X4+10 = 200

Die gesuchte Zahl ist nicht 47,5. Eigentlich ist das auch keine Variable, sondern steht für eine vierfache Destillation. Die +10 für eine Reifezeit von zehn Jahren. Und die 200? Die steht für den 200. Whisky, der sich hier einem Review unterziehen darf. Wie schon bei der 100 darf dafür ein Octomore herhalten. Eine vollkommen gehypte Abfüllung für ein eigentlich irrelevantes Jubiläum. Passt 😉

Das Release hat die Website von Bruichladdich für einen Tag lahmgelegt. Dabei war sogar einiges davon da. 3000 Flaschen und der Preis war gesalzen. 200€ für eine 0,5l Flasche, inklusive Versand nach Deutschland. Da muss ja wirklich was dahinter sein, oder? Nun, das haben sich zumindest viele gedacht, die eine schnelle Münze auf eBay und co. machen wollten. Dort kann man auch jetzt diverse dieser Flaschen zu beliebig hohen Fantasiepreisen finden.

Bei diesem Spiel mache ich natürlich nicht mit. Mit etwas Geduld und stoischer Ruhe konnte ich eine Flasche beim Release kaufen. Die Flasche wird natürlich aufgemacht, geteilt und gnadenlos verblogt.

Octomore Edition X4 + 10 / Concept 0.2 /162 ppm

Was für ein Name. Was steckt dahinter? Ein vierfach destillierter Octomore mit 162ppm Torf. Der Middlecut, also die Flüssigkeit, die dann ins Fass kommt, hatte 89%. So konnte man eine Abfüllung mit 70% auf den Markt bringen. Ein Prozent mehr als der Middlecut bei Bruichladdich sonst hat. Ein Experiment also. Link zur Whiskybase

Ich habe mir dann die Frage gestellt, ob eine ganz normale Verkostung hier das richtige ist. Immer wieder ein paar Tropfen Wasser, falls ich das Gefühl habe es würde was verbessern. Ich hab mich dazu entschlossen es etwas exakter zu machen. Zur Überprüfung von Experimenten muss man ja genau sein. Jeweils ein Zentiliter mit 70%, 60% und 50% schien mir ein sinnvolles Tastingsetup. Damit konnte es dann losgehen.

Nase: Ohne Wasser sticht erstmal ein süßlicher alkoholischer Ton hervor. Rosenwasser, Käsekuchen und New Make. Ohne Vorwissen würde ich sagen das ist ein Grain. Nach einiger Zeit kommen noch ein paar zarte Kräuternoten dazu. Mit 60% zwickt er deutlich stärker in der Nase. Spannend, das hätte ich nicht erwartet. Etwas Orangenschale ist zu erahnen. Brotkrume und geröstetes Malz. Mit 50% sticht er noch stärker. Der süßliche Duft ist zurück. Die Kräuter sind jetzt verbrannt und ich finde auch Vanille. Insgesamt ist das sehr verschlossen. Gegebenenfalls muss man da wohl noch weiter runter mit dem Alkohol?

Mund: Erstmal ohne Wasser. Ein süßer öliger Film zieht sich durch den Mund. Ein wärmendes Prickeln deutet den Alkohol an, aber da brennt nichts. Leichte Orangennoten sind vorhanden und es kommt zum ersten Mal eine Vorahnung von Torf und Rauch an. Mit 60% ist die Textur noch öliger und er bringt eine richtig wuchtige Woge an Alkohol mit. Wärmend und das Prickeln auf der Zunge wird stärker. Er ist dicht verschlossen und hat bald eine fast kaubare Konsistenz. Eine malzige Note kommt dazu. Bei 50% ist er wieder etwas weniger stürmisch. Das Anpacken kommt auch erst Zeitverzögert. Jetzt hab ich zum dezenten Rauch ein paar Noten von Zitrusölen. Er geht langsam auf.

Abgang: Ohne Wasser ist der Spaß im ersten Moment schnell vorbei. Der rutscht fast unbemerkt am Gaumen vorbei. Wahnsinn bei dem Alkoholgehalt. Dann kommt die Süße wieder zurück und fordert Aufmerksamkeit. Eine leichte Bitternote kommt dazu, aber er ist wirklich sehr dicht, sehr verschlossen. Vielleicht ein paar gelbe Früchte mit Honig. Mit 60% gestaltet es sich ähnlich, dazu kommt noch etwas Menthol und ein paar Mandeln. Mit 50% setzen sich die Zitrusnoten aus dem Mund fort und ein Röstmalz gesellt sich dazu. Es bleibt schwer hier etwas raus zu kitzeln.

Fazit: Tja. Er heißt ja schon Concept. Es ist auch ganz klar eines dahinter. Allerdings ist das alles sehr verschlossen. Ich habe große Schwierigkeiten hier was rauszuschmecken. Das Mundgefühl ist interessant. Beeindruckend ist allerdings, das man 70% Alkohol so locker wegtrinken kann. Ich hab ihn auch noch mal weiter runter verdünnt, unter 50%, aber so wirklich viel mehr Spaß hat das auch nicht gebracht. Typische Octomorenoten fehlen fast vollständig. Ist es aber nicht das warum man einen Octomore trinkt? 82/100

Lasst es bleiben

Liebes Bruichladdichteam: Aus meiner Sicht gehen fast alle Punkte an die Handwerkskunst und das mutige Experiment. Geschmacklich holt mich diese Abfüllung nicht ab. Leider hatte die Marketingabteilung dann auch noch was mitzureden und ganz ehrlich: Lasst es bleiben. Sowas gibt man den Kunden in Sampleform als Beigabe zu anderen exklusiven Bottlings dazu oder bei Destillerytouren. Dann macht man eine Freude und kann es sicher trotzdem über den Preis umlegen. Dieser Schritt, 3000(!) 0,5 Liter-Flaschen auf den überhitzten Markt zu bringen, lässt sich für mich nicht nachvollziehen.

Liebe Flipper, ich hoffe ihr bleibt auf euren überteuerten Experimenten einfach sitzen. Trotz Bewertungen, die hingemogelt und positiv überzeichnet werden. Das hier ist zu teuer. Und ihr habt mit Sicherheit dem ein oder anderen Whiskynerd, der seine Freude am Experiment gehabt hätte, eine Flasche weggeschnappt. Ganz ehrlich: Lasst es bleiben oder erstickt an den Flaschen.

Liebe Whiskynerds: Auch ich finde es auch geil solche Experimente trinken zu dürfen. Das erweitert den Horizont und den Blick auf die gesamte Whiskywelt. Aber ganz ehrlich: Wieso muss man das dann in den Himmel loben? Erhofft ihr euch, das zukünftig noch viel mehr Abfüllungen so schmecken? Denn das würde eine 90+ Bewertung für mich hier bedeuten. Verstehe ich nicht. Deshalb seid ehrlich: Lasst es bleiben, bewertet realistisch. Das 70% Alkohol gut eingebunden sind ist toll, aber um den Geschmack geht’s hald auch, oder?

Bilder: Eigene Anfertigung, Sample: Eigene Flasche