Old & Rare Flight 005

Heute kommt der Spaß in Paaren. Immer zwei von einer Destillerie. Und ausnahmsweise mal gar kein Islay Dram. Muss auch mal wieder sein.

Coleburn: Eine mittlerweile geschlossene Destillerie in der Speyside. Bei Longmorn gelegen hat die Geschichte ein Ende im Jahr 1985. Also etwas später als noch manche Berühmtheit, aber dennoch für immer verloren. Eigene Abfüllungen gab es übrigens nicht viele. Aber Gordon & MacPhail hat dennoch ein paar Fässer davon in den Handel gebracht. Zwei davon gibt es heute als Review.

Littlemill: Mit einer weiteren “Lost Destillery” geht es zum zweiten Paar. In den Lowlands, in Bowling, um genau zu sein, lag Littlemill. 1992 wurde die Destillerie geschlossen, danach wurde sie demontiert und zum Schluß brannte sie dann auch noch nieder. Die übrigen Fässer wurden zum Glück (auch?) woanders gelagert, deshalb können wir davon noch ein paar wenige heute trinken.

Strathisla: Es geht zurück in die Speyside. Strathisla in Keith brennt heute noch und das schon seit dem Ende des 18. Jahrhunderts. Viel von den produzierten Spirits geht in Blends wie Chivas Regal, es gibt aber auch Single Malt Releases. Unter anderem auch als Licensed Bottlings.

So genug Wissen und Vorrede. Hinein ins Getümmel.

Coleburn 1965 Gordon & MacPhail

Ein Gordon & MacPhail Connoisseurs Choice Brown Label. Diesmal eine Originalminiatur. 1965 gebrannt und irgendwann später mit 40% in die Flasche gebracht. Viel mehr weiß man hier nicht. Link zur Whiskybase

Nase: Das ist eine klassische alte Sherrynase. Mit roten Beeren und ausgewaschene Pinseln. Mit verschiedenen Hölzer, von der Pinie bis zur Zeder. Insgesamt ist die Nase süß-sauer würde ich sagen. Es gibt auch noch eine saure Fruchtkomponenten. Ich würde sagen Orange.

Mund: So geht es auch weiter: Leicht sauer und neu dann auch trocken. Mit einigem an Malz kommt er dann cremig, ölig und salzig daher. Dazu noch Esspapier. Passt zum “dry” ganz gut.

Abgang: Und wieder ein perfekter Übergang: Trocken, süß und sauer. Die Sherrynoten kommen wieder mit Schokolade und Rosinen. Die Holznoten gehen über ins Baumharz.

Fazit: Das ist eine oldstyle Schönheit mit einigen Kanten. Grossartig sowas probieren zu können und beeindruckend für 40%. Hat da zufällig jemand eine Großflasche? Ich wäre sehr, sehr neugierig und würde da gerne mal probieren. 88/100

Coleburn 1972 Gordon & MacPhail

Das letzte Fass einer Destillerie. Sowas muss man auch erstmal abfüllen können. Und wenn das jemand kann, dann wohl Gordon & MacPhail. Zum 125. Jubiläum des schottischen Abfüllers haben sie einen rausgehauen. 47 Jahre in einem Refill Sherry Puncheon kamen dann 363 Flaschen im Jahr 2020 in die Flasche. Die hatten dann auch noch 62,4%. Das Fass haben sie wohl sehr ordentlich abgedichtet! Link zur Whiskybase

Nase: Eine schöne, leichte Fruchtnote zu Beginn. Reife Bananen, Mandarinen und unreife Mangos und Guaven. Dazu alles von der Biene. Vom Honig über Propolis bis hin zum Bienenwachs. Bisschen Lampenöl und Politur vielleicht auch. Das geht dann Eine leichter Vanilleduft ist irgendwo darunter vermengt. Die Alkoholstärke ist sehr wohl präsent, allerdings nicht unangenehm. Nach längerer Zeit kommt ein feiner Rauch auf. So wie ein ganz leises Aufglimmen von Holzspänen.

Mund: Er greift direkt an. Mit Gewürzen und Süße in perfekter Balance. Ingwer und Pfeffer, übergossen mit Honig- und Zuckersirup. Nach kurzer Zeit legt sich das und die Süße dominiert. Dazu kommt das alte Holz ins Spiel. Mit Bitterstoffen und Politur. Das Ganze wird umgeben oder besser gesagt begleitet von der Fruchtnote, gespickt mit Menthol und Minze. Bananen sind wieder da und Guave vor allem.

Abgang: Von Schluck zu Schluck ein wenig unterschiedlich. Mal können die Früchte sich durchsetzen, mal setzt das Fass ein Statement. Zwischen fruchtig und trocken. Zwischen Weißwein und würzigem Tee. Auch die Gewürze dürfen dann auch wieder mitspielen. Es ist einfach ein Traum. Es wird dann auch trocken und bitter. Was vorhersehbar war, würde ich sagen. Allerdings auf keinen Fall problematisch.

Fazit: Ich glaub ja es wurden weltweit ungefähr drei Flaschen davon geöffnet. Eine davon vom Abfüller und verteilt an die großen Blogs und zwei von Flaschenteilern, wie in meinem Fall. Vielen Dank an den lieben rampah an dieser Stelle! Sowas zu teilen ist wirklich eine tolle Sache. Was ein Glück, dass über so lange Zeit diese Qualität erhalten bleiben kann. Ich bin Glückspilz, dass ich das probieren durfte. 92/100

Littlemill 1985 The Vintage Malt Whisky Co Ltd.

Der unabhängige, schottische Abfüller The Vintage Malt Whisky Co Ltd. hat diesen Littlemill im Rahmen ihrer “The Cooper’s Choice” Reihe abgefüllt. Der Fassbinder würde sich also für diesen 26 Jahre alten Lowlander entscheiden. Er hat fassstarke 53% und wurde 1985 gebrannt. Hogshead 99 brachte 270 Flaschen hervor. Link zur Whiskybase

Nase: Leicht grasige Noten fangen an. Danach wird es wunderbar fruchtig. Gelbe und grüne Früchte vor allem. Orangen, Grapefruit, Kiwi, Apfel kommen mir da in den Sinn. Dazu auch noch Getreide und etwas Vanille.

Mund: Mit einer würzig, fast schon scharfen Noten zwickt er zuerst in die Zunge. Da ist Chili, Pfeffer und Ingwer. Wenn er sich nach ein paar Umdrehungen beruhigt hat und die cremig, seidige Textur sich im Mundraum ausgebreitet hat, verfliegen diese Noten. Dann machen sich ein Fruchtigkeit breit, mit einer paar Bitterstoffen darin. So als ob man Schalen und Kerne mit verarbeitet. Dazu eine schöne Süße. Genau richtig.

Abgang: Ein frisches Brot, ich hab da sowohl Schwarzbrot als auch Baguette, mit einem gelben Fruchtgelee darauf. Dazu ein paar Röstaromen. Dazu gibt es Apfel- und Grüntee. Wieder etwas Getreide. Vielleicht auch ein paar Nüsse. Die Länge ist großartig.

Fazit: Ich hatte den früher schon mal im Glas. Da war ich noch deutlich überschwänglicher. Da waren auch die Eindrücke auf der Messe sicher präsent. Dennoch: Ich mag diesen wunderbar fruchtigen Stil. Manche Whiskynerds sprechen davon, dass Littlemill eher ein Obstler ist als ein Whisky. Mir egal, ich trink das schon, wenn ihr es nicht wollt 😉 90/100

Littlemill 1990 Liquid Sun

Für den Whiskyclub Pangalaktische Whiskygurgler vom deutschen, unabhängigen Abfüller Liqud Sun in die Flasche gebracht. Es stehen 51,1% zu Buche. Vor der Abfüllung der unbekannten Flaschenzahl war er 23 Jahre in einem Refill Hogshead. Ich vermute Bourbon. Link zur Whiskybase

Nase: Als erstes kommt mir Banane in den Sinn. Dazu auch Puderzucker und getrocknete Mangospalten. Ich hab die geliebt als Kind. Sollte ich mir mal wieder besorgen.

Mund: Relativ viel Vanille macht sich Platz. Dazu ein wenig Aprikose und Orange aber auch wieder ein wenig Banane. Dann kommt eine Unmenge an Haferflocken und Müsli. Jeden zweiten Schluck finde ich auch ein wenig Flachs oder trockenes Heu. Getreidekaffee könnte auch noch dabei sein.

Abgang: So geht es dann auch weiter. Trockenfrüchte in Haferflocken. Jetzt ein wenig bitterer und mit Mandelsplittern. Vanille ist auch noch da und ab und an spitzt etwas Salz mit durch. Hinten raus ist er relativ trocken.

Fazit: Trinkt sich extrem mild für einen fassstarken Whisky. Die Balance ist auch sehr gut. In Konsequenz ist er dann logischerweise nicht so extrem Ausdrucksstark. Für Freund eines leckeren Frühstückswhisky ist das aber sicher eine klasse Variante. Im direkten Vergleich zum Vintage Malt. Was mir besonders gefallen hat: Er ist nicht besonders süß, trotz sehr viel Frucht. Das ist schon besonders. 89/100

Strathisla 1964 Gordon & MacPhail

Gordon & MacPhail füllt in ihrer Serie der Licensed Bottlings Abfüllungen von Destillerien mit den Originallabels ab. Dieser Strathsila stammt aus dem Jahr 1964 und wurde 2006 mit 43% abgefüllt. Er war vorher in Sherryfässern. Link zur Whiskybase

Nase: Leicht säuerlich mit einer schönen Erdbeernote geht es los. Später sind da auch noch Äpfel. Genauso wie getrocknete Früchte. Pflaumen, Rosinen und Feigen. Vielleicht auch Datteln. Dazu kommt Schokolade und altes Holz. Vanille, Honig und Wachs ist auch am Start. Insgesamt schreit einen kein Aroma wirklich an, dennoch ist es alles präsent und mit Vitalität. Und das bei über 40 Jahren!

Mund: Apfelcidre, kurz vor dem Kippen. Dann in Butter geschwenkte Apfelspalten. Dann kickt das Holz rein. Mit Bitterstoffen und alten Sherrynoten gepaart kommt es mit voller Wucht um zu dominieren. Rosinen, Bücher, Leder, Tabak all jene Dinge versuchen den Ausgleich. Das Holz lässt sich aber nicht aufhalten. Bei der zweiten Runde ist noch eine gute Süße präsent und auch etwas frischere Sherrynoten. Das hält schon etwas besser dagegen. D.h.: Sind die Geschmacksnerven mal “eingetrunken”, dann können sie damit auch besser umgehen.

Abgang: Es geht auch nach dem Schlucken so weiter. Die Bitterstoffe und Holznoten dominieren. Der Ausschlag geht jetzt in Richtung dunkelster Schokolade, Espresso und Kernen dunkler Früchte. Das was beim Passieren im Tuch bleibt. Die Säure ist auch noch vorhanden, das gibt eine gewisse Balance auch gegenüber dem bitteren und sehr trockenen Finale.

Fazit: Eine für Freunde des Holzes. Ich will damit nicht sagen der war zu lange im Fass. Das ist alles in Ordnung so. Man muss es “nur” abkönnen. Die Bitterstoffe hinten raus tun da ein übriges. Aber: Das ist ein wahnsinig komplexer Malt, der keineswegs nach Fassstärke ruft. Der richtige Dram um ihn über einen ganzen Abend immer wieder zu nippen und dann wieder eine Stunde stehen zu lassen. Dazwischen sind die Rezeptoren beschäftigt und der Speichelfluss ist garantiert. 89/100

Strathisla 35-year-old

Ein offizielles Bottling zum 200ten Bestehen der Destillerie. Unglaublich, das muss man auch erstmal schaffen. 1986 abgefüllt war damals 35 Jahre alt. Beziehungsweise die jüngesten Komponenten waren 35. Ich vermute dass mehrere Fässer verwendet wurden. Abgefüllt wurde er mit 43%. Link zur Whiskybase

Nase: Alte Bücher, in Leder gebunden. Die Seiten sind staubig und trocken. Es bröselt wenn man umblättern würde. Dann geht jemand mit Möbelpolitur vorbei. In der anderen Hand einen dreckigen Öllumpen. Damit wurde Metall polliert, Kupferrohre zum Beispiel. Dazwischen linsen ein paar Trockenfrüchte durch. Rosinen und Datteln vor allem. Mit einer leichten Salzkruste.

Mund: Auch hier sind wieder diverse Öle und rauhere Noten am Start. Gegerbtes Leder das gerade gewachst wird. Dazu kommen die Früchte jetzt wesentlich besser raus. Pfirisch und Aprikose. Auch wiedeer getrocknet. Neu sind Kräuter, vielleicht ein Honig mit Kräutern drin.

Abgang: Im Abgang fällt die dominante Seite für mich in Richtung Wachs, weniger Richtung Öl. Die Kräuter kommen noch stärker raus und vielleicht auch ein wenig buttrige Säure. Der Einschlag Richtung Sherry ist nun auch viel Stärker. Bei den Früchten geht es damit hin zur Orangen oder Blutorange. Bitterstoffe sind genau in der Balance. Die Holznoten sind für das Alter gut im Zaum.

Fazit: Hallelujah! Das ist mal ein Jubiläumsbottling. Und das sind nur 43%. Trotzdem extrem ausdrucksstark, absolut in der Balance und beliebig komplex. Im Abgang könnte er vielleicht noch ein wenig Wumms vertragen. Aber wozu, der ist gut so wie er ist. 93/100

Eigentlich…

… wären jetzt die ersten Whiskyfestivals im Jahr. Z.B. die The Village im Rahmen der Freizeit und Garten in Nürnberg. Das hier ist ein kleiner Ausgleich zu diesen tollen Messen. Natürlich kann ich leider die Leute nicht treffen und vieles anderes geht nicht. Aber die Drams zumindest liefern! Fan-f*ing-tastisch. Den Coopers Choice Littlemill hab ich übrigens vom Whisky Club of Austria auf der Village gekauft. Passt also genau. Dort ist auch das unscharfe Titelbild entstanden. 🙂 Liebe Grüße an die Kollegen aus Wien an der Stelle. Ich hoffe euch geht es gut!

Noch mal zum Whisky. Ein Privileg all das probieren zu können. Meine Erkenntnis: Ich muss mehr Strathisla trinken. Und auch Coleburn. Und auch mal wieder ein paar Littlemill probieren. Wunderschön. Mein Gewinner ist übrigens das Anniversary Bottling von G&M. Auch wenn ich den Strathisla noch besser fand. Ein letztes Fass ist einfach an sich eine Besonderheit.

Bilder: Eigene Anfertigung und freundliche Überlassung von rampah und maltlovinglawyer. | Samples: Privat gekauft, getauscht, eigene Flasche und eigenes Originalsample