Old & Rare Flight 012 – Mortlach!
Mal stelle sich vor: Die Chance auf ein ultimatives Mortlach Tasting in meiner Nähe. Wie könnte ich da nein sagen? Nun… in Zeiten der Pandemie vielleicht doch. Glücklicherweise hat Dirk vom Whiskystammtisch Nürnberg es uns ermöglicht Samples vom Tasting zu kaufen. Ganz fantastisch!
Technisch gesehen passen drei der Whisky vielleicht nicht in mein Old & Rare Profil. Allerdings mit einem 1936er im Lineup und der Tatsache, dass Mortlach wohl mittlerweile generell als rar bezeichnet werden kann, da lag es mir nahe diesem Tasting einen „Old & Rare“ Beitrag zu widmen. Vergangene Woche haben wir uns dann im Urlaub die Zeit genommen und die Gläser gefüllt.
Mortlach 1970 – Gordon & MacPhail
Bei der Reihenfolge gehen wir so vor, wie ich es mWn der Stammtisch auch gemacht hat. D.h. wir starten mit einem Rare Old Highland Bottling von Gordon & MacPhail. Ich bin mir nicht ganz sicher ob diese auch zu den Licensed Bottlings zählen. Auf jeden Fall war dieses in Sherry Casks und wurde nach 32 Jahren mit 40% abgefüllt. Link zur Whiskybase
Nase: Da sind Süßkirschen, dunkle Schokolade und Kräuter. Dazu Leder und auch ein paar Datteln. Nach langer Zeit im Glas kommt Erde dazu. Eine ausdrucksstarke Sherrynase. Das fängt gut an.
Mund: Beim ersten Nippen wird es kurz salzig. Dann kommt saure Frucht. Alter Buchladen. Vom Mundgefühl eher dünn. Später dann noch Tabak und dunkles Steinobst
Abgang: Auch wieder Tabak, Kaffee, etwas Würziges und leicht Scharfes. Tonkabohnen. In der Länge ist er trocken und vor allem bitter.
Fazit: An sich solide gealtert, insgesamt aber relativ dünn. Auf der herben Seite von Sherryreifungen. Für das Alter eher enttäuschend. 86/100 Nach einiger Zeit ist er deutlich intensiver, teilweise aber sogar anstrengend. Ich kann aber verstehen wenn jemand davon Fan wird. Christian 85/100
Mortlach 1954 – Gordon & MacPhail
Gleich ein weiterer Rare Old Highland Malt hinterher. Diesmal noch etwas älter. 44 Jahre in Fässern und 1998 dann mit 40% abgefüllt. Link zur Whiskybase
Nase: Säuerlich und herb. Mit Maggiekraut und einer fleischigen Note. Eingekochte Kirschcola. Kräuterlikör und Leder. Das ist genau die Balance aus Mortlach und Sherryreifung. Oder vielleicht eher die Summe daraus.
Mund: Fleisch in Sojasauce mariniert. Scharfe Gewürze verleihen ihm Druck, während er sich gleichzeitig relativ dünnflüssig anfühlt. Das ist schon spannend. Häufig sind trinkstarke Abfüllungen nicht besonders ausdrucksstark. Das hier ist das Gegenteil.
Abgang: Wunderschön trocken, wie ein richtig guter Rotwein. Dunkle Früchte, Zuckerrübensaft, Pflaumenmus und Leder. Bleibt gefühlt ewig.
Fazit: Sehr lecker. Der Mortlach kommt gut durch. So lass ich mir das gefallen. Erstaunlich wenig Eichenwürze für das Alter. 90/100 Christian überlegt noch immer 89,5 … oder doch 90?
Mortlach 1936 – Gordon & MacPhail
Und noch ein Rare Old Highland Malt. Auch wenn es kaum möglich scheint: Es geht noch weiter zurück in der Zeit. 1936 gebrannt und wahrscheinlich in den 1980ern mit 40% abgefüllt. Link zur Whiskybase
Nase: Dunkler Zucker, trocknende Kräuter, deutlicher aber dennoch zurückhaltender Sherryeinfluss. Getrocknete Tomaten, Kirschen, dunkle Früchte, Sojasauce, Leder, Kaffeemehl, Orangenmarmelade, Öllampen, rohes Filetsteak direkt aus dem Kühlschrank. Das ist eine wirklich tolle und extrem komplette Nase.
Mund: Maggikraut, Kaffee, Brombeeren, Kirschen, Tabak, Leder, Erde und das ganze zu einem Sirup verarbeitet. Klingt ein wenig verrückt. ist aber ziemlich geil muss ich sagen.
Abgang: Dunkle Schokolade, dunkle Früchte, Leder, auch wieder Erde und fleischige Noten. Erstmal relativ bitter, das bleibt auch, wird aber nochmal um Trockenfrüchte ergänzt.
Fazit: Beindruckend und Ehrfurcht einflössend. Die Nase ist nicht von dieser Welt. Der Abgang ist das schwächste Glied auf extrem hohem Niveau. 92/100 Christian sieht das auch so.
Mortlach 2008 – Malts of Scotland
Zurück in die Realität. Eine Abfüllung gebrannt in 2008, das sind mal locker 70 Jahre später. So richtig „Standard“ ist das aber auch nicht. Es handelt sich um ein Warehouseshop Bottling von Malts of Scotland. Dieses hier ist konkret 11 Jahre alt und aus dem Sherry Hogshead. Abgefüllt wurde mit 55,6% in 129 Flaschen. Link zur Whiskybase
Nase: Ein süßer Kaugummi, so wie ihn fast nur Kinder mögen. Dann Rosenlikör, und damit riecht er sogar noch süßer. Etwas frischer wird es mit ein paar Aprikosen.
Mund: Die Süße ist, wie zu erwarten, auch im Mund präsent. Dazu etwas Apfel, ein paar Kräuter und Ingwer. Und auch immer wieder der Kaugummi.
Abgang: Fast schon erstaunlich geht es jetzt stärker Richtung Mortlach. Die Kräuter werden konkret zu Maggiekraut. Trotzdem bleibt er extrem süß. Gelbe Früchte geben etwas Säure dazu. Die Lippen werden langsam Taub vom Alkohol.
Fazit: Stellenweise deutlich zu süß. Er kann aber ein schöne Kontrapunkte setzen und macht deshalb auch Spaß. Ich weiß aber nicht ob ich wirklich ein zweites Glas davon wollen würde. Beide geben wir 86/100.
Mortlach 1994 – Gordon & MacPhail
Es geht direkt wieder zurück zum Abfüller Gordon & MacPhail. Diesmal aber aus einer ganz anderen Dekade und Abfüllreihe. In der mittlerweile eingestellten „Cask Strength“ Serie kam dieser 1994er raus. Abgefüllt 2017 mit 22 Jahren aus einem 1st Fill Sherry Butt für den deutschen Markt. Wieviele Flaschen es vom 54,2%er gab ist nicht bekannt. Link zur Whiskybase
Nase: Schön fleischig und kräutrig. Mortlach wie ich ihn als typisch bezeichnen würde. Dazu etwas Trockenfrüchte, Tabak und Leder vom Sherry.
Mund: Robuste Säure gefolgt von einer Ingwer-/Pfefferschärfe. Dann kommt ein Schwung Früchte aus dem Obstgarten, nur um dann von Kochschinken und Sojasauce wieder verdrängt zu werden.
Abgang: Boullion, die etwas zu scharf geraten ist. Dazu ein Glas Likörwein. Tafelspitz wird serviert und mit Salz bestreut.
Fazit: Tolles Bottling. So wünscht man sich das. War seinerzeit wahrscheinlich nicht mal teuer. Schwimmt übrigens ziemlich gut. Dann wird’s deutlich süßer. 89/100 Christian gibt 88/100.
Mortlach 1987 – Adelphi
Ein Bottling von Adelphi gibt es als Abschluss. Aus einem Refill Sherry Cask ging es nach 26 Jahren mit 57,5% in 192 Flaschen. Und das war bereits 2014. Link zur Whiskybase
Nase: Sehr verschlossen. Durch das Wissen einen Mortlach im Glas zu haben komme ich langsam an die Aromen. Leicht geräucherter Schinken, Berberitzen, trockene Erde, Kartoffeln aus dem Feuer. Brotnoten.
Mund: Fängt wieder verschossen an, da kommt dann aber irgendwann eine megageile Fruchtigkeit. Mandarine, Grapefruit und vielleicht noch ein leichter tropischer Einschlag. Dazu wieder das gekochte Fleisch und eine Spur Rauch.
Abgang: Trocken, tropisch fruchtig mit den typischen Fleischaromen dazwischen. Das macht mir viel Spaß. Dazwischen sind dann noch ein paar würzige, leicht scharfe Noten. Auch das passt gut.
Fazit: Würde ich öfter trinken wollen. Megalecker. Die Kombination aus den (tropischen) Früchten und dem Mortlach-Fleisch flasht mich total. 90/100 Christian 89/100
Learning Zone
Zwischen Komfortzone und Gefahrenzone liegt die Möglichkeit zu lernen. Diese haben wir mal wieder genutzt. Mortlach war früher schon auf unserem Schirm, hat aber über die letzten Jahre nicht mehr unser Interesse geweckt. Vielleicht auch wegen der Premium-Strategie von Eigentümerin Diageo. In diesem Flight hat sich das sicher wieder ein wenig geändert. Stellt sich natürlich die Frage, wie man das finanzieren soll. Selbst neuere Abfüllungen sind mittlerweile grantig teuer.
Eine weitere Erfahrung war es ein Pre-WWII-Bottling im Glas gehabt zu haben. Das flößt schon Respekt ein. Allerdings habe ich daraus nichts speziell gelernt. Es war aber schonfit Abstand der beste Dram im Flight.
Vielen Dank nochmal Dirk!
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Bilder: Titelbild: Screenshot aus https://youtu.be/nAD_35kUKfE | Flaschen: Freundliche Überlassung der Whiskybase
Samples: Tastingset beim Stammtisch gekauft
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