nach grob 14 Jahren dabei raus. Link zur Whiskybase
Nase: Gummiabrieb, leichter süßlicher Rauch, verhaltener Torf. Port Charlotte mit Handbremse. Dazu kommt dann Käse und auch eine gewisse Mineralität. Mit Wasser und nach einiger Zeit im Glas kommt dann deutlich Kuhstallfeeling auf.
Mund: Erstaunlich trocken schon im Mund. Da vermutet man sofort ein Weinfass. Dann kommt Quitte, etwas Holz und auch Baumsaft. Birne als zweite Frucht. Er packt auf jeden Fall ordentlich an. Das ist aber weniger Torf oder Rauch, sonder er ist ziemlich alkoholisch.
Abgang: Gärende, matschige Birnen. Dazu buttrige Kräuter. Es ist nur noch leichter Rauch vorhanden. Die Länge ist ok, aber auch nicht wirklich wichtig, da der Abgang kein Highlight ist.
Fazit: Alkohol ist nur mittelgut eingebunden. Das ist beim Taste dann schon anstrengend. Ein tolles Süßweinfass ergibt sich im Gesamtbild irgendwie auch nicht. Ist okayish, aber für mich keiner für einen zweiten Dram. 84/100
Port Charlotte Cask Exploration 1
Noch eine Chateau d’Yquem Reifung. Diesmal 12 Jahre alt und als Abfüllung von Bruichladdlich direkt. Der erste aus der Serie „Cask Exploration“. 2014 verfügbar als Valinch zum Selbstabfüllen vor Ort. Insgesamt gibt es 375 0,5l Flaschen mit 53,2% Link zur Whiskybase
Nase: Erst süß, dann mit ranziger Butter und Gummi. Echtes Port Charlotte Feeling. Dann Rotweinbirne, etwas Bleistift, mit Wasser auch rote Beeren.
Mund: Medizinisch kräutrig. Zitat aus der Runde: „wenn die Zunge mal taub ist, dann ist er sehr gut“. Insgesamt ist er sehr süß, zwischenzeitlich aber auch schön fruchtig und auch der Rauch ist wunderbar integriert.
Abgang: In der Transition etwas Brot, dann vergorene Früchte. Es wird extrem trocken. Wenige, kräutrige Bitterstoffe. Rauch und Torf klingen aus.
Fazit: Sehr schön. Wein und Whisky geben sich die Klinke in die Hand. Was mich ein wenig irritiert: Ich dachte immer d’Yquem würde ausschließlich Sauterne anbieten, also Süßwein aus weißen Trauben. Das hier fühlt sich aber eher nach Rotwein an. 88/100
Port Charlotte 2003 Valinch
Mehr Valinch, mehr Sauterne Cask. Diesmal wieder 14 Jahre alt und ein ganz normales Valinch Bottling. Exploration quasi abgeschlossen. Diesmal gibt es 423 Flaschen (wieder 0,5l) mit 55,8% Link zur Whiskybase
Nase: Trockener Rauch, Kuhstall, leichte Specknoten, helle Früchte, milde Kräuter. Das ist eine gefällige Kombination, die beide Welten gut verbindet.
Mund: Leicht betäubend, dann schön fruchtig und gleichzeitig rauchig. Fast schon tropisch fruchtig. Und auch süß, ganz knapp vor „zu süß“.
Abgang: Trocken und salzig. Sofort stellt sich großer Durst ein. Dann kommen buttrige Früchte und schöne Bitterstoffe. Ein Hauch von brennendem Gummi rundet alles ab.
Fazit: Wunderschön rund und ausdrucksstark. So geht das mit Sauterne und Port Charlotte für mich klar! Warum nicht gleich so? 😉 90/100
Port Charlotte 2004 – Whiskyladen Radebeul
Spätestens hier fällt mir auf, dass wir heute viel bei deutschen Abfüllern unterwegs sind. Mit unter 50 Abfüllungen in knapp 10 Jahren wieder ein Microbottler, wie man vielleicht sagen könnte. Dieser PC hat nach etwa8 Jahren im Fass noch ein Pinot Noir Octave Cask Finish erhalten. 100 0,5l Flaschen mit 63,8% waren es dann noch. Link zur Whiskybase
Nase: Erstmal etwas Holz, dann Brombeeren, trockener Rauch, zwickt ein wenig, Zimt, Haselnusscreme auf Brot. Wobei Brot zu Creme eher 1:2.
Mund: Süßlich, und rauchig. Mit vielen roten Beeren. Dazu kommen schon einige Bitterstoffe: Kaffee oder eher Espresso und auch dunklere Schokolade,
Abgang: Weiter viele Beeren, jetzt als Likör. Die Bitterstoffe kommen auch daher. Vor allem Beerenkerne. Dabei auch süß.
Fazit: Ziemlich lecker. Ich hab das Gefühl das Pinot Noir Octave hält ihn im Zaum und das ist gut so. Für den Alkoholgehalt ist er erstaunlich gut auch ohne Wasser trinkbar. Alkohol gut eingebunden, wie man so schön sagt. 88/100
Port Charlotte Müdigkeit?
In diesem Flight dürften drei in den Top 10 der am besten bewerteten Port Charlotte laut Whiskybase sein. Und der Rest liegt auch weit vorne. Ich liege mit meinen Bewertungen teilweise deutlich darunter. Was ist da los? Keinen Bock auch Port Charlotte mehr?
Erstmal: Vielen Dank lieber Christian, ich bin stets aufs Neue beeindruckt was du da auffährst. Auch das selbst auferlegt Motto „Weird Casks“ hast du perfekt getroffen. Einfach fantastisch.
Zu meiner Frage zurückkommend: Ich glaube zuallerletzt Liegt es an einer PC Müdigkeit meinerseits. Ich mag das Zeug immer noch sehr! Außerdem muss man schon sagen, das sind jetzt durchgehend keine schlechten Bewertungen. Ich glaube darin liegt aber vielleicht auch der Knackpunkt. Viele der Abfüllungen in diesem Flight haben eine starke emotionale Komponente. Ich war aber weder auf dem Whiskyfestival in Radebeul, noch bin ich Teil der 30 Personen die den Friends of Malt Port Charlotte abgefüllt haben. Deswegen glaub ich die Bewertungen fallen mit etwas Abstand dann auch etwas niedriger aus.
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Bilder: Freundliche Überlassung von Christian
Samples: Eigene Flaschen von Christian
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