Old & Rare Flight 017 – Rare Malts Selection

Das Interesse an Single Malt stieg in den 1990er Jahren weiter an, nachdem das neu gegründete Unternehmen United Distillers (UD) erstmals im Single Malt-Markt Fuß fasste, indem es die ‘Classic Malts of Scotland’ einführte. Eines der Produkte, das daraus resultierte, war die Rare Malts Selection. Dies war eine Serie von älteren, selteneren Single Malt-Abfüllungen aus in Betrieb befindlichen und geschlossenen Destillerien, die von Diageo von 1995 bis 2005 veröffentlicht wurden. Diageo hatte zuvor UD übernommen. Die Rare Malts stammten häufig aus geschlossenen Destillerien, die jeweils in den 1960er bis 1980er Jahren destilliert wurden, mindestens 18 Jahre reiften und in Fassstärke abgefüllt wurden. Diese Kombination ist für Sammler und Entdecker natürlich besonders interessant. Und ich mich zu letzteren zähle muss natürlich auch ich meine Sensorik mal an die Rare Malts Selection lassen.

Linkwood 1972 Rare Malts Selection

Wir beginnen in der Speyside. Zu meiner Freude bei Linkwood, da bin ich ja sowieso gerne. 22 Jahre alt, destilliert Anfang der 70er und mit fast 60% abgefüllt. Link zur Whiskybase

Nase: Honig, rote Äpfel und Sesam. Er ist auch leicht käsig, aber in einer guten Art. Dann kommt noch Kräuteressig dazu. Das passt und macht den Weg frei für Kräuter, vor allem Salbei und auch Ingwer und Pfeffer.

Mund: Punchy, Pfeffer, Zitrone, Kamille, Apfel, Zimt, Margeriten, Birne, Ingwer. Ziemlich gut und ziemlich speziell. Das macht wirklich Freude.

Abgang: Kamille, Fenchel, Kräuter. Dazu kommt jetzt eine stärkere Fruchtnote. Sogar ein wenig Banane. Dazu schwarzer Tee und vielleicht sogar eine Idee von Rauch.

Fazit: Ein fantastisches Bottling. Vielleicht mit seiner Dominanz von Kräutern und floralen Noten nicht für jeden. 90/100 Mit Wasser wird er deutlich muffiger, würde ich nicht empfehlen.

Clynelish 1972 Rare Malts Selection

Es geht weiter in die Highlands. Ein 24 Jahre alter Clynelish mit 61,3%. Das ist an sich schon ziemlich beeindruckend. Mit einem Destillationsjahr von 1972 würde ich sagen da kommt wenig ran. Link zur Whiskybase

Nase: Eine ganze Menge an Wachs und Polituren. Darunter Honig, ganz wenig Zitrus und eine leichte Jogurtnote. Etwas trockene Erde, Gräser und Gartensträucher. Aber vor allem feine Hölzer und Wachs.

Mund: Ölig und wieder mit (etwas weniger) Wachs. Aber auch eine gewisse Würze, schon fast Schärfe. Vor allem Pfeffer. Dazu kommen Parafine. Die Fruchtnoten sind vor allem bei gewachsten Schalen. Eine gewisse Blumigkeit und Mineralität ist auch vorhanden.

Abgang: Bittere Holznoten, zusammen mit etwas Harz, Wachs, Malz und einem Tropfen Honig. Auch wieder Gräser und Prafine.

Fazit: Fantastischer, wachsiger Clynelish. Nur dezente Fruchtnoten, dafür aber etwas grasiges und ein paar Parafine. Sehr schön, davon würde ich mit Freude mehr trinken. 91/100

Millburn 1975 Rare Malts Selection

Seit vielen Jahren geschlossen und insgesamt gibt es nur sehr wenige Abfüllungen der Destillerie Millburn aus den nördlichen Highlands. 25 Jahre war diese RMS in den Fässern und wurde dann mit stolzen 61,9% abgefüllt. Link zur Whiskybase

Nase: Der Alkohol ist erstmal sehr präsent. Darunter kommt direkt eine süßliche und leicht vergorene Fruchtnote. Vor allem Südfüchte. Gleichzeitig ist da ein sehr malziger und brotiger Geruch. Eine Mischung aus Brauerei und Bäckerei. Mit der Zeit auch etwas Wachs und etwas mehr Honig.

Mund: Würzig aber nicht scharf. Salz, Sonnenblumenöl, Fisch, Zitronen. Auch wieder Wachs. Dazu Antiquariat und auch old-style Bourbon Reifung. Mit der Zeit kommt eine gewisse Trockenheit.

Abgang: Ganz stark auf den öligen Noten. Dazu etwas getoastete Gerste. Wachs und noch immer ein ganz klein wenig Honig. Zitrusschalen. Schöne Länge.

Fazit: Wow. Man braucht trotz der Stärke keinen Tropfen Wasser, nur ggf. etwas Zeit. Und er ist insgesamt extrem stimmig, wenn auch bisweilen eigensinnig. Braucht ein paar Momente bis man die Nase erschließen kann. 91/100

Rosebank 1981 Rare Malts Selection

Eine weitere Lost Distillery. Rosebank war bis 1993 in Betrieb. Sie gehört zu den kürzlich wiederbelebten Destillerien von Diageo. Wobei das ganze etwas komplizierter ist. Denn hier hat zuvor Ian Macleod den Namen und die Site in den Lowlands gekauft und eine neue Brennerei darauf errichtet. Mit dem Stoff hier wird das also wahrscheinlich nicht viel zu tun haben. Der war 20 Jahre in den Fässern und wurde mit 62,3% in 6000 Flaschen gefüllt. Link zur Whiskybase

Nase:Der Alkoholdampf treibt erstmal aus dem Glas. Das muss man auch hier abwarten. Mit etwas Sauerstoff hat man dann Polituren, Wachse, Öl (eher kein Speiseöl). Danach kommen Kirschen, Harz, Minze und Zimt. Ich sag mal so: Zurückhaltend ist der nicht.

Mund: Der Alkohol lässt kurz die Alarmglocken im Mund angehen. Mit etwas Speichel ist das schnell vorbei. Dann kann man Pfeffer erschmecken, der dann wiederum über geht in eine Melange aus Kaffeenoten, Früchten, Salz, Nüssen, Muskat und auch wieder diese Dreckigkeit.

Abgang: Honig, Wachs und Gräser. Aber auch Salz, Phenole und Zitrusschalen. Dazu eine leichte Nussschalennote (wer schonmal eine Walnuss mit den Zähnen aufgemacht hat weiß was ich meine) und der Alkohol betäubt ein wenig den Mund. Eichenwürze ist auch gut vorhanden.

Fazit: Zugegeben: Ich hab einen Moment gebraucht, bis ich hier reingekommen bin. Sehr fordernd, sehr komplex. Teilweise ungewöhnlich (für mich). Teilweise sehr laut. Da ist man gut beschäftig. Wasser verträgt er gut. Nimmt ihm ein wenig den Punch und macht ihn zugänglicher. Allerdings geht dann auch Komplexität verloren. 91/100

Brora 1982 Rare Malts Selection

Wenn man über geschlossene Destillerien spricht, dann kommt meistens als erstes Port Ellen und als zweites Brora als Thema. Auch diese wird gerade reaktiviert, hier aber mit großteils ursprünglichem Equipment. Sie ist die Schwesterdestillerie von Clynelish. Der Rare Malts hier ist der letzte Brora aus der Reihe. Er reifte 20 Jahre und wurde mit 58,1% abgefüllt. Link zur Whiskybase

Nase: Erstmal etwas verschlossen. Leicht süß, Honig vielleicht. Und Apfel. Auch nach ein paar Minuten passiert hier noch nicht viel. Es ist Malz dazu gekommen. Erst nochmal einige Minuten später schafft es der Alkohol weitere Aromen aufsteigen zu lassen. Wachs, Sonnenblumenöl, helle Früchte, Milchcreme. Dann Vanille, rauchgeschwängerte Seeluft, Kräuter und getrocknete Südfrüchte.

Mund: Wärmend und damit zwickt er dann auch in der Zunge. Zitruswürze, eine wunderschöne Grasigkeit, die ich auch bei St. Magdalene sehr schätze. Damit wird er dann auch “dreckig”. Nach ein paar Schwüngen im Mund wird er wunderbar weich und bringt dabei auch Bitterstoffe mit. Grapefruit.

Abgang: Trocken, leicht wachsig, gärende Früchte. Bitterstoffe und eine leichte Seifigkeit in Richtung Limette. Brennendes Heu.

Fazit: Auch sehr schön. Das war man bemängeln könnte: Es würde schon noch viel mehr Wachs gehen. Ist auch der hauptsächliche Kritikpunkt, wenn man in die Base kuckt. Nun, damit kann ich leben. Im Sinne der Trinkbarkeit ist er sogar besser als der Rosebank würde ich sagen. Aber dafür fehlt dann die Komplexität und der Wumms. Also 90/100 Hier kann man übrigens schön mit Wasser spielen.

Port Ellen 1978 Rare Malts Selection

Und wenn wir schon von Port Ellen sprechen, dann darf so einer natürlich auch für diesen Flight nicht fehlen. Zwei Abfüllungen davon gibt es. Diese hier hat 22 Jahre auf dem Buckel, ist 60,5% stark und es gab 4580 Flaschen. Link zur Whiskybase

Nase: Apfel, leichter Rauch, Kiesweg, Teer, Diesel, Bandagen, Zitronensaft, ein leicht muffige und erdige Note. Aber auch Vanille und Honig. Und dann doch wieder Fisch mit frischem Pfeffer drauf. Das ist schon ziemlich beeindruckend komplex und balanciert.

Mund: Maritim mit viel Fisch und Muscheln. Cremig und rund. Vanille, Zitrone, wieder ganz wenig Rauch. Phenole, Teer, mineralische Noten. Auch wieder Pflaster und solche Dinge.

Abgang: Gutes Volumen, wärmend, mit viel Apfel aber auch wieder etwas Rauch und Kohle. Dabei doch ziemlich frisch und belebend.

Fazit: Auch toll. Die Nase ist quasi unendlich gut. Alles danach steht da hinten an. Beeindruckend fand ich wie wenig der Alkohol dominiert. Ich hatte zu keinem Zeitpunkt den Eindruck von über 60%. 90/100

Honig Wachs Pfeffer

So könnte man an Hand der Häufigkeit der verwendeten Wörter die Session beschreiben. Oder aber man sagt einfach das ist komplett einmalig. Ich kann den Hype um die Rare Malts jetzt sicher “etwas” besser verstehen. Und dabei hab ich noch nichtmal die angeblich besten im Lineup gehabt (gut sicher auch nicht die am schlechtesten bewerteten ;-)). Ich werde versuchen noch weitere Rare Malts zu kriegen. Schließlich ist mein Forschungsauftrag endlos.

Mehr zu: Brora, Clynelish, Linkwood, Millburn, Port Ellen, Rosebank
Bilder: Eigene Anfertigung und freundliche Überlassung der Whiskybase
Samples: Eigene Flaschen (danke Gérard), privat gekauft (danke Christian) und Teil eines Tastings (danke Gérard)