Chapter 7 Outturn Tasting
Ursprünglich startete Chapter 7 als unabhängiger Abfüller in der Schweiz. Um besser agieren zu können ist man mittlerweile nach Schottland umgezogen. Auf den Fahnen das Motto das abzufüllen was den persönlichen Reiz ausmacht und auch mal ein Risiko für ungewöhnliche Abfüllungen einzugehen. Die Referenz auf Bücher ist das durchgängige Merkmal. Nicht nur das Kapitel im Namen auch die verschiedenen Abfüllungstypen tragen dies in sich. Z.B. Chronicle oder Anthology.
Eher zufällig bin ich auf ein Tastingbundle zum aktuellen Outturn des Abfüllers gestoßen. Ich glaube das war kein offizielles Set, sondern eine Initiative des speziellen Händlers. Aber egal: Eine wunderbare Gelegenheit die ich nicht liegen lassen konnte. Heute befasse ich mich mit fünf der Abfüllungen. Zwei weitere werden in einem gesonderten Tasting auftauchen. Man sagte mir Ledaig wäre mal ein Thema für hier. Aber dazu ein andermal. Jetzt ist „Chapter 7“-Zeit.
Isle of Jura 1998 Chapter 7
Aus Bourbon Hogshead 2144 stammt dieser Jura. 1998 kam er ins Fass, 2020 wieder raus. Dabei war er 21 Jahre alt und 55,1% stark. Link zur Whiskybase
Nase: Grüne Äpfel, Malz, Honig, Kiesel, Trauben, Salz, Traubensaft, Traubenkerne, Rosinen, Limetten und Kalk. Irgendwo zwischen einem Riesling, einem Chardonnay und einem Sherry. Obwohl nichts davon über das Fass kommen dürfte. Die „Whiskyaromen“ sprechen eher für einen jungen Malt als für 20 Jahre im Fass. Spannend, unerwartet, aber keinesfalls schlecht.
Mund: Zwickt erstmal in der Zunge. Lebendige Säure trifft Pfeffer. Dazu Zitronengras, grüne Paprika, Weißwein, wieder Traubenkerne und der Kalkboden. Er bleibt dem Weincharakter für mein Empfinden treu. Das ist absolut gut. Auch wenn die Säure für Fortgeschrittene ist.
Abgang: Bitter, sauer und salzig. Limetten, Zucchini und Apfelkerne. Hier fällt er etwas ab. Ich bin mir jetzt nicht ganz sicher ob es die Zucchini ist, die mich etwas verwirrt oder weil der Charakter nicht mehr so expressiv ist. Aber es ist immer noch ein gutes Niveau.
Fazit: Der Inselwhisky ist, zumindest was die Originalabfüllung angeht, ziemlich in Ungnade gefallen.Viele Whiskykenner lassen diese mittlerweile stehen, spätestens nachdem sie Samples probieren konnten. Unabhängige Abfüller tun sich oft auch nicht leicht. Wie sieht es bei Chapter 7 aus? Besser, viel besser. Insgesamt sehr lecker. Ich hatte vielleicht ein paar Sekunden Schwierigkeiten mit der Säure, aber insgesamt passt das alles. Könnte man glatt wieder mehr Jura probieren? 88/100
Blended Single Malt 24-year-old Chapter 7
Vier Fässer ingesamt wurden hier zu einem Blended Malt gevatted und in zwei Bourbon Barrels gereift. Der jüngste Whisky lag dann insgesamt 24 Jahre in einem Fass. Dabei handelt es sich laut Abfüller um 17% Laphroaig, 20% Highland Park und 63% Malts aus berühmten Speyside Destillerien. die 424 Flaschen des Vattings haben 47,9%. Link zur Whiskybase
Nase: Im ersten Moment würzig, dann rauchig. Grillkohle und Vanille. Holzbriketts. Aprikosenmarmelade. Mandarinen und Äpfel. Etwas Seife. Mit sehr viel Zeit dann nur noch Marmelade.
Mund: Fruchtig, trocken, ein paar Äste. Wo ist denn das Feuerwerk aus der Nase hin? Das ist jetzt fast schon eindimensional. Nicht direkt schlecht aber… man hat mir mehr versprochen an der Tür.
Abgang: Furztrocken und bitter. Das ist für mich der bleibende Eindruck. Schade.
Fazit: Wenn die Nase rüberzuretten wäre. Dann wäre das für mich in den Sternen. Ja wenn. Wobei man schon zugestehen kann, nein muss, dass der Rest nicht zum weggießen ist. Aber die Erwartungshaltung die sich da bei mir geregt hat beim ersten Nosing, die kann er nicht halten. 86/100
Ein Plus, ganz unabhängig von Geschmack ist die Transparenz über die verwendeten Malts. So oder noch besser sollte das meiner Meinung nach immer sein.
Blended Scotch Whisky 1993 Chapter 7
Dieser Blended Whisky besteht zu 50% aus Malt und zu 50% aus Grain. Der Grain ist dabei deutlich älter, um genau zu sein 31 Jahre. Die Reifung erfolgte in einem Sherry Butt. Raus kamen 618 Flaschen (wobei hier widersprüchliche Infos existieren) mit 44,9% Link zur Whiskybase
Nase: Rote Trauben, Rosinen und Käse liegen auf einem Brett bereit. Lederne Platzsets werden ausgelegt.
Mund: Die Rezeptoren im Mund schreien erstmal „süß“. Dann wird es würzig. Etwas Maggikraut würde ich sagen. Er hat auch eine deutliche mineralische Note.
Abgang: Trocken und sherrylastig mit Bonusarmen von Pfeffer, Birne und Fleisch vom Grill.
Fazit: Eher durchschnittlich, wenn auch durchaus trinkbar bzw. trinkig. Oder vielleicht besser: Sehr ordentlich und ausgewogen, ohne ein überdeutliches High- oder Downlight. Ich würde wahrscheinlich an einem netten Abend, bei dem es nicht um Whisky geht, nicht nein zu einem zweiten Glas sagen. 85/100
Auch hier ist das Maß an Transparenz ein absolut positiver Punkt.
Miltonduff 1998 Chapter 7
Eine der unterrepräsentierten Speyside Destillerien ist Miltonduff. Unabhängige Abfüller bieten immer wieder single Casks an, aber selten ist da etwas dabei was in Erinnerung bleibt. Dieses Bottling war 21 Jahre in einem Bourbon Hogshead und wurde dann mit 49,7% abgefüllt. Das ergebe 238 Flaschen. Link zur Whiskybase
Nase: Eine Ananas wird mit der Machete geköpft. Eine Mandarine zu Saft gepresst. Gelbe und rote Äpfel werden in Spalten geschnitten. Eine Vanilleschote liegt zwischen leicht angerösteten Nüssen. Ein kleiner Nachmittagssnack liegt bereit.
Mund: Hopfendolden und Hefeteig bringen eine regionale Erinnerung vor meine Augen. Der Bierbrauer backt auch Brot, weil er Mittel und Ressourcen schon da hat. Er verwendet dabei auch Thymian und Rosmarin. Seine geheime Zutat aber, das ist ein Schuß Orangenlikör im Teig.
Abgang: Ab dem Schlucken wird er erstmal trocken. Eine Grapefruit, die einem jeden Speichel aus dem Mund zieht. Es ist fast eine Erlösung wenn dann die Bitterstoffe Richtung Mandarine gehen. Man kann sich kaum vorstellen wie das sonst noch intensiver werden könnte. Danach finde ich mich direkt im Weinberg. Mit dem frischen Brot in Hand schlendere ich über Kiesel, Kalk und Schiefer.
Fazit: Die sensorische Story meines Sommers. Ich hab viel Brot gebacken, mochte Whisky mit Aromen gelber Früchte. Kräuter auf dem Balkon und im Salat. Deutsche Weinbaugebiete besucht, Kalkboden und Schiefer geschmeckt. Und das hat dann jemand destilliert. Love it. 90/100
Islay Single Malt Scotch Whisky 08-year-old Chapter 7
Drei Bourbon Barrels ergaben zusammen knapp 900 Flaschen dieses unbekannten Islay Malts mit 51%. Spanned dabei ist: Fünf der acht Jahre war der Whisky in Refill-Casks, die ersten drei Jahre aber in First-Fill-Casks. Bei sowas hätte ich ja immer gerne den Gegenvergleich. Was wäre passiert wenn es stattdessen drei und fünf Jahre gewesen wären? Wir werden es nie rausfinden… Link zur Whiskybase
Nase: Zuerst ist Shopping im Süsswarenladen angesagt. Kandierte Fürchte, Zuckerwatte und angebrannte Vanillesauce. Auch dabei ist ein süßlicher Torfrauch. Ein sehr spezielles Räucherstäbchen vielleicht.
Mund: Der Torf dominiert auch erstmal kurz im Mund. Dazu Rauch und Kräuter. Später dann wieder Vanille und auch, künstliche Orange.
Abgang: Ab dem Gaumen ist er leicht bitter. Das eher Junge alter wird durch Birnen unterstrichen. Und ich schmecke etwas das ich als jungen lebhaften Torf bezeichnen möchte, auch wenn ich weiß dass das keinen Sinn mach.
Fazit: Nicht schlecht. Man kann auch die Reife im First und Refill irgendwie erkennen. Wobei ich bei so jungen Islay Malts eine etwas härtere Gangart lieber mag. Mir fehlt hier irgendwie der Punch. 84/100
I’ll be back!
…wie es in einem großen literarischen Werk heißt. 😉 Ja da muss ich auch in Zukunft aufmerksam sein. Das ist schon wirklich ein brauchbares Sortiment mit zwei überraschenden Ausreißern nach oben. Das ich ausgerechnet am Ende sage: Der Jura und der Miltonduff waren absolut klasse, nun da hätte ich vorher keinen Blumentopf drauf verwettet. Wahrscheinlich hätte ich den Islay und den Blended whisky aus dem Sherryfass geraten. No-Brainer. Die sind zwar auch gut, aber – und damit wird Chapter 7 seinem Claim gerecht – das unerwartete bringt hier die Punkte.
Bilder: Eigene Anfertigung, Samples: Beim Händler gekauft
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