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Der Whisky-Baron aus Franken: Interview mit Michael Redel

Über das vergangene Jahr reifte in mir die Idee, ich könnte hier Menschen aus meiner Whiskyblase interviewen. Schnell wusste ich mit wem ich anfangen wollte: Der Michael. Quasi MEIN Local Dealer (Homepage). Auch wenn ich nicht nur beim ihm kaufe, so gehe ich doch immer sehr gerne zu ihm. Ein netter Plausch und toller Austausch sind garantiert und es gibt auch immer was zu entdecken.
Nachdem ich wusste, wer mein erstes „Opfer“ sein soll, da brauchte ich noch ein Setting. Nach ein wenig Grübelei beschloss ich: Wir schenken uns gegenseitig jeweils einen Dram ein, plaudern ein wenig und ich schreibe das Ganze auf. Am Ende darf Michael den nächsten Interviewpartner vorschlagen. Klang gut für mich und auch für ihn. Also: Hier ist der Whisky Baron aus Nürnberg!

Tobias: Lieber Michael, vielen Dank, dass du den Spaß mitmachst und mein erster Interviewpartner für keinehalbendrinks.de bist. Stell dich doch bitte mal kurz mit eigenen Worten vor.

Zur Person

Michael: Ich bin der Michael, bin Ü50 mittlerweile und zweifacher Familienvater. In meinem ersten Leben arbeite ich im sozialen Beruf. Ich bin seit ungefähr 23 Jahren in der Whiskymaterie. Und geschäftlich mach ich es jetzt wirklich, tatsächlich 13 Jahre. Ich kann’s gar nicht glauben. Im April diesen Jahres waren es 13 Jahre, dass ich den Whiskybaron mehr oder weniger gegründet hab.

Campbeltown Batch 2 – That Boutique-y Whisky Company

Tobias: Ich find es total doof hier trocken zu sitzen. Wie geht’s dir damit? Wollen wir uns was einschenken?

Michael: Das ist doch eine gute Idee!

Tobias: Was hab ich im Glas?

Michael: Das ist aktuell sogar die aktuelle Top-Empfehlung von meiner Homepage. Und zwar ist das ein Blended Malt von That Boutique-y und zwar ein Campbeltown. Man weiß nicht genau was, aber wer sich in Campbeltown auskennt kann es sich ungefähr zusammenreimen (Anm. Tobias: Man unkt das ist ein teaspooned Glen Scotia). Ist ein wunderschöner Süffelstoff und ist preislich auch ganz attraktiv. Link zur Whiskybase

Tobias: Ich mag die Labels ja total gerne, immer viel zu entdecken. Aber die 0,5l Flasche…

Michael: …die turnt ein wenig ab, oder? Du wirst lachen, ich hab mittlerweile ein paar Kunden, die sehen das klar als Vorteil. Da muss man keine so große Flasche austrinken und kann zur nächsten übergehen. Ich hab aber selber auch lang gebraucht.

Beide: Slainté – Ein paar Eindrücke von uns gemeinsam:

Nase: Fruchtig, Äpfel, Beeren und auch eine schöne Süße. Er springt uns nicht an, aber da ist schon was los im Glas.

Mund: Wärmt schön. Wunderbar intensiv und dabei gut balanciert. Die Früchte dominieren, aber ein paar würzige Noten tauchen jetzt auf.

Abgang: Kuchen und Kekse, mit einigem an Würze. Bleibt auch lange genug, dass man es eine Zeit lang bis zum nächsten Schluck aushält.

Fazit: Kann man sehr gut trinken. Für einen Springbank fehlt vielleicht die Mineralität oder dergleichen. Aber der Campbeltown-Funk ist da. Tobias: 86/100

Die Beziehung zum Wasser des Lebens

Tobias: Während wir hier so gemütlich vor uns hinsüffeln: Was hat dich denn ursprünglich zum Whisky gebracht? Wann war das ungefähr?

Michael: In Nürnberg führt oftmals die Spur zum ältesten Whiskyclub Deutschlands. Das ist tatsächlich der Highland Circle. Ich hab da zwei Bekannte und der Eine, den kenn ich eigentlich schon aus Schulzeiten. Und der hat es hald immer wieder probiert. Der hat mir immer wieder irgendwelche Sachen probieren lassen. Er hat sich damals schon intensiv eingearbeitet. Die Flaschen haben immer horrendes Geld gekostet, schon zu D-Mark-Zeiten. Und ich hab immer gesagt: Ne, ich bleib einfach bei meinem fränkischen Bier, es bringt einfach nichts. Irgendwann, es ist total abstrus, da hat er mir einen Kanadier probieren lassen. Ein sogenannter Pike Creek. Den fand ich damals extrem abgefahren gut. Den hat es aber auf dem deutschen Markt gar nicht gegeben. Er hat mich also völlig umsonst angefixt. Dann haben mir Kunden nach und nach auch mal Whiskyflaschen geschenkt. Glenfiddich 12, dann ein Highland Park. So nach und nach kam ich dann mit denen auch irgendwie klar. Dann kam die goldene Zeit in den 90ern als Bruichladdich dazu kam. Das waren schon geile Abfüllungen. Allein schon die Standards. Viel später kam dann für mich noch Campbeltown dazu. Wie so eine Art Flächenbrand. Ich hab mich dann so tief eingearbeitet, das mir schnell klar, da könntest du auch ein Geschäft draus machen.

Tobias: Wie würdest du dich heute als Whiskyenthusiast einordnen, mal ganz unabhängig von deinem Laden? Sammler, Nerd, …?

Michael: Bei mir verkehren ja die größten Nerds und Verrückten die man sich überhaupt vorstellen kann. Wenn ich das so vergleiche mit mir, dann stell ich fest, die größte Welle, die Sturm-und-Drang-Zeit, die hab ich jetzt hinter mit gelassen. Ich muss nicht mehr alles probieren was auf den Markt kommt. Ich muss nicht überall hinterher sein. Aber ich denk schon immer noch zweigleisig. Wenn dann was aus meiner Lieblingsbrennerei Springbank kommt, oder Glen Scotia, dann kann es schonmal sein, dass ich mich zu einer Verrücktheit hinreißen lasse. Aber eigentlich kann man sagen, dass ich als Privatperson schon so einiges in Petto hab. Mich kann es eine Zeit lang einschneien.

Tobias: Gibt es für dich persönlich nur schottischen Whisky oder bist du auch in anderen Ländern unterwegs?

Michael: 95, vielleicht sogar 98% bin ich bei den Schotten. Ich bin aber grundsätzlich schon offen. Irland kommt als Nächstes. Manche Deutschen sind mittlerweile auch schon ganz gut. Ich hatte letztens einen Mackmyra im Glas – die anderen Länder holen auf, definitiv. Ich kann mir jetzt aktuell aber nicht vorstellen – da müssten wir vielleicht das Interview in 5 Jahren nochmal führen – dass sich da prozentual viel verändert.

Tobias: Folgendes Szenario: Die Hütte brennt. Du kannst nur noch mit jeder Hand eine Flasche greifen und dann musst du raus. Eine aus dem Regal mit den Standards, eine aus deiner Sammlung. Welche zwei nimmst du mit?

Michael: Das ist eine fiese Frage. Es wird wahrscheinlich ein Springbank Standard sein. Der 10er… aber auch nicht immer. Fiese Frage. Der Springbank 100 Proof… wenn ich noch einen hätte. Darf ich den als Standard bezeichnen? Bei der Sammlung einen 30+ Jahre alten Speysider aus dem Bourbon Cask. Dann hätte ich alles was ich brauche.

Kilkerran 2015 – Cadenhead

Eine Flasche Kilkerran 2015 von Cadenhead

Tobias: Ich hab auch was mitgebracht. Erkennst du die Flasche wieder?

Michael: Ha! Meine einzige Flasche, die ich davon ergattern konnte.

Tobias: Genau, das Cadenhead Shoprelease für Campbeltown. Ich hab dir ja versprochen du darfst den probieren und das halte ich heute dann auch. Link zur Whiskybase

Beide: Slainté. – Hier auch wieder unsere gemeinsamen Notes.

Nase: Der riecht schon richtig abgefahren. Filigran ist anders, das ist richtig geiler Campbeltown-Schei*. Wie wenn man von einem alten Trecker die Motorhaube aufklappt. Aber nicht nur das Motoröl, sondern auch noch was anderes Schmutziges. Teerpappe. Nach einiger Zeit kommen noch gekochte Früchte hervorgekrochen.

Mund: Es prickelt auf der Zunge. Ingwer und Pfeffer. Geht dann wieder über in das Motoröl und einige grüne Noten. Die Pflanzensäfte bringen eine gewisse Süße mit.

Abgang: Kräftige Brühe und Suppe. Schön salzig und würzig. Nuss kommt mit dazu. Es wird dann auch irgendwann richtig trocken. Da wirkt das Sherryfass.

Fazit: Kein Einsteiger, eher ein extremes Brett. Ein Whisky den man nicht jedem verkaufen kann. Man kauft sich einen Campbeltown nicht wegen seiner Eleganz, sondern seiner brachialen Direktheit. Der hier knallt schon direkt auf die Zunge. Mit Wasser wird er harmonischer – wir sind uns unsicher ob man das will. 😉 Wir hatten beide Spaß damit. Tobias: 89/100

Die Profession: Local Dealer

Tobias: Wann und wie kam dann der Gedanke einen Laden zu eröffnen? War das ein stetiger Weg oder eher eine Eingebung?

Michael: Ich glaube sowas wirst du nicht von heute auf morgen. Das war vielleicht schon von Anfang an in meinem Kopf. Über ein Jahr hinweg ist es dann intensiv gereift. Mir hat mein erster Tastingbesuch sehr gut gefallen. Das war toll und hat mich fachlich und auch durch die fünf Whiskys beeindruckt. Trotzdem dacht ich mir das könnte ich vielleicht auch, aber anders. Persönlicher vielleicht, mit einem anderen Enthusiasmus. Zuerst hab ich mich also damit auseinandergesetzt. Wenn ich aber Tastings veranstalte und nachher wollen Leute Flaschen kaufen, dann muss ich sagen „da, da und da“. Blöd. Auf der anderen Seite einen Handel aufzumachen. Das ist schon noch mal eine ganz andere Nummer. Das hat sich über Monate hingezogen bis zur Entscheidung. Ich hab also zuerst nur Tastings mit anschließenden Abverkauf gemacht. Ein Jahr später kam dann der gewerbliche Raum.

Tobias: Und der Name? Das hat doch bestimmt auch einen Hintergrund

Verkaufsraum der Whisky Baron mit dem Schaflogo in groß

Michael: Ja, da gibt natürlich auch a G’schichte dazu. Los ging es mit dem Logo. Das sollte meine beiden Ziehväter repräsentieren. Der eine mag Schafe und der andere raucht Pfeife. Und nach einem Versuch über eine Grafikerin, das hat aber irgendwie nicht gepasst. Dann hab ich dann durch Zufall jemanden im Pflegeberuf kennengelernt, der nebenher zeichnet. Der hat mir dann dieses geniale Schaf designed, sogar in der Großversion mit Fass daneben. Das hat es für mich so gut getroffen, da war ich glatt gerührt.
Der Name dazu ist dann auf einer Bierwanderung, in sehr guter Gesellschaft, entstanden. Die Teilnehmer haben wirklich den ganzen Tag ganz tiefgründig diskutiert und mich mit zwei Varianten beglückt: Malt Michel oder Whisky-Baron. Letzterer hat es mir dann angetan, mit der höheren Seriosität und wenn man etwas drüber nachdenkt, dann passt es auch inhaltlich. Nicht wegen der vermeintlichen Feudalität, sondern der Namensbedeutung. Freiherr. Das passt schon, denn ich versuch mich so wenig wie möglich abhängig zu machen als Whiskyhändler. Nicht von Herstellern, Abfüllern noch sonst irgendwie.

Tobias: Was macht dir denn an deiner Leidenschaft „Local Dealer“ am meisten Spaß? Gibt es auch Sachen die eher eine Qual darstellen?

Michael: Das persönliche Kundengespräch. Ich hatte ja am Anfang einen verkappten Online-Handel. Vor allem für Menschen die einen auf Messen angesprochen haben. Die Erfahrungen mit den Versendern waren aber einfach zu schlecht. Dafür bin ich die falsche Art von Händler. Deswegen lieber so wie ich angefangen hab: Persönliches Kundengespräch und klein, aber fein. Das passt für den Moment am besten für mich.

Tobias: Und die Qual?

Michael: Ich würde es eher anders beschreiben. Die sozialen Medien. Es gibt so Tage… da ist das genial. Ich hatte eine Flasche Lagavulin Offerman Edition. Der war über Instagram in Minuten weg. Eigentlich habe ich aber viele Kunden, die sich auf die Pflege des Newsletter verlassen. Ein zweischneidiges Schwert. Macht total Sinn für mich als Geschäftsmann, ich bin aber doch nicht immer glücklich damit. Vor allem wenn ich wieder zu oft ins Smartphone geglotzt hab.

Tobias: Eine letzte Frage: Was ist für die kommenden Jahre die zentralen Entwicklungen auf dem Whiskymarkt?

Michael: Der erste Trend ist wahrscheinlich der Preistrend, den alle gerade mitkriegen. Und der Trend, den ich dahinter kommen sehe ist Cognac. Ich glaube das hier ein gewisser Shift passiert. Den Cognac ist noch bedeutend günstiger „im Alter“. Ich sehe es aber zweigeteilt. Es wird trotzdem noch spannende Schotten in allen Preissegmenten geben. Da sehe ich auch meinen Auftrag weiterhin diese Dinge zu finden. Was ich mir auch noch vorstellen kann ist das auch andere Länder zunehmen. Deutschland ist schon gut dabei und auch die Iren. Mal sehen, wie sich dann der Preis entwickelt, wenn der Druck höher wird.

Tobias: Michael, ich danke dir. Das hat sehr viel Spaß gemacht! Wen darf ich denn als Nächstes interviewen?

Michael: Den …
– nun, das bleibt hier erstmal geheim. Ihr dürft gespannt sein, wen der Michael da auserkoren hat.

Mir hat diese Runde sehr viel Spaß gemacht. Alleine die vielen Zufälle die hier wieder passiert sind. Wir suchen beide unabgesprochen was aus Campbeltown raus. Wir sprechen über gemeinsame Bekannte, just eine Minute später geht die Tür auf und er kommt rein… Es war uns beiden ein Fest, weit über das hier Geschriebene hinaus.
Wenn es euch auch gefallen hat und/oder ihr Feedback habt, schreibt wie immer gerne an
tobias (at) keinehalbendrinks (.) de

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Bilder: Eigene Anfertigung und freundliche Genehmigung von Michael Redel. Die Rechte am Logo und den Bildern vom Shop gehören ihm.
Samples: Jeweils eigene Flasche von Michael und mir