Immer mehr Speyside im Glas (Teil 6)
Es wird wieder Zeit für eine gesammelte Reise durch die Speyside. Im Frühling geht es nach Ballindaloch, Aberlour, Buckie und Forres. Eine kleine Tour mit berühmten Destillerien und auch ein paar unbekannteren.
Glenlivet 12-year-old (2008)
Ich beginne mit einem Standardbottling aus 2008. Gibt es auch heute noch. Allerdings als „Double Oak“. Bei diesem hier weiß man gar nichts über die Fässer. Abgefüllt wurde er mit 40% und mein Sample ist die Miniaturvariante. Link zur Whiskybase
Nase: Es beginnt laktisch mit Jogurt. Dann kommt Malz, Apfel auch Getreide auf dem Feld. Und leider auch Klebstoff.
Mund: Das Jogurt ist jetzt ordentlich sauer. Der Apfel besteht nur noch aus Gehäuse. Und für 40% ist er relativ, wenn nicht sogar erstaunlich, scharf.
Abgang: Eine malzige Süße macht sich breit. Es wird fast schon brotig. Mittellang geht er dann langsam unter.
Fazit: Aufregend ist das nicht gerade. Der Abgang ist noch am besten und versucht die Fehlnoten ein wenig auszugleichen. Nicht unbedingt erfolgreich. 78/100
Glenlivet 1968 – Signatory Vintage
Ab in die Zeitmaschine. Ein weiter Glenlivet. Gebrannt in 1968. Abgefüllt von Signatory in 1990. Er kommt aus zwei „Oak Casks“ und wurde mit 50,1% in die berühmten Dumpy Flaschen gefüllt, aber auch in einen Dekanter und diese Minis, wie hier im Bild. Link zur Whiskybase
Nase: Orange auch mit Zeste. Dazu Malz und für mich etwas überraschend auch leichter Rauch. Heute gibt es den Naddura, der ist peated, mir war aber nicht klar, dass man auch in den 1960ern bereits getorftes Malz bei Glenlivet verwendet hat.
Mund: Malz ist dominierend. Die Süße verwandelt sich in etwas fast künstliches. Mit der Intensität von einem echten amerikanischen Candy-Shop.
Abgang: Immer noch sehr kräftig, malzig. Der Rauch aus der Nase ist zurück und wird zu etwas das ich als „Landjäger“ oder Rauchwurst bezeichnen würde. Vielleicht auch die vegane Variante von so etwas.
Fazit: Ich weiß nicht so richtig wie ich das einordnen soll. Ggf. hab ich hier einen Oldstyle, den ich noch nicht kenne und würdigen kann? Das ist ein guter Whisky aber der Stil, wenn es ein eigener sein sollte, ist mir ein wenig zu speziell. 85/100
Benrinnes 1995 – Cadenhead
Eckige Flasche von Cadenhead, schwarzes Label, ganz klar (meistens) eine Small Batch Abfüllung. In diesem Fall gebrannt bei Benrinnes und in drei Bourbon Hogsheads für 23 Jahre gelagert. Abgefüllt wurden dann 708 Flaschen mit 51,1%. Link zur Whiskybase
Nase: Süßlich, mit Honig. Diese Assoziation führ mich dann gleich zu einer wachsigen Note. Dann kommt noch Vanille dazu, sowie Marzipan und Kokos. Sehr stimmig.
Mund: Ohne groß den Alkohol im präsent zu machen geht es direkt zu Milchkaffee und Zitruszesten. Dann kommen Kokospäne, Apfelrinde, Vanille und Mandel.
Abgang: Sehr schöne Kombination aus Früchten und Vanille. Sehr lebhaft, fast schon ungewöhnlich für den Abgang. Zwischendrin blitzt irgendwas aus einer Garage auf. Honig und Gebäck sind da auch noch. Am Ende ist es eine Latte mit Fruchtsirup.
Fazit: Sehr schön. Normalerweise mag ich stark betonte Vanille nicht. Hier funktioniert das gut. Die Nase hätte mich blind vielleicht Clynelish vermuten lassen. Kein gewöhnliches Bottling, auf verschiedenen Ebenen. Mich hat es sehr gut abgeholt! 89/100
Benromach 2010 Peat Smoke
Ein acht Jahre alter Benromach aus dem 1st Fill Sherry Hogshead. Bzw. aus mehreren, denn es wurden 6500 Flaschen abgefüllt. 59,9% hat die Abfüllung. Sie wurde bereits 2018, noch unter dem alten Design abgefüllt. Link zur Whiskybase
Nase: Öllappen, leichter Rauch, Lack, Schinken. Danach oder eher dahinter, ein klein wenig helle Früchte. Die wurden in Schnaps eingelegt.
Mund: Etwas Rauch, säuerlich, buttrig. Honig und Sherry begleiten und dann kommt etwas Gummi und auch Sulphur.
Abgang: Rauchig und Süß. Mit Beeren und Bitterstoffen. Es bleibt dabei weiterhin säuerlich. Ein Hauch Schwefel und eine nussige Schokoladennote sind auch noch zu vernehmen.
Fazit: Ziemlich fordernd, aber auch schön. Hat, vor allem im Mittelteil, viel von Port Charlottes aus Sherryfässern. Nettes Bottling und ein schöner Fund. 87/100
Dailuaine 2011 – A.D. Rattray für Whiskyfacile
Unsere Freunde von Whiskyfacile aus Italien haben ihre zweite Bottlingreihe an den Start gebracht. Diesmal genannt „The Black Cat Series“ und abgefüllt von A.D. Rattray. Hier haben wir einen Dailuaine aus 2011 aus dem 1st Fill Bourbon. 261 Flaschen mit 53% gab es. Eine davon haben wir in Limburg auf der Messe leer gemacht. Link zur Whiskybase
Nase: Dezente Vanille und Malz. Gibt es bestimmt schon aber wenn jemand vor hat ein Vanillebier zu machen: Dann bitte so. Mit ganz wenig Vanille und viel Bier. Nicht umgekehrt 😉 Dazu schöne helle, gelbe Früchte, mit Honig und Keksen dazu.
Mund: Es wird würziger. Vor allem pfeffrig. Das Bier und die hellen Früchte sind zurück. Diesmal vor allem mit Schale. Zitruszesten, Mirabellenschale.
Abgang: Malzig, weiterhin etwas würzig. Immer noch ein wenig Bier. Mit der Zeit wird er sehr trocken. Aber nicht auf die „oh Gott wo ist mein Speichel“-Art sondern auf die „oh ich bin durstig, ich will mehr“-Art.
Fazit: Einer für in der Sonne. Egal ob im Frühlingswind oder im Hochsommer im Schatten. Sehr lecker. Er wird mit dem Glenlossie (Link zum Review) aus der Odyssee-Serie verglichen – ich würde mal sagen das tut beiden Unrecht. 88/100
Inchgower 12-year-old – James MacAthur
Als letztes nochmal eine Mini. Abgefüllt für den Mini-Bottle-Club (ja, sowas gibt es), von James MacAthur. 180 5cl Minis mit 59% wurden 1991 abgefüllt. Aus welcher Art Fass die 9 Liter entnommen wurden ist nicht bekannt. Link zur Whiskybase
Nase: Honig und Getreide machen den Start. Dann wird es leicht säuerlich. Nach einer Zeit ist das dann Ananas. Auch Knäckebrot finde ich. Mit Wasser wird er etwas weinig.
Mund: Moosig, krautig, süß. Das ist eher unerwartet und auch unschön. Das retten auch die Holzspäne, die später dazu kommen, nicht.
Abgang: Leicht bitter und mit der Zeit trocken. Die Aromen werden wieder etwas normaler, aber so ganz in Balance ist das für mich nicht.
Fazit: Puh, das ist nicht so wirklich meiner. Eher anstrengend. 79/100 Ich mochte ihn so wenig, dass ich den Rest einen Tag später nochmal probieren konnte. Da war er trinkbarer. Aber wer lässt schon eine Mini bis zum nächsten Tag stehen.
Erwartungen erfüllt?
Ja, denn auch die zweite Abfüllreihe von Whiskyfacile scheint wieder von wirklich hoher Qualität geprägt. Wir hatten die Gelegenheit noch mehr davon zu probieren und der Dailluaine ist nur ein Stellvertreter, weil er eben in dieses Posting passt.
Ansonsten gibt es hier noch zu erkennen: Die Cadenhead Small Batches waren einfach sehr häufig sehr gut. So wie auch hier.
Und: In der Vergangenheit war eben doch nicht alles besser. Selbst eine Signatory Dumpy ist nicht automatisch eine Garantie für ein überragendes Bottling. Vielleicht am langen Ende nicht alles wie erhofft aber vielleicht dennoch nicht überraschend.
Mehr zu: Benrinnes, Benromach, Dailiuaine, Glenlivet, Inchgower
Bilder: Titel: Generated by DALL-E, Prompt: Scottish Speyside landscape in spring painted by Van Gogh | Flaschen: Eigene Anfertigung und freundliche Überlassung der Whiskybase
Samples: Eigene Flaschen und privat gekauft
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