Glenfarclas: Eine Vertikale

Die familiengeführte Destillerie in der Region Speyside hat Weltruhm. Dieser steht für hohe, konstante Qualität und großartige Sherry-Finishes. Nicht zuletzt trugen dazu auch die Family Casks bei: Jahrgangsabfüllungen in Fassstärke, die seit Jahrzehnten mit unterschiedlichen Lagerzeiträumen auf den Markt gebracht wurden.

Heute im Review befinden sich einige Glenfarclas, die sich zu einer schönen Vertikale bzgl. des Alters aufreihen. Das Finale macht dann eben eines jener Family Casks. Ab gehts!

Glenfarclas 105 (2017)

Ein Klassiker. Keine Altersangabe, 60%, offensichtlich Sherry im Spiel und günstig. Das ist der 105er. Link zur Whiskybase

Nase: Ein schöner Sherryeinschlag mit Rosinen und Schokolade. Dazu nasses Laub. Der Alkohol dampft einem ein wenig entgegen. Aber nicht mit Klebstoff- oder Farbverdünnergeruch, sondern angenehm.

Mund: Eine cremige Textur wechselt sich mit pfeffriger Schärfe ab. Haselnüsse, oder doch eher Nutella auf Schwarzbrot. Mit der Zeit wird der Mundraum pelzig. Dann gibt es noch ein wenig angetrocknete Trauben.

Abgang: Der ganze Mund und Rachen wird bedeckt von einer süßlichen, wärmenden Schicht. Eine dezente Bitternote mit Orangen kommt daz. Die Nüsse kommen wieder und auch Schokolade.

Fazit: Immer wieder eine Freude. Ich hatte vielleicht schon bessere Batches aber auch die 2017er Abfüllung wird den Erwartungen gerecht. Diese liegen dank der positiven Erfahrungen der Vergangenheit weit höher als man bei 30€ für einen Liter vielleicht meinen möchte. 86/100

Glenfarclas 2012 Whiskyladen Radebeul

Immer wieder haben Whisky- und Spezialitätenläden eigene Abfüllungen. Je nach Größe und Netzwerk ist das oft doch eher eine Destillerie aus der zweiten Reihe. Die Fässer sind sonst doch nur schwer zu kriegen. Hier hat der Whiskyladen Radebeul es geschafft ein (Teil-)Fass Glenfarclas zu erstehen. Der fünf Jahre junge Whisky war zuerst in einem Bourbon Hogshead und wurde anschließend in einem Rum Octave (Achtelfass) nachgelagert. Heraus kamen 60 Flaschen mit 65,5%. Link zur Whiskybase

Nase: Neben Zuckerrohr und Zuckerrüben gibt es auch noch eine eher ungewöhnliche Note: Gekochtes Gemüse. Karotten, Pastinake und andere Wurzeln. Auch Tomate. Nach einiger Zeit kommt Maische oder ein Biersud dazu.

Mund: Zwickt ordentlich in der Zunge und hat dabei Pfeffer- und Ingwerschärfe. Darunter ist es nur schwer Aromen zu entdecken. Etwas Nüsse, Süße und das Gefühl eines New Make.

Abgang: Hier kann man wenig neue Eindrücke erfahren. Ein paar Bitterstoffe und vielleicht noch ein paar Zitrusnoten aber auch wieder das Gemüse.

Fazit: Da sind spannende Anklänge aber insgesamt konnte mich das nicht überzeugen. Das Rumfass ist vor allem in der Nase präsent aber auch das ist keine wirkliche Hilfe. Aber es gibt auch keine großen Ausfälle. 82/100

Scotch Universe Gliese II – 132° U.5.1′ 1836.2″

Hier haben wir eigentlich einen „Secret Speyside“ Whisky. Das ist für Glenfarclas auch nicht unüblich, die Destillerie achtet sehr genau drauf, wer und wann der eigene Name verwendet werden darf. Der entscheidende Hinweis bei dieser Abfüllung von Michel Reicks Scotch Universe ist 1836.2“. Die Jahreszahl 1836 und die Region Speyside, die durch die Zahl nach dem Punkt identifiziert werden kann, machen es eindeutig: Gliese steht für Glenfarclas. In diesem Fall aus einem First Fill Madeira Wine Barrique nach 11 Jahren oder 132 Monaten mit 58,3% abgefüllt. Link zur Whiskybase

Nase: Süße Dämpfe steigen auf. Gekochte, gelierte Früchte in einem Blätterteiggebäck. Dezente Honig und Getreidenoten.

Mund: Ein leichtes Prickeln, dann eine saftige Birne mit ein paar Bitterstoffen. Dann ein paar Wallnüsse und Chilischokolade. Ein Klecks Vanillecreme zu einem würzigen Kaffee.

Abgang: Die Birne bleibt, süß und sauer. Dazu kommt eine Mandelnote. Die Länge ist angenehm.

Fazit: Nicht verkehrt, eine nicht ganz typische Glenfarclasabfüllung. Der erste Gliese gefiel mir allerdings noch besser. 84/100

Glenfarclas 2004 for Anam Na H-Alba

Den Namen Glenfarclas auf eine unabhängig abgefüllte Flasche zu kriegen ist schwer, wie oben erwähnt. Das geht einfacher, wenn man ein private Cask bei Glenfarclas kauft und dieses als Lizenzabfüllung direkt von der Destillerie befüllen lässt. So hier geschehen: Der Kirchhellener Private Tastingcircle 666 Flaschen aus einem Sherry Cask und einem Sherry Hogshead zu einer Abfüllung mit 62,3% zusammenführen lassen. Elf Jahre in den Fässern war dann die offiziell ausführende Stelle der deutsche unabhängige Abfüller Anam Na H-Alba. Ganz schön kompliziert… Link zur Whiskybase

Nase: Haselnüsse Galore mit einer weichen Malznote. Etwas Vanille und getrocknete Früchte. Aprikose und Pfirsich.

Mund: Extrem wärmend. Der Alkohol nimmt sehr stark den Raum ein. Man braucht einen Moment bis er sich gelegt hat. Chili und Pfeffer kämpfen gegen den Sherry. Das ist ein schönes Spiel im Mund, kann man schön eine Zeit lang kreisen lassen.

Abgang: Späte Vanille mit ein paar Bitterstoffen. Leichte Säure mit einem trockenen Ausklang. Das Sherryfass ist auch noch da, nimmt aber keinen großen Raum ein.

Fazit: Der ist ziemlich lecker. Man muss sich vielleicht mit der Stärke arrangieren aber dann ist der absolut brauchbar! 88/100

Glenfarclas 1999

Der Kirchhellener Tasting Circle scheint Gefallen an Glenfarclas zu haben. Auch diese Abfüllung ist für diese. Whiskyclub in die Flasche gebracht worden. Diesmal ohne unabhängige „Instanz“. Zwei Refill Sherry Casks ergaben nach 14 Jahren zusammen 536 Flaschen mit 59,9%. Link zur Whiskybase

Nase: Der Alkohol zwickt erstmal in der Nase. Trockener Sherry tut sich aber schwer durchzudringen. Ein paar angetrocknete Wiesenblumen. Wenn er eine Zeit im Glas ist, dann kommen die Sherryfässer gut raus.

Mund: Ein Schwung Holz, dann einige Rosinen, ein leichtes Prickeln. Die Säure packt zu.

Abgang: Erst ist er kurz weg. Dann kommt Rum-Cola zurück und irgendwann wir es ordentlich würzig. Dazu ein wenig Orange und ausgelutschte Vanille.

Fazit: Kann man machen, überzeugt mich aber nicht komplett. Ich musste sofort an den 105er denken und welchen Mehrwert diese zwei Einzelfässer hier bieten. Das ist eher on par. 86/100

Glenfarclas 105 22-years-old

Fünfzig Jahre gibt es den Glenfarclas 105 seit 2018 schon. Das war für die Destillerie natürlich Grund genug für ein Special Release. 3600 Flaschen mit ebenfalls 60% und einer Reifezeit von mindestens 22 Jahren wurden dafür aufgelegt. Link zur Whiskybase

Nase: Beisst in der Nase. Eine trockene, rauchige(?) Note. Zuckersirup und Sherry kommen nach einer Zeit raus. Insgesamt sehr leise.

Mund: Warm und süßlich. Ein paar bittere, gekochte Wurzeln. Dazu dunklere Schokolade mit Chili. Grüner Apfel.

Abgang: Ein wenig Salz auf Brot. Die Rinde ist verbrannt und bitter. Dazu Haselnüsse. Bleibt eine Weile und hinterlässt ein leicht taubes Gefühl auf der Zunge.

Fazit: Er kann und will die 60% nicht leugnen. Das ist der Spirit des Glenfarclas 105. Aber was der Mehrwert der 22 Jahre ist erschließt sich mir nicht. Da nehme ich lieber den noch viel stürmischeren jungen Bruder ohne Altersangabe für ca. 10% des Geldes. Der ist markant und sticht aus der Maße heraus. Das tut dieser hier nicht wirklich. 84/100

Glenfarclas 1993 The Family Cask (S18)

Ein weiterer Klassiker in der Range von Glenfarclas: The Family Cask. Die Veröffentlichung erfolgt in Batches und die Abfüllungen haben immer eine Jahreszahl. Eine tolle Möglichkeit um eine Reihensammlung aufzubauen oder z.B. eine Flasche aus einem Geburtsjahr zu erstehen. Mit dem nötigen Kleingeld natürlich. Hier handelt es sich um eine Abfüllung aus dem Sommer 2018. Ein zum vierten Mal gefülltes Sherry Butt wurde mit Destillat aus dem Jahr 1993 bestückt. 479 Flaschen mit 53,3% ergaben sich so. Link zur Whiskybase

Nase: Am Anfang ganz kurz Farbverdünner, das verfliegt aber schnell. Dann wird’s richtig schön. Eine wunderbare Mixtur aus unaufdringlichem Sherry, delikaten Fruchtnoten, ein wenig Holz, frisch bearbeitet mit Möbelpolitur. Dann wechselt es in die kräutrige und würzige Fraktion, bevor noch ein paar nasse Tabakblätter hochkommen. Das ganze dann im Loop. Wow!

Mund: Prickelnd, etwas Pfeffer, dann kommen die Sherryaromen wieder durch. Eine Kuchen mit Marzipan und dunklen Früchten. Hat man sich an diesem satt gegessen, dann kommt eine würzige Eichennoten um die Süße auszugleichen.

Abgang: Eine immer stärker anschwellende Bitternote begleitet einen ganz feinen, fassgelagerten Marillenschnaps. Dazu kommt ein starker Kräutersud. Auch das Fass, die Eiche, möchte sich noch mal verabschieden. Außerdem wird er hinten raus auch noch trocken. Der Abgang macht wirklich einen bleibenden Eindruck. Auch 30 Minuten später noch.

Fazit: Das ist eine Demonstration. Der Abgang allerdings ist schon herausfordernd. Wie auch immer man es aber dreht und wendet, die beeindruckende Qualität wird kaum jemand leugnen können. 92/100.

Meta

Was kann man noch festhalten? Ich mag Glenfarclas. Der Kirchhellener Tasting Circle macht gute Abfüllungen. Es gibt wahnsinnig gute Family Casks. 4th fill Fässer haben ihre Berechtigung. Rumfasslagerungen sind immer noch nicht mein Ding. Limitierte Abfüllungen sind nicht per se gut. Es gibt immer noch echte Klassiker.

Bilder: Eigene Anfertigung; Samples: Private Käufe, Kauf beim Whisky Club Austria und eigene Flaschen