Öfter mal was Neues?

In letzter Zeit habe ich doch einige alte Single Malts probieren dürfen, viele davon vortrefflich oder eindrucksvoll. Aber neue Whiskys gibt’s ja auch noch und der Output der Destillerien, Getränkekonzerne und unabhängigen Abfüller erreicht neue Dimensionen. Dennoch scheint das Marktsegment der Single Malts noch nicht gesättigt, die Preisspirale dreht sich weiter, Produzenten und Marketing testen fleißig, wie weit der Käufer und sein Geld mitzulaufen bereit sind. Im Folgenden einige Abfüllungen aus dem vergangenen Jahr 2021, die Auswahl soll exemplarisch für einige Trends stehen.

Nc’nean Annabel

14 Fässer von 2017& 2018 bis 2021 / 48,5%Vol. / Link zur Whiskybase

Eine junge Brennerei, geführt, nicht von einem Großkonzern, sondern von der Gründerin Annabel Thomas, welche diese Freiheit für neue Ideen nutzt, um in der Whiskybranche neue Wege zu gehen. Inwieweit sich Whisky wirklich nachhaltig, klimaneutral produzieren lässt, sei mal dahingestellt, aber so ist es doch eigentlich mit fast allem, was wir konsumieren. Hier also die erste Edition der Serie ‚Quiet Rebels‘, welche das Team hinter den Whiskys von Nc’nean hervorheben soll. Woraus sich die 4504 Flaschen dieses Batches zusammensetzen, wird auf der Homepage recht informativ aufgelistet: Ein Fässermix bestehend aus 64% Ex-Bourbon, 22% Ex-Tokajer, 7% STR (Shaved, Toasted, Recharred) Ex-Rotwein & 7% ehemalige PX Sherry Hogsheads, welche im Zeitraum Juni 2017 bis Mai 2018 mit New Make befüllt worden sind. Gebottled wurde vom 14.09.-06.10.2021. Sogar die verwendeten Hefestämme werden an einer Stelle aufgeführt, das nenne ich mal Transparenz, die ich mir von anderen auch wünschen würde! Ardnamurchan beispielsweise praktiziert das auch so.

Nose: Zuerst ist da diese honigartige, fruchtige Süße von weißen, verschrumpelten Weinbeeren. Diese Süße vermischt sich mit Biskuit und Karamell, welches nach zwanzig Minuten noch zu Schokolade mutiert. Ein mineralischer Vibe schwebt darüber, Zimt und Kokosnuss deuten den Einfluss von Holz an. Rote Äpfel, Birnen und Pflaumen vertiefen den Fruchtsektor. (87)

Taste: Beginnt gleich sehr fruchtig mit gelben und roten Äpfeln, sowie Rosinen, Datteln und Pflaumen. Kokos, schokoladige Tannine und ingwerartige Gewürze fungieren als Ausdruck des Fassholzes. Die Textur lässt sich als ölig und fleischig bezeichnen, metallische Hefe verweist auf das geringe Alter dieses Drams. Der typische Rotweinakzent ist auch vorhanden und – die sehr gelungene Verpackung hat es angedeutet – viele Kräuter. (83)

Finish: Die cremige Süße des Tokajers hat mit einer Kleinigkeit Schwefel zu kämpfen. Die dunkelrote Frucht von Sherry und Rotwein reißt das Ruder herum, es wird wieder harmonisch mit grasigen Kräutern und Mandeln. Würziges Eichenholz mit Ingwer und Kokos verweilt noch lange. (84)

Fazit: Wow, die Nase find ich Hammer für einen so jungen Malt. Was mir auch gut gefällt ist, dass jede einzelne Fassart dem Whisky durchgängig seinen Stempel aufdrücken kann, es wird nie langweilig. Wenn dann die Jugend durchkommt, muss man Abstriche machen, aber Zaubern wäre halt zu viel verlangt. Nc’nean steht (definitiv / weiterhin) auf meiner Watchlist.

Glenallachie 13 Years Madeira Wood Finish

11y American Oak Barrels, 2y Madeira Finish bis 2021 / 48,0%Vol. / Link zur Whiskybase

Glenallachie ist ja die derzeitige Spielwiese von Bill Walker, die Abfüllungen sind oft geprägt von intensiven Aromen, dunkler Farbe und Fassarten abseits des Üblichen. Im vorliegenden Fall bekam der Whisky nach elf Jahren im amerikanischen Barrel noch ein Finish in Barriques, welche zuvor Süßwein von der portugiesischen Atlantikinsel Madeira enthielten. Hergestellt wurde dieser Madeira aus der Rebsorte Malvasia (auch Malmsey genannt), welche für ihre Süße bekannt ist.

Nose: Extrem gelb, die Nase. Von Vanille und Shortbread über Ananas und Birne bis hin zu Honig und frisch geschliffenem Eichenholz – alles ist gelb und hell. Insgesamt sehr süß und fruchtig, etwas Pfirsicheistee kommt noch dazu. Mit Zimt und Kokos aber auch auf der würzigen Seite. Ach ja, gelbe Bananen auch noch. (84)

Taste: Immer noch gelb. Honig und exotische, teils herbe Früchte sorgen dafür. Würziges Eichenholz und Gerstenmalz balancieren Mandeln, Kokos und Kakao. Für meinen Geschmack ist da eine Spur zu viel Bourbon mit rübergeschwappt. Ein Stück Ingwer ist auch hineingeraten. (83)

Finish: Etwas weniger gelb. Beginnt mit Kakao gefolgt von würzigem Holz mit Kokos und Cashews. Nein doch – wieder gelb. Wie Honig. Bourbontypische Anklänge und Früchte, zum Beispiel Banane und Pfirsich. (84)

Fazit: Ist dem 12-jährigen Vorgänger (Link zur Whiskybase), welcher die amerikanische Eiche ein Jahr weniger lang gesehen hat, doch sehr ähnlich. Der auffälligste Unterschied ist, dass bei dem älteren hier der Alkohol besser eingebunden wirkt.

Fettercairn 1995 DD

Eichenfass 25yrs bis 2021 / 59,9%Vol. / Link zur Whiskybase

‚The Nectar‘ ist ein belgischer, unabhängiger Importeur von Whisky und vielen anderen alkoholischen Erzeugnissen. Unter dem Label ‚Daily Dram‘ werden auch eigene Abfüllungen vertrieben. Zum 15. Betriebsjubiläum von The Nectar wurde ein einzelnes Fass mit 25-jährigem Fettercairn aus dem Lagerhaus von Signatory Vintage ausgesucht und in Fassstärke abgefüllt.

Nose: Bienenwaben und würziges Eichenholz steigen aus dem Glas. Ein saftiger Schokoladenkuchen mit grünen Apfelstückchen direkt dahinter. Nach einem öligen Sojasaucenintermezzo wird der Dram leicht seifig, Bergamotte und bunte Blütenblätter tummeln sich mit Grapefruit. Mit einem Spritzer Wasser wird er schön fruchtig, Aromen von Banane, Aprikose, Melone und Dattel etwa. (85)

Taste: Wachsig und ausgesprochen würzig. Ein öliges, vollmundiges Mundgefühl transportiert Gerstenmalz und Sandelholz. Erdig-bittere Mokkatöne machen den Malt schwer, Tabak und Leder genauso. Einige herbe Orangen und blanchierte Mandeln, aber nur als verhaltenes Stückwerk. (84)

Finish: Wärmend und intensiv. Eine wachsige, honigartige Textur, aber leider mit viel Schwefel. Dunkle Kakaonoten im Gleichschritt mit Mandeln und würzigem Eichenholz. (79)

Fazit: Ich empfehle die Zugabe von Wasser und das Trinken in kleinen Schlucken. In seinen besten Momenten ist er angenehm, was aber früher oder später immer durch Verschlossenheit, unpassende Aromenkombinationen oder gar Fehlnoten zunichte gemacht wird. Schade, denn in der Nase hatte er eigentlich als solider, typischer Fettercairn angefangen.

Glenfarclas 1993 Family Cask 4669

4th Fill Butt bis 09.06.2021 / 57,6%Vol. / Link zur Whiskybase

The Family Casks – Einzelfassabfüllungen in Fassstärke von Glenfarclas also. Hier ein Release aus dem Sommer 2021. 550 Flaschen ergab das Fass Nummer 4669, welches ein 4th Fill Butt ist. Auf diese Abfüllung bin ich aufmerksam geworden, weil ich das bereits im Jahr davor abgefüllte Fass Nummer 4677 – ebenfalls ein 4th Fill Butt aus 1993 – sehr gelungen fand.

Nose: Zu Beginn süßlich mit frischen Zitrusfrüchten und rohem Brotteig. Vom Eichenholz lösen sich zarte Gewürze, während vom nussigen Sherry noch getrocknete Feigen, Pflaumen und anderes Trockenobst beigesteuert wird. Zartbitterschokolade und Honig passen da gut rein, aber generell sind die Aromen eher flach. (82)

Taste: Weird stuff is happening. Der sprittige Alkohol scheint separat vom Rest des Whiskys zu existieren. Schärfe und Samt gehen nebeneinander. Viele alte Gewürze. Dazu Sherry und reife Orange. Sauer ist er auch. Und leicht bitter. Mit Nüssen, Waldhonig und Tabak wird’s langsam recht komplex. Trotzdem total dissonant. (80)

Finish: Puh, leider schwefelig, bitter und leicht sauer. Nicht ganz intensiv, der Honig und die Mandeln schaffen es trotzdem nicht, dagegen anzustinken. Erst das Eichenholz, würzig und grasig, und wertiger Sherry ebenfalls, bringen einen wohligeren Charakter rein. (78)

Fazit: Hier ist was schiefgelaufen. Sowohl im Fass, als auch später, beim Vertrieb. Wer trifft die Entscheidung, so etwas als Single Cask abzufüllen? Ein Schlag ins Gesicht der Anhängerschaft, die 350€ für eine Flasche hinlegt. Das schafft doch kein Vertrauen!?

Islay 1990 PST

Hogshead 30yrs bis 2021 / 49,0%Vol. / Link zur Whiskybase

Hinter dem Kürzel ‚PST‘ steckt das Brüderpaar Phil & Simon Thompson, welche sich seit 2016 nicht nur einen Namen als unabhängige Abfüller gemacht haben, sondern auch als Gründer der in den nördlichen Highlands gelegenen Dornoch Distillery. Für The Nectar haben sie 250 Flaschen eines immerhin 30-jährigen Whiskys von der Insel Islay abgefüllt. Ach ja, täuscht mich mein Gefühl oder steigt die Anzahl der Secrets in den letzten drei Jahren tatsächlich rasant an? Die Geheimnisse verkaufen sich offenbar gut, insbesondere wenn dahinter eine der gefragten Brennereien vermutet wird.

Nose: Räucherschinken und Bienenwaben, vereint mit salziger Asche. Verschiedene Sorten von Zitrusfrüchten sind eng verwoben mit weihnachtlichen Gewürzen. Ein überaus fruchtiger Auftritt nach exotischem Obst, grünem Apfel und Banane wird untermalt von vielen Mineralien. Gelegentlich kommt ein Hauch von Datteln und Marzipan. (91)

Taste: Sehr lebendig, Honig und reiche Gewürze eröffnen den Reigen. Die Einflüsse vom Fassholz und dem geräucherten Gerstenmalz sind eins geworden. Unmengen von Mineralien und salziger Meeresgischt, aber auch Banane und zestiger Zitrus türmen sich auf. Tabak und der typische!, medizinische Pflasterton sind überall. (91)

Finish: Asche und süß-säuerliche Zitrusnoten leiten über zu trockenem, dezent schwefeligem Eichenholz mit Gewürzen. Salz, Pflaster und Wachs verabschieden den Malt. (88)

Fazit: Voluminös! Nach drei Jahrzehnten hat nicht nur die Gewürzpalette einen hervorragenden Reifegrad erhalten. Auch der Rauch hat ein harmonisches Maß entwickelt und ist immer noch kraftvoll, sodass eigentlich nur die Südküste Islays als Herkunftsort dieses Whiskys in Frage kommt. Spätestens das Pflaster lässt mich sehr konkret an Laphroaig denken. Den Schwefel muss man halt abkönnen.

In einer Branche, in der es Jahre und Jahrzehnte braucht, um ein (mehr oder weniger) verkaufsfertiges Produkt herzustellen, kann es leicht passieren, dass Angebot und Nachfrage aus dem Gleichgewicht geraten. Letztendlich geht es in der Wirtschaft um Gewinnmaximierung, beim Whisky sieht es da nicht anders aus. Und so schießen die ultimativen, limitierten! Sonderabfüllungen aus dem Boden wie die Pilze im Herbst, werden mit fantasievollen Fässern in wenigen Monaten neue Aromen generiert (oder zumindest dunkle Farbe) und werden Whiskys als Single Cask auf den Markt geworfen, die aufgrund ihrer Qualität eigentlich nicht dafür geeignet sind. Aber da diese Flaschen heutzutage meistens erst an Flipper, dann an Sammler gelangen, ist das sowieso egal, denn in diesen Fällen fungiert der Flascheninhalt als Geldanlage und nicht als Genussmittel. Okay, manchmal schmecken diese Hypes schon, aber nicht bei den dafür aufgerufenen Preisen. Allein, dass dreijährige Malts von neuen Brennereien wie selbstverständlich zu dreistelligen Beträgen den Besitzer wechseln, zeigt, wohin die Reise gehen soll. Es ist ein Kampf entbrannt, um neue Märkte, treue Fans, Effizienz und Ressourcen. Wer gewinnt, wer verliert?

Samples privat gekauft | Bilder mit freundlicher Genehmigung des Flaschenteilers bzw. der Whiskybase