Glenfarclas: Zwischen Jubiläum, Familie und Unabhängigkeit
Die Titel meiner Posts und die Themen entstehen ja mehr oder minder zufällig, abhängig davon was ich gerade im Zugriff habe und worauf ich Lust habe. Auf Glenfarclas Lust zu haben ist nicht schwer, die gefallen mir oft sehr gut. Und einen schönen Mix aus Family Casks und anderen Abfüllungen weiß ich auch zu schätzen. Also dann, auf in eine weitere Runde beim Familienbetrieb!
Glenfarclas 185th Anniversary
Und gleich passend dazu gibt es das Bottling anlässlich des 185ten Jubiläums des Familienbetriebs. Was für eine Leistung, muss man da erstmal sagen! In der Flasche sind Fässer aus sechs Jahrzehnten, unter anderem auch Sherry. Abgefüllt wurden insgesamt 6000 Flaschen mit 46% Trinkstärke. Link zur Whiskybase
Nase: Rote und schwarze Beeren, dazu helle Schokolade. Auch etwas Gewürze, z.B. Wacholder und Vanille Außerdem Trockenfrüchte, vor allem Rosinen.
Mund: Direkt im Mund ist er süß, das wird dann aber gut von Ingwer und Pfeffer gekontert. Und auch wenn die Rosinen immer noch da sind, jetzt kommen eher helle Früchte dazu.
Abgang: Das Finale ist ziemlich schokoladig. Aber keine klassischen Tafeln, sondern welche mit getrockneten Beeren drin. Außerdem Ritter Sport Jamaica Rum Knusperstücke.
Fazit: Ein klasse Whisky mit viel Tiefe und auch ein kleiner Showcase wie ein Glenfarclas so sein kann. Ich hätte mich über Fassstärke gefreut, um selbst experimentieren zu können, kann die Entscheidung aber aus Sicht der Destillerie verstehen. 89/100 Von Christian gibt es sogar: 90-91.
Glenfarclas 1994 Family Cask S20
Ein 4th Fill Sherry Butt Family Cask aus dem Outturn Sommer 2020. Das Einzelfass wurde mit 50,5% in 562 Flaschen abgefüllt. Insgesamt durfte es 25 Jahre lang reifen. Link zur Whiskybase
Nase: Beisst einen kleinen Moment. Das geht schnell weg. Dann kommt Möbelpolitur, Weintrauben und auch etwas Muff. Erst mit der Zeit werden die Früchte präsent und intensiv.
Mund: Auch hier wieder ein Wechsel von dunklen zu hellen Früchten. Süße vom Malz und etwas Eiche gehen dazwuschen. Dann wird es würzig mit vieeeeelen Kräutern. Gleichzeitig kommt eine mineralische und kalkige Note.
Abgang: Mit dem Kalk wurde er dann auch vollkommen trocken gelegt. Da ist quasi kein Speichel mehr im Mund. Trocken ohne Ende. Tatsächlich gibt es in der Base Reviews die das Gegenteil sagen. Scheint sehr subjektiv. Unabhängig davon bleibt er mineralisch. Bitterstoffe können kaum durchdringen, es kommt nur noch etwas Sherry dazu.
Fazit: Ein faszinierender Glenfarclas, den man wahrscheinlich zu Tode analysieren könnte. Das ist wirklich eine mächtige Abfüllung. Gerne mehr davon. 91/100 Christian ist hier etwas zögerlicher: 89-90. Schön zu sehen, dass hier die Geschmäcker leicht unterschiedlich sind, das Niveau aber von beiden anerkannt wird.
Glenfarclas 2000
Dieses Bottling hat mich in Form eines Überraschungsblindsample erreicht. Nun ganz blind stimmt nicht, es war ein kleines Ferkel auf dem Fläschchen, das macht es dann schnell eindeutig. Die Abfüllung stammt aus der Serie „Premium Vintage Edition“ ist 12-13 Jahre als und wurde mit 46% abgefüllt. 9000 Flaschen wurden 2013 davon in den Markt gebracht. Link zur Whiskybase
Nase: Vanilla Coke mit reduzierter Vanille. Zwischendurch sticht er etwas in der Nase, dann kommen Kräuter hinterher. Ich hab auch getrocknete Orangen.
Mund: Ein mit Grappa getränkter, trockener Kuchen zu einem sehr hellen Kaffee. Die Vanille kommt später auch wieder dazu.
Abgang: Betäubend und wärmend. Leicht trocken und fruchtig. Helle Früchte, Birne, Wachs, auch ein wenig Kaffee.
Fazit: Sehr interessant. Ich hätte niemals einen Glenfarclas erraten und ggf. zweitweise nichtmal das es ein Whisky ist. Aber schlecht geschmeckt hat er deshalb nicht. Im Abgang hätte ich wahrscheinlich Fassstärke vermutet. 85/100 Danke an Rhisky für das Blindsample.
Glenfarclas 2001 – Cadenhead
Man munkelt Cadenhead hat ein gewisses Kontingent von Glenfarclas wieviele ihrer Glenfarclas Releases pro Jahr den Brennereinamen tragen dürfen. Der Rest muss „secret“ bleiben. Dann müssen diejenigen, bei denen der Name verraten wird, ja die besseren sein, oder? Oder spielt man das dann genau umgekehrt? Bleibt wohl nicht außer probieren, um das rauszufinden. Hier ein 2001, abgefüllt mit 19 Jahren in der Wood Range im Rahmen der Authentic Collection Sommer 2021. Abgefüllt wurde aus einer Sherry Hogshead Teilreifung (2 Jahre) in 330 Flaschen mit 52,6%. Link zur Whiskybase
Nase: Erst etwas Farbverdünner. Legt sich der Dunst kommt da dunkles Holz, Kirschen, dunkle Schokolade, Marzipan, Zeder, Beeren, Minze, Orangenschale und Früchtetee. Das ist schon einiges los.
Mund: Im Geschmack ist er dann etwas kompakter. Er ist sehr Süß, mit viel kandiertem Weihnachtskram, aber auch frische rote und dunkle Früchte sind mit dabei.
Abgang: Schöne Säure kontert die Süße, Marzipan, dunkle Schokolade, etwas Ingwer und frische Äpfel, heller Tabak. Irgendwie hätte die Abfüllung besser in den Herbst/Winter gepasst, hab ich so das Gefühl.
Fazit: Bei einer Teilreifung von zwei Jahren können wahrscheinlich viele Dinge passieren. Ich hatte etwas Sorge, dass sowas wie Leder und Tabak zu dominant sind. Das mag ich eher selten. Aber das ist hier nicht der Fall. Mehr als solides Bottling, das sich durchaus als winterliche Nachspeise geeignet hätte. 89/100
Glenfarclas 1973 – Cadenhead
Noch ein Cadenhead Bottling mit Name. Mal sehen ob das auch soviel kann. Die Erwartungen sind genauso groß wie die Befürchtungen. 41 Jahre im Fass und abgefüllt mit 40,7%. D.h. der musste ganz dringend aus dem Bourbon Hogshead, bevor er unter die 40% fällt. 186 Flaschen kamen noch raus. Link zur Whiskybase
Nase: Vanillzucker, leicht vergorene helle Früchte, getrocknete Kräuter und ein Potpourri. Dazu, erwartbar bei diesem Alter, alte Bücherregale in einem Antiquariat.
Mund: Damit geht es dann auch weiter, allerdings wieder etwas frischer. Holz und Sägespäne und daure Früchte. Dann wird es sehr trocken. Buttriges Gebäck wird gereicht. Mit Limette und Quark. Es gibt auch Milchkaffee. Nach einiger Zeit kommt die florale Note wieder raus. Blüten, Lavendel, Honig.
Abgang: Saures Holz (gibt es sowas?). Dann wird es, entschuldigt meine Sprachwahl, furztrocken. Mit ganz trockener, dunkler Schokolade. Wenn sie so leicht grau/weiß ist und einem schon aus der Packung entgegen bröselt. Irgendwie schmuggeln sich noch Trauben dazwischen.
Fazit: Verrückt sowas trinken zu können. Es ist aber schon einer für „es mal erleben“. Eine ganze Flasche davon… puh, na gut ich nehme eine. 😉 90/100
Tomfarclas 2003 – Anam na h-Alba
Zum Schluß noch ein undisclosed Glenfarclas. Tom von Anam na h-Alba greift gerne zu diesem Kunstgriff, wenn er den Namen nicht nennen darf. In der Flasche ist ein 15 Jahre alter Single Malt aus einem 1st Fill Sherry Cask. 317 Flaschen mit 57,9% wurden abgefüllt. Link zur Whiskybase
Nase: Ah. Fresh Sherry. Boullion mit gekochtem Rindfleisch. Superwürzig. Mit Lorbeer, Wacholder und allem was man da so erwaret. Ziemlich viel Lack und Farben. In einer milden Variante, falls es sowas gibt. Dann schüttet man einiges an Früchten in die Brühe. Wenn das schön verkocht ist kümmern wir uns um die Nachspeise. Zimtrollen und Nussplunder.
Mund: Deutlich weniger aufdringlich und runder als die Nase. Der Whisky darf langsam auch mitspielen. Weiterhin ist da viel Salz und etwas Würze. Die Früchte gehen eher in Richtung Orange. Beim zweiten Schluck gibts etwas Pfeffer und Pflaumen. Spannendes Wechselspiel.
Abgang: Zum Abschluss wird er eher eindimensional mit viel Leder und etwas Tabak. Die Früchte sind nur noch angedeutet und jetzt eher rot. Kirsche?
Fazit: Der ist ziemlich gut, man muss sich allerdings klar machen was das Fass bedeutet. Bzw. der Whisky macht das dann schon, man sollte nur nicht überrascht sein. Der Abgang überzeugt mich nicht mehr ganz, aber insgesamt ist der toll. 89/100
Fette Beute
Es ist eine wahre Pracht. Sogar das Anniversary Bottling hat geliefert. Bei dem war man vorab ziemlich skeptisch. Und 2/2 Genfarclas von Cadenhead mit Destilleriename drauf waren sehr gut. 100%. Das ist ein eindeutiger Beweis, oder? Na gut, im besten fall ein winziges, anekdotisches Indiz.
Ich bin wirklich hin und hergerissen, was mein liebstes Bottling diese Woche war. Ich meine ein 40+ Jahre altes Bottling in der Qualität? Ein großartiges und gleichzeitig ungewöhnliches Family Cask. Colaschwarze Sherrysuppe. Da war alles am Start. Schöner Flight!
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Bilder: Titel: Eigene Anfertigung | Flaschen: Freundliche Überlassung der Whiskybase
Samples: Privat gekauft
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